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Paukenschlag am Rosenmontag - Der Papst in der Hölle - Wahl oder "Ernennung"? - Ritueller Rauswurf - Psychischer Ausnahmezustand - Wie am Karfreitag - Eine Opernkulisse
Der 11. Februar 2013 war ein Rosenmontag; durch das Rheinland wälzten sich unter ständigem Alaaf die Karnevalszüge. Darum glaubten in Deutschland viele zunächst an einen Scherz, als auf einmal die Nachricht aufkam, der deutsche Papst habe gerade in Rom seinen Rücktritt angekündigt. Aber es war kein Scherz. Benedikt XVI. hatte tatsächlich in einer lateinischen Rede bei einer Routinekardinalsversammlung im Apostolischen Palast wissen lassen, er wolle sich angesichts der für ihn immer schwerer zu tragenden Bürde des Amtes, die er seit nunmehr acht Jahren schulterte, zum Monatsende aus dem Petrusdienst zurückziehen, und innerhalb der festgesetzten Frist solle dann das Konklave zusammentreten, um einen Nachfolger zu bestimmen.[1]
Ein Paukenschlag. Auch wenn das bayerische Pontifikat zuletzt von einer Reihe von Skandalen heimgesucht worden war, hatte doch niemand mit dem Rücktritt des 85-Jährigen gerechnet. Allein schon deswegen, weil in der Neuzeit noch nie ein Petrusnachfolger aus freien Stücken aus dem Amt geschieden war, im Gegenteil, der Pole Johannes Paul II. (1978-2005), Benedikts unmittelbarer Vorgänger, hatte vorexerziert, dass ein Pontifex Maximus sich auch von Parkinson und körperlichem Verfall nicht ausbremsen lässt, bis zum Tod. Ein Papst, der in Rente geht? Unvorstellbar. Zuletzt hatte 1294 der Abruzzeneremit Coelestin V. aus freien Stücken abgedankt und war nach Lesart einiger Forscher wegen dieses "gran rifiuto" von Dante in die Hölle verbannt worden. Doch so einschneidend, ja für viele schockierend der Rücktritt Benedikts war - der Krakauer Kardinal Dziwisz, früherer Sekretär Johannes Pauls, wurde mit der scharfen Bemerkung zitiert, Jesus sei doch damals auch nicht vom Kreuz herabgestiegen -, so setzte sich doch gleich, unter beruhigendem Knirschen, ein Mechanismus in Bewegung, der seit Jahrhunderten dafür sorgt, dass der Platz an der Spitze der katholischen Weltkirche nicht verwaist, auch unter den herausforderndsten Umständen nicht. Das Konklave.
Konklave: "mit dem Schlüssel". Passend zum Papsttum, das seit Menschengedenken zwei Schlüssel im Wappen führt. Die Wähler eines Papstes werden seit dem Mittelalter eingeschlossen, um sie von äußeren Einflüssen möglichst fernzuhalten; Konklave, das ist ein genau festgelegtes Ineinander von Riten und Prozeduren, eine archaische Papstmaschine, die rumpelt und dampft, am Schluss aber zuverlässig einen neuen Amtsinhaber ausspuckt. Zuletzt hatte Johannes Paul II. 1996 mit dem Grundlagentext Universi Dominici Gregis die Regeln des Konklave behutsam aktualisiert, Regeln, die aus ganz unterschiedlichen Epochen stammten, deren gemeinsamer Nenner aber darin besteht, dass die Elektoren in ihrer Entscheidung frei sein sollen von jeglichem Druck.[2]
Ende Februar 2013 ging die Amtszeit Benedikts XVI. offiziell zu Ende, der nunmehrige papa emeritus zog sich in die Albaner Berge außerhalb Roms zurück - und schon trafen aus allen Teilen des Planeten Kardinäle in der Ewigen Stadt ein, um sich auf den Wahlprozess vorzubereiten. Gerüchte begannen durch die Stadt zu mäandern, welche Geheimgespräche diese oder jene Eminenza geführt habe; die Zeitungen verlegten sich darauf, die Biografien aussichtsreicher Papstkandidaten zu analysieren, und an einigen Plakatwänden in der Stadt tauchten sogar Fake-Wahlplakate auf, die für einen afrikanischen Kurienkardinal warben. Ab dem 4. März traten dann wahl- wie nicht wahlberechtigte Kardinäle im Vatikan zu sogenannten Generalkongregationen zusammen, um über die Herausforderungen der Kirche und das Profil eines künftigen Petrusnachfolgers zu debattieren, und diese Beratungen fanden zwar hinter verschlossenen Türen statt, doch wurden die Kardinäle beim Betreten und Verlassen des Vatikans von wartenden Journalisten gefilmt, fotografiert, mit Fragen bestürmt, und wunderbarerweise stand alles, was bei den Generalkongregationen im Geheimen besprochen worden war, am nächsten Morgen lang und breit in den Tageszeitungen. Als heißester Tipp für das Papstamt wurde ein Italiener gehandelt, Kardinal Scola von Mailand, Protegé des Zurückgetretenen; doch der aus Mainz angereiste Kardinal Lehmann meinte in einem Radio-Vatikan-Interview kryptisch, das Interessante sei doch, dass von den "eigentlichen Kandidaten" derzeit öffentlich gar nicht so sehr die Rede sei . Womit sich diese Vor-Konklave-Zeit wieder mal als großer Moment des Verwirrspiels und der falschen Pisten erwies. Kein Wunder, dass sich auch Romanautoren wie Robert Harris oder, nun ja, Dan Brown des Themas angenommen haben und dass Konklave 2024 mit Ralph Fiennes in der Rolle von Kardinaldekan Lawrence Kinosäle gefüllt hat. "Wer als Papst ins Konklave einzieht", so behauptet ein italienisches Sprichwort, "der kommt als Kardinal wieder heraus."
Warum aber gibt es überhaupt ein Konklave? Lässt sich der Bischof von Rom denn nicht auch auf eine andere, vielleicht weniger geheimnisvolle Weise bestimmen, ganz ohne Eingeschlossen-Werden und Rauchzeichen? Johannes Paul II. schrieb in Universi Dominici Gregis, er wisse durchaus "um die Bewertung durch Theologen und Kanonisten aller Zeiten, die einmütig diese Institution", also das Konklave, "für die gültige Wahl des Papstes von ihrer Natur her für nicht notwendig erachten". Das Konklave - nicht notwendig? Das war bemerkenswert abgebrüht, erst recht aus der Feder dieses polnischen Papstes, der später, 2003, in einem Gedicht namens Römisches Triptychon über die Wahl seines Nachfolgers in der Sixtinischen Kapelle nachsinnen sollte.[3] Doch in Universi Dominici Gregis führte Johannes Paul in aller Ruhe aus, er habe sich bewusst dafür entschieden, das Konklave beizubehalten, und zwar nicht nur, weil es eine "altehrwürdige Institution" sei - ein typisch vatikanisches Argument -, sondern auch wegen seiner "Zweckmäßigkeit" und seiner "beständigen Nützlichkeit (.) insbesondere in Augenblicken der Spannung und Unruhe". Also, es blieb beim Konklave. Wobei der Papst aber en passant klargemacht hatte, dass er der Herr des Verfahrens war und sich auch für einen anderen Modus hätte entscheiden können. "In der Tat scheint das Prinzip unangefochten zu sein, wonach es den Päpsten zusteht, (.) die Art und Weise zu bestimmen, wie die Ernennung der Person vonstattengehen soll, die bestellt wird, die Nachfolge des heiligen Petrus auf dem Bischöflichen Stuhl in Rom anzutreten." Man beachte hier das Wort "Ernennung".
Beibehalten wurde in Universi Dominici Gregis auch Rom als Ort der Papstwahl; das war es schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung gewesen. Und bekräftigt wurde die alte Tradition, dass nur Kardinäle den Papst wählen dürfen, also Angehörige des päpstlichen Senats, den eine US-Nachrichtenagentur einmal als "exklusivsten Männerclub der Welt" bezeichnet hat. Relativ neu war allerdings, dass Kardinäle mit der Vollendung des 80. Lebensjahres automatisch aus dem Kreis der Papstwähler ausscheiden mussten, eine Altersgrenze, die Paul VI. (1963-1978) eingeführt hatte. Kurzum, am Nachmittag des 12. März 2013 zogen in einer langen Schlange 115 Purpurträger unter dem Gesang der Allerheiligenlitanei in die Sixtinische Kapelle im Apostolischen Palast, unter ihnen fünf Deutsche, lasen eine lateinische Eidformel vor und nahmen dann ihre Plätze unter Michelangelos Fresko Das Jüngste Gericht ein. "Extra omnes", dekretierte der vatikanische Zeremonienmeister Marini, "alle hinaus!", womit die hinauskomplimentiert wurden, die kein Recht hatten, an der Wahl des Papstes teilzunehmen. Die hohen Türen der Kapelle schlossen sich mit einem Quietschen, dann waren die Papstwähler allein mit sich und ihrem Gewissen.
Einen Tag zuvor hatte ich zusammen mit einer kleinen Gruppe von am Vatikanischen Pressesaal akkreditierten Journalisten einen Blick in die Sixtina werfen können, die jetzt zum 25. Mal in ihrer Geschichte Schauplatz eines Konklave sein sollte. In der Ecke gleich links vom Eingang hatte die vatikanische "Floreria" einen gusseisernen Ofen aufgebaut, ein ziemlich hässliches Ungetüm, dessen Rohr beeindruckend lang zum Kapellendach hochführte; hier sollten durch das Verbrennen von Stimmzetteln die Rauchzeichen entstehen, durch die die Kardinäle der Außenwelt mitteilen wollten, wie der jeweils letzte Wahlgang verlaufen war. Schwarzer Rauch: Es gibt noch keine Zweidrittelmehrheit. Weißer Rauch: Ein Papst ist gewählt. Dazu hatte man außen auf das Dach der Kapelle, vom Petersplatz aus gut sichtbar, einen kupfernen Schornstein aufgesetzt. An den Längsseiten der Kapelle waren in jeweils zwei Reihen links und rechts die Sitze der Wähler vorbereitet worden: mit Tüchern bedeckte Tische, 115 Stühle aus Kirschholz, alles ziemlich eng beieinander, an jedem Platz eine kardinalsrote Schreibunterlage mit einem blauen Kuli, der Konklaveordnung und dem grünen Ritenbüchlein Ordo rituum Conclavis.[4] Hier würden sie also sitzen, beten, auf die Fresken starren, mit dem Nachbarn tuscheln und bei jedem Wahlgang nach vorn schreiten, um ihren Stimmzettel auf einen Teller zu legen und von dort in eine Urne rutschen zu lassen. So lange, bis in geheimer Wahl die Zweidrittelmehrheit für einen neuen Papst erreicht war; andere Modelle wie etwa die Wahl per Akklamation hatte Johannes Paul...
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