Schweitzer Fachinformationen
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Gerhard Viehberger, Klara Weipoltshammer
Das zentrale und periphere Nervensystem besteht im Wesentlichen aus Nervengewebe, aber auch aus oftmals reichlich durchblutetem Bindegewebe, das am Aufbau der Organe des Nervensystems beteiligt ist. Die spezifischen Zellen des Nervengewebes sind Nervenzellen (Neurone, Ganglienzellen) und Gliazellen. Nervenzellen üben die spezifische Funktion des Nervengewebes aus und sind für die Erregbarkeit und Erregungsleitung verantwortlich. Ihre Erregbarkeit beruht auf einem Ionenungleichgewicht zwischen Zellinnerem und äußerer Umgebung, wodurch ein elektrisches Potenzial aufgebaut wird - das sogenannte Ruhepotenzial der Nervenzellen. Gliazellen sind an Entstehung und Weiterleitung der Erregung nur indirekt beteiligt (s. Schwann'sche Zellen, Oligodendroglia - isolierende Funktion). Sie ermöglichen die regelgerechte Funktion der Nervenzellen.
Nervenzellen bestehen aus dem Nervenzellkörper (Perikaryon), von dem eine unterschiedliche Anzahl von Fortsätzen abgeht. Diese der Erregungsleitung dienenden Fortsätze weisen unterschiedliche Struktur auf und kommen im Rahmen der Erregungsleitung verschiedenen Aufgaben nach. Demnach können zwei Grundtypen von Nervenzellfortsätzen definiert werden: Dendrit und Neurit (Axon).
Dendrit: Die Aufgabe des Dendriten ist es, die Erregung von der Peripherie zum Perikaryon zu leiten (Erregungsleitung: afferent in Bezug auf das Perikaryon, zentripetal bzw. zellulopetal). Beim häufigsten Neuronentyp, der multipolaren Nervenzelle (s. unten) ist er in Mehrzahl vorhanden, meist sehr kurz und stark verzweigt. Das in Nervenzellen reichlich vorhandene raue endoplasmatische Retikulum (= Ergastoplasma, Nissl-Schollen) reicht zumindest in den Anfangsteil des Dendriten hinein. Er wird in seinem Verlauf von keinen speziellen Hüllzellen begleitet. Bei pseudounipolaren Nervenzellen (s. unten) weist der Dendrit (nur einer!) viele Charakteristika eines Axons auf. Man spricht daher von "dendritischem Axon".
Neurit (Axon): Der Neurit leitet die Erregung vom Perikaryon weg (Erregungsleitung: efferent in Bezug auf das Perikaryon, zentrifugal bzw. zellulofugal). Er entspringt am sogenannten "Ursprungskegel", einer Ergastoplasma-freien Region des Perikaryons, und ist selbst ebenfalls frei von Ergastoplasma, d. h. er unterscheidet sich in seiner Organellenausstattung vom Perikaryon. Der Neurit ist in Einzahl vorhanden und wird in seinem Verlauf von speziellen Hüllzellen begleitet. Im zentralen Nervensystem sind das die Oligodendrogliazellen, im peripheren Nervensystem die Schwann'schen Zellen.
Je nach Anzahl der von einer Zelle abgehenden Fortsätze kann man vier Typen von Nervenzellen unterscheiden:
1.)Unipolare Nervenzellen: Neurone mit einem abgehenden Neuriten. Hierbei handelt es sich um Sinneszellen, die die generierte Erregung über ihren Neuriten weiterleiten. Die Rezeptorregion der Zelle kann als Dendrit aufgefasst werden, daher werden die unipolaren Nervenzellen auch oft zu den bipolaren Nervenzellen gerechnet.
Beispiel: Riechzellen
2.)Pseudounipolare Nervenzellen: Neurone mit nur einem abgehenden Fortsatz, der seinem histologischen Aufbau nach einem Neuriten entspricht, welcher sich kurz nach Verlassen des Perikaryons in ein afferentes und ein efferentes Axon teilt.
Beispiele: Neurone der Spinalganglien und der ihnen äquivalenten Hirnnervenganglien
3.)Bipolare Nervenzellen: Neurone mit zwei an diametral gelegenen Zellpolen entspringenden Fortsätzen (Neurit, Dendrit).
Beispiele: zweites Neuron der Retina, Ganglienzellen des Innenohrs
4.)Multipolare Nervenzellen: Neurone mit mehreren Dendriten und einem Neuriten. Beide, Dendrit und Neurit, entsprechen bei diesem Ganglienzelltypus in Bau und Funktion den klassischen, oben beschriebenen Definitionen.
Beispiele: die Mehrzahl der Nervenzellen: motorische Vorderhornzellen, Pyramidenzellen, Purkinje-Zellen, .
Gliazellen sind neben den Nervenzellen der zweite wesentliche Bestandteil des Nervengewebes. Sie umgeben die Nervenzellen, füllen den Raum zwischen den Nervenzellen und grenzen das Nervengewebe gegen andere Gewebsarten ab. Die Gliazellen des peripheren Nervensystems sind die Schwann'schen Zellen und die Mantelzellen (= Satellitenzellen):
Schwann'sche Zellen lagern sich in Ketten an Neuriten und dendritische Axone des peripheren Nervensystems an und umhüllen diese. Hierbei können sie mehrere Neuriten in Zelleinstülpungen aufnehmen (marklose Nervenfasern) oder um ein Axon eine Membranaufwicklung bilden (Myelinscheide, markhaltige Nervenfaser).
Die Länge der Schwann'schen Zellen einer myelinisierten Nervenfaser beträgt durchschnittlich das Hundertfache vom Querschnitt des Axons, welches sie umhüllen. Die Zellgrenzen zwischen aufeinander folgenden Schwann'schen Zellen werden als Ranvier'sche Schnürringe bezeichnet. Im Bereich der Ranvier'schen Schnürringe findet sich keine Myelinscheide, sodass in diesen Abschnitten das Axon nur von dünnen Fortsätzen der benachbarten Schwann'schen Zellen umgeben ist. Das Axon ist an diesen Stellen meist etwas dicker.
Mantelzellen (= Satellitenzellen) umhüllen die Perikaryen der peripheren Ganglien.
Im Zentralnervensystem werden vier Kategorien von Gliazellen unterschieden: Astrogliazellen (Astrozyten, Makrogliazellen), Oligodendrogliazellen (Oligodendrozyten), Ependymzellen (Ependymozyten) und Mikrogliazellen (Mesogliazellen).
Ihrer Funktion und Genese nach können Astrogliazellen, Oligodendrogliazellen und Ependymzellen zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Sie sind, wie auch die Nervenzellen selbst, ektodermaler Herkunft (s. Beitrag Embryologie des Nervensystems) und erfüllen die eigentlichen Aufgaben der Gliazellen, indem sie Stützfunktionen, Hilfsfunktionen bei der Vermittlung des Stoffwechsels zwischen Blut und Nervenzellen sowie Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines für die Funktionen der Nervenzellen notwendigen Mikromilieus übernehmen. Mikrogliazellen hingegen sind modifizierte Makrophagen mesodermaler Herkunft (daher auch die Bezeichnung "Mesogliazellen") und können aufgrund ihrer Fähigkeit zur Phagozytose als "Abräumzellen" des Nervengewebes bezeichnet werden. Ihre Zuzählung zur Glia hat eigentlich keine Berechtigung und wird nur aus historischen Gründen aufrechterhalten.
Astrogliazellen zeichnen sich durch weit verzweigte Zytoplasmafortsätze aus, welche vom zentralen Zellkörper sternförmig abgehen. Sie sind im Durchschnitt die größten Gliazellen und werden daher auch Makrogliazellen genannt. Die Astrogliazellen bilden mit ihren Fortsätzen ein dichtes, stützendes Netzwerk, in welches die Nervenzellen eingebettet liegen. Dicht gelagerte, verdickte und durch Gap junctions miteinander verbundene Fortsätze bilden weiters an den Oberflächen des Zentralnervensystems (Membrana limitans externa) und um alle im Nervengewebe verlaufenden Blutgefäße (Membrana limitans perivascularis) Membranen - Gliamembranen, die immer von einer oberflächlich anliegenden Basallamina begleitet sind. Durch das Fehlen von Tight junctions sind diese Gliamembranen keine absolute Stoffwechselbarriere, stellen also nicht die Diffusionsbarriere der Blut-Hirnschranke dar. Diese Aufgabe fällt dem Kapillarendothel im ZNS zu. Allerdings induzieren die Astrogliazellen die Ausbildung eben jener Barriere-Eigenschaften in den Kapillarendothelzellen. Weiters haben die Astrozyten Schutz-, Stütz- und Haltefunktion und sind am Stoffaustausch und Stofftransport (Regulation der Kaliumionen-Konzentration) im Zentralnervensystem beteiligt. Die Astrozyten sind die am häufigsten vorkommenden Gliazellen des Zentralnervensystems.
Oligodendrogliazellen sind in der Regel kleiner als Astrozyten. Mit ihren Zytoplasmafortsätzen bilden sie die Myelinscheiden des ZNS, wobei eine Oligodendrogliazelle immer mehrere Neuriten(-abschnitte) umfasst.
Ependymzellen sind Gliazellen, die sich zu einem einschichtigen, iso- bis hochprismatischen Epithel, dem Ependym, zusammenschließen und die mit Liquor cerebrospinalis erfüllten Ventrikelsysteme des Gehirns und den Zentralkanal des Rückenmarks auskleiden. Sie sind untereinander durch Gap junctions und Desmosomen, nicht jedoch durch Tight junctions verbunden, wodurch das Ependym für den Liquor cerebrospinalis permeabel bleibt. Die Ependymzellen sind an der Oberfläche mit Kinozilien ausgestattet, die zur Erzeugung von Liquorströmungen dienen.
Mikrogliazellen sind kleine Zellen mit kurzen, verzweigten Zellfortsätzen, über die sie ein das Nervengewebe durchsetzendes Netzwerk aufbauen. Sie sind Abkömmlinge des mononukleären phagozytierenden Systems (MPS), die während der Fetalzeit ins ZNS eingewandert sind und sich hier...
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