Schweitzer Fachinformationen
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Es gibt viele Gründe, warum Yoga so beliebt ist. Die Praxis, das hört man immer wieder, hat das Leben vieler Menschen verändert. Sie sind in schweren Zeiten irgendwann mal auf YouTube bei Yoga with Adriene hängen geblieben, oder eine Freundin hat sie ins Yogastudio mitgenommen, und dann, vielleicht nicht sofort, aber doch ziemlich schnell, blieben sie dabei. Weil es so guttat. Vor allem in Zeiten, in denen schon das Aufstehen wie Hochleistungssport erscheint, aber der Krieger I einen wieder mit Mut anfüllt. In Zeiten, in denen alle immer alles von einem wollen, das befriedigende Pflatsch beim Ausrollen der Matte aber verspricht, dass man die nächste Stunde nur eines muss: für sich selbst da sein.
Die Matte als Floß. Der Atem als Anker. Yoga berührt Menschen. Und es hilft Menschen, sich selbst zu berühren. Zu spüren. Yoga reduziert Stress, das ist der Grund, warum Krankenkassen es bezuschussen. Und es holt Menschen immer wieder da ab, wo sie gerade sind. Die Matte reicht.
Darüber hinaus gibt Yoga den Menschen aber noch weit mehr: eine Gemeinschaft, einen Gegenort zu einer Welt, die oft genug aus den Fugen scheint. Das kann man ruhig so groß formulieren, denn es ist für viele wahr. Aber man kann es auch ganz anders ausdrücken. Denn Yoga muss niemandes Leben verändern. Vielleicht hat man durch die Praxis einfach nur weniger Rückenschmerzen. Auch das ist viel wert.
Yoga ist wertvoll. Ganz wortwörtlich. Die Yoga-Industrie hatte im Jahr 2024 weltweit einen Marktwert von gut 115 Milliarden US-Dollar, Tendenz steigend,[1] wobei in Deutschland laut einer vom BDYoga beauftragten Studie inzwischen jede:r Fünfte Yoga praktiziert.[2] Es gibt Tausende Yogastudios, und so gut wie jeder Sportverein hat mindestens eine Yogastunde im Angebot. Bei home24.de fangen die günstigsten Buddha-Statuen bei 17 Euro an. Bei Amazon Deutschland gibt es mehr als 60000 Treffer zu «Yoga machen», darunter Yoga für den Kindergarten, für Teens, für Alltagswehwehchen und Yoga Plus Size. Auf YouTube erklären Yoga-Lehrende neben dem Handstand, was sie wann essen, welche Matten sie bevorzugen und wann ihr nächster Retreat stattfindet. Millionen wollen das wissen.
Yoga hat sich ausdifferenziert. Wer sich mal im Internet, in Yogastudios, bei Instagram und in Frauenzeitschriften umguckt, bekommt es mit: Neben der Matte liegen Kristalle und brennen Räucherstäbchen, das «Rosy Glow Gesichtsdampfbad» gibt's an der Anmeldung, außerdem Journaling-Workshops, Mondkarten und Kakaozeremonien. Schamanisches Atmen, tantrische Massagen, der (heimliche) Wunsch, damit abzunehmen, und natürlich Women's Circles. Yoga als holistische Wellness.
Das Geschäft mit Yoga ruft aber auch Kritik hervor. Lululemon ist ein kanadisches Unternehmen, das auch in Deutschland einige Flagship-Stores unterhält und es geschafft hat, das Omega seines Logos über zahlreichen Hinterteilen zu platzieren. Die Firma verkauft Athleisure für verschiedene Sportarten, aber los ging der Erfolg mit speziell für die Yogapraxis entwickelten Klamotten. Das bringt mittlerweile eine Marktkapitalisierung von 45,79 Milliarden US-Dollar.[3] Damit steht die Firma noch vor Adidas und Puma. Kritiker:innen sagen, Lululemon hätte mit den Produkten überhaupt erst den Bedarf an Kleidung speziell für Yoga kreiert, und dazu noch so teuer, dass sie nur für Besserverdienende zu haben seien. Damit geht auch der Vorwurf des Whitewashing einher: Wer Unterwäsche mit dem Slogan «Namastay Put» (in etwa: «Namanicht verrutschen», ein Wortspiel aus dem Sanskrit-Wort Namaste) verkaufe, zeige damit einen unsensiblen Umgang mit kulturellen Aspekten einer marginalisierten Kultur.[4]
Yoga ist eben auch politisch. Und nicht nur das: Yoga selbst ist auch Politik. In Indien nutzt der amtierende Premierminister Narendra Modi, von der hindunationalistischen Partei BJP, Yoga als Werkzeug im Wahlkampf. Dass «Yoga» weder so alt noch so rein hinduistisch ist, wie von Modi propagiert, ist dabei so egal, wie Fakten für nationalistische Politik immer und überall egal sind. Das lässt sich auch im Kleinen beobachten: Allerorts gibt es Menschen, die von sich sagen, sie kennen das «wahre» Yoga. Die einen sagen es ohne offensichtliche Agenda, andere machen damit Geschäfte. Oder rechtfertigen ihre politische Meinung. Oder beuten andere aus. Oder missbrauchen sie gar. Yoga kann nichts dafür, aber Yoga ist auch nicht unschuldig. Denn Yoga ist eine soziale Praxis.
Yoga wird von Menschen gemacht. Es ist kein Buch, keine einheitliche Philosophie, kein einheitliches Übungssystem. Das, was wir heute hierzulande in Yogastudios praktizieren, was dort zumeist unterrichtet wird, ist nicht älter als 150 Jahre. Nur wenige der heute verbreiteten Praktiken sind älter als 1000 Jahre.[5] Das wird für viele überraschend sein. «Das zeitgenössische Yoga ist ein modernes Konstrukt, seine Abläufe und Techniken sind das Ergebnis ganz unterschiedlicher transnationaler Interaktionen und Einflüsse», schreiben die Sozialanthropologinnen Alison Shaw und Esra Kaytaz.[6]
Yoga ist heute überall - aber wie ist es da hingekommen? Welche Menschen praktizieren es, warum und in welchem Kontext? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns nicht nur mit Praxis und Spiritualität, Konzepten und Theorie befassen, sondern auch mit Politik und Literatur, Geld und großen Persönlichkeiten. Nichts kommt aus dem Nichts. Alles ist Geschichte.
Diese Geschichte schauen wir uns an. Wir reisen dazu durch Zeit und Raum, zunächst ins antike Indien, und forschen nach, wie und wo das Wort «Yoga» zum ersten Mal auftaucht. Dabei geht es um Feuerrituale und die Macht von Priestern. Es geht um Askese, aber auch um Ekstase. Um schmerzhafte Praktiken und langen Atem. Um Menschen und ihre Fragen ans Leben. Im zweiten Teil reisen wir wieder, gemeinsam mit indischen Texten geht es von Kalkutta nach London. Britische Kolonialbeamte lesen diese Texte, aber die deutschen Romantiker:innen lesen sie auch. Und Yoga wird langsam zu dem, was wir als Yoga wiedererkennen. Es entwickelt sich vor dem Hintergrund des aufkommenden Nationalismus, dem Bedeutungsverlust von Religion in westlichen Ländern und dem zunehmenden Bedürfnis, mit Wissenschaft den Alltag zu erleichtern. Die Protagonist:innen dieser Entwicklung sind Friedrich Schlegel, Helena Blavatsky, C.G. Jung und Swami Vivekananda. Indische Sozialreformer, Bodybuilder und Society-Ladys in Upstate New York. Yoga wird systematisiert, und es wird global. In der Mitte des letzten Jahrhunderts sind es Yogalehrer:innen wie B.K.S. Iyengar und Indra Devi, die Yoga schließlich zu dem machen, was wir heute alle kennen. Die Beatles gehen nach Indien, immer mehr indische Gurus in den Westen. In Kalifornien wird Yoga brandbeschleunigt (wo sonst). Jane Fondas Aerobic-Videos haben ähnlich viel mit dem Siegeszug von Yoga zu tun wie Osho und seine Anhänger:innen in Köln und Pune. New Age macht mit, Esoterik boomt. Yoga ist immer dabei, manchmal mittendrin.
Und wo stehen wir heute? Yoga hat sich in den letzten Jahrzehnten, in den letzten Jahren, noch viel weiter ausdifferenziert. Tut es noch. Siehe oben: Yoga ist überall. Für einige ist es einfach Sport, für andere ein ganzer Lifestyle. Für wieder andere eine spirituelle Praxis, für manche einfach das, was ihnen hilft, morgens in die Unterhose zu kommen. Im letzten Teil werden wir Yoga als Linse benutzen: Denn Yoga hat viel mit unserem Leben zu tun, mit der Zeit, in der wir leben. Es betrifft Globalisierung, Neokolonialismus, Digitalisierung, die Stress-Pandemie - es ist ein Prisma, durch das wir vieles schärfer sehen können.
Dieses Buch erzählt also von Geschichte, es erzählt von Regionen und Religion. Es erzählt dabei natürlich auch von Menschen, von Charisma, von Leid und von der Erlösung davon. Es erzählt von Spiritualität, Kolonialismus, Moderne und natürlich auch von Kapitalismus. Denn es ist nicht nur eine Geschichte des Yoga, es ist eine Geschichte von uns.
Wenn das Sanskrit in unsere Schrift übertragen wird, werden oft sogenannte diakritische Zeichen verwendet, um eine abweichende Aussprache anzuzeigen. Ich habe diese Zeichen nur in Zitaten übernommen und mich ansonsten an der gängigen Übertragung des Sanskrit ins lateinische Alphabet orientiert, da diese Zeichen für diejenigen, die sie nicht kennen, wenig Sinn ergeben.
Wer über die Vergangenheit schreibt und dabei geschlechtersensible Sprache benutzen möchte, begegnet ein paar Herausforderungen. So gab es zum Beispiel vor der Einführung des Frauenwahlrechts im Verständnis der damaligen Zeit keine Politikerinnen, das wäre faktisch falsch. So weit, so nachvollziehbar. Aber mit gendersensibler Sprache soll ja nicht nur zwischen Mann und Frau unterschieden, sondern das binäre Geschlechtsverständnis an sich aufgebrochen werden. Doch Vorstellungen von geschlechtlichen Identitäten sind, wie Yoga auch, im steten Wandel begriffen. Und so können wir unser nichtbinäres Geschlechterverständnis nicht ohne Weiteres in eine...
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