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Selbsthilfe bei Gleichgewichtsstörungen: Ein Ratgeber zur Diagnostik und Überwindung von Schwindelgefühlen Die Welt dreht sich, der Boden schwankt. Schwindel bringt uns körperlich und seelisch aus der Balance. Der HNO-Arzt Dr. Uso Walter zeigt in diesem Buch, zusammen mit der Journalistin und Ärztin Lucia Schmidt, welche Ursachen es für Störungen des Gleichgewichtssinns gibt und wie man diese behandeln kann. Ist es das Ohr, ein niedriger Blutdruck oder die Halswirbelsäule? Eine schnelle Diagnose ist oft schwierig, denn die Schwindelarten und Ursachen für Schwindelgefühle sind ebenso vielfältig wie Begleiterscheinungen in Form von Benommenheit, Übelkeit oder Sehstörungen. Dieser Ratgeber für Gesundheit bietet praktische Hilfe bei Schwindel mit leicht durchführbaren Übungen sei es bei Dreh- und Lagerungsschwindel, phobischem Schwankschwindel, Altersschwindel, Schwindel durch Verspannungen oder einem Hörsturz. - Alltagstaugliche Übungen bei Gleichgewichtsstörungen und plötzlichen Schwindelattacken - Das Phänomen Schwindel: Ursachen der eigenen Beschwerden erkennen und verstehen - Viele praktische Tipps vom Schwindelexperten - Schwindelgefühle und ihre Ursachen: Wertvolle Informationen zum besseren Verständnis des Gleichgewichtssinns - Glossar mit kurzen Erklärungen der wichtigsten Fachbegriffe Für das sichere Gefühl, mit beiden Beinen auf festem Boden zu stehen: Praktische und leicht anwendbare Methoden zur Selbsthilfe Anhand von Fallbeispielen aus der HNO-Praxis erklärt Dr. Uso Walter die verschiedenen Arten von Schwindel und welche Methoden helfen, wieder ins Lot zu kommen, sich nicht mehr schwummrig im Kopf und wackelig zu fühlen und endlich wieder schwindelfrei zu werden. Der Ratgeber liefert Informationen und zahlreiche Übungen zum Gleichgewichtstraining und macht Sie sicherer im Umgang mit Ihren Beschwerden.
Dr. med. Uso Walter, geboren 1963, ist HNO-Arzt in Duisburg und auf die Behandlung von Schwindelerkrankungen spezialisiert. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut hat er einen Schwindeltrainer entwickelt. Dr. med. Lucia Schmidt, geboren 1982, ist Medizinerin, preisgekrönte Redakteurin bei der FAS, Podcasterin, Moderatorin und Sachbuchautorin. Sie lebt mit ihrer Familie in Frankfurt am Main.
Wenn der Schwindel nicht mehr verschwindet
Als Frau P. zum ersten Mal in meine Praxis kam, konnte sie kaum geradeaus gehen. Sie hielt sich an ihrem Mann fest und starrte vor sich auf den Boden. Sie berichtete, dass sie seit mehr als drei Monaten unter ständigem Schwindel leide. Sobald sie sich bewege, schwanke der Raum um sie herum und sie könne sich kaum auf den Beinen halten. Selbst fernsehen könne sie nicht mehr, da die schnelle Abfolge der Bilder auf dem Schirm den Schwindel sofort verstärken würde. Sie sei schon bei mehreren Fachärzten gewesen, aber die Tabletten, die sie bekommen habe, hätten ihr kaum geholfen. Es seien auch schon viele Untersuchungen gemacht worden, unter anderem eine Computertomografie und eine Kernspintomografie des Kopfes und der Halswirbelsäule. Bisher sei aber immer alles in Ordnung gewesen. Sie berichtete weiter, dass sie nicht mehr in ihrem Beruf als Erzieherin arbeiten könne und die Hoffnung auf Besserung schon fast aufgegeben habe. Sie sei jetzt zu mir gekommen, weil eine gute Freundin ihr das empfohlen habe. Sie wisse wirklich nicht mehr weiter und ich sei ihre letzte Hoffnung.
Ehrlich gesagt, ist es mir immer ein bisschen unangenehm, wenn Patienten mich als »letzte Hoffnung« bezeichnen. Die Erwartungshaltung ist dann sehr hoch und die Verzweiflung der Betroffenen meist auch. Bevor ich mit der Untersuchung überhaupt beginne, ist es in solchen Situationen deshalb meine erste Aufgabe, einerseits realistische Hoffnungen auf eine Lösung des Problems zu machen, andererseits aber auch nicht zu viel zu versprechen. Beides versuchte ich auch bei Frau P., die mir verängstigt gegenübersaß und sich an die Stuhllehne klammerte, als hätte sie Angst, selbst im Sitzen umzufallen.
Ich fragte sie, ob sie beim ersten Auftreten des Schwindels andere Symptome wie Hörstörungen, Sehstörungen oder Verspannungen gehabt habe und in welcher Situation ihr erstmalig schwindelig geworden sei. Verspannt sei sie schon immer gewesen, antwortete die 50-Jährige, das sei normal bei der Arbeit im Kindergarten. Ansonsten habe es vor dem erstmaligen Auftreten des Schwindels keine besonderen Umstände gegeben, erzählte sie weiter. Ihr sei eines Tages plötzlich und unerwartet in der Kaffeepause schwindelig und übel geworden, und sie habe sich hinlegen müssen, um nicht umzufallen. Alles habe sich um sie gedreht. Ihre Kolleginnen hätten dann einen Krankenwagen gerufen, weil sie befürchtet hätten, dass sie einen Schlaganfall erlitten habe. Das sei im Krankenhaus aber zum Glück ausgeschlossen worden. Sie habe Medikamente bekommen und sei drei Tage im Krankenhaus geblieben. Danach sei der Schwindel in Ruhe etwas besser geworden, sobald sie sich aber wieder bewege, komme er zurück. Im Entlassungsbrief der Klinik sei nur von einem akuten Schwindelanfall die Rede gewesen. Der Hausarzt habe ihr daraufhin Tabletten verschrieben und ihr mehrere Überweisungen zu Fachärzten mitgegeben.
Es waren Überweisungen zum Neurologen, zum Augenarzt, zum HNO-Arzt, zum Radiologen und zum Orthopäden. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie so verzweifelt vor mir saß, war sie also schon in mehreren Praxen gewesen - beim Augenarzt, beim Radiologen und beim Neurologen. Nun war ich als HNO-Arzt an der Reihe. Der Termin beim Orthopäden sollte in zwei Monaten sein.
Auch wenn jetzt vielleicht bei vielen von Ihnen, liebe Leser, ein Impuls von Mitleid hochkommt und Sie denken: »Oh weh, Frau P. hat es aber hart getroffen«, muss ich festhalten, dass ihr Leidensweg bis zu dieser Stelle leider die Regel und nicht, wie man hoffen würde, die Ausnahme ist. Da der Schwindel im akuten Stadium oft als sehr bedrohlich empfunden wird, werden die Betroffenen häufig ins Krankenhaus eingewiesen und stationär aufgenommen. Dort wird zunächst eine Computertomografie durchgeführt, um einen Schlaganfall auszuschließen. Ansonsten erfolgt eine symptomatische Behandlung mit Medikamenten, die den Schwindel zumindest etwas unterdrücken können. Das Problem: Gerade in diesen ersten Stunden und Tagen des ganz akuten Stadiums ließe sich die Ursache des Schwindels oft mit einfachen Untersuchungen feststellen. Doch je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger kann dies werden. Ein Krankenhausaufenthalt verzögert die richtige Diagnose daher oft eher, als dass er sie beschleunigt. In der Klinik wird in der Regel nämlich nur geschaut, ob es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt - etwa Blutungen im Gehirn oder andere neurologische Ursachen. Den harmloseren, aber viel häufigeren Diagnosen wird dort nicht auf den Grund gegangen.
Auch das, was Frau P. nach der Entlassung in der Klinik erlebt hat, ist typisch. Hausärzte überweisen Patienten mit Schwindel zu Recht an Fachärzte - denn in deren Hände gehört das Symptom Schwindel. So weit, so gut, das Problem, vor dem viele dann mit der Überweisung des Hausarztes in der Hand stehen, ist jedoch: Termine bei Fachärzten sind hierzulande, gerade für Kassenpatienten, schwer zu bekommen. Die fehlende Möglichkeit, direkt mit einem Experten ins Gespräch zu kommen und behandelt zu werden, ist bei jedem Leid absolut suboptimal, beim Symptom Schwindel aber besonders relevant, denn wird dieser nicht schnell und zielgerichtet behandelt, wird er rasch zum Dauerproblem. Es ist leider so: Überhaupt erst einmal denjenigen Arzt zu finden, der einem bei Schwindel wirklich helfen kann, gleicht für viele betroffene Patienten schon einer großen Odyssee.
Doch woran liegt es, dass Schwindel oft so schwer zu diagnostizieren ist und selbst erfahrene Ärzte Schwierigkeiten haben, die Ursache zu finden? Werfen wir dazu zunächst einen kurzen Blick auf die Aufgaben und die Funktionsweise unseres Gleichgewichtssinnes. Denn nur, wer verstanden hat, wie er eigentlich funktionieren sollte, kann auch verstehen, was die Ursache ist, wenn er nicht mehr rundläuft.
Wir beginnen dafür nicht bei Adam und Eva, aber immerhin bei dem griechischen Gelehrten Aristoteles. Er unterschied damals beim Menschen fünf Sinne: das Sehen, das Hören, das Riechen, das Schmecken und das Tasten. Was Aristoteles damals festlegte, hat sich bis heute gehalten - fälschlicherweise! Denn einen Sinn hat der griechische Philosoph schlichtweg unterschlagen, nämlich den Gleichgewichtssinn. Gott sei Dank hat sich das Wissen dahingehend weiterentwickelt, dass man heute weiß: Wir haben (mindestens) sechs Sinne.
Nur durch den Gleichgewichtssinn können wir wahrnehmen, wie wir in einem Raum stehen, sitzen oder liegen. Wir können kontrollieren, dass wir erhobenen Hauptes durch eine Tür gehen oder uns auf ein Sofa fläzen, ohne runterzufallen. Er ist aber auch dafür verantwortlich, dass wir auf einer Leiter stehen und dabei etwas ins Regal räumen können oder nicht umfallen, wenn wir uns zum Schuhebinden bücken. Alles schon ziemlich beeindruckend bis hierher, oder? Aber jetzt kommt das einzigartige und spannende Merkmal des Gleichgewichtssinnes, das zugleich auch Teil der Antwort ist, warum Schwindel so schwer zu diagnostizieren ist: Im Gegensatz zu den anderen Sinnen ist für das Gleichgewicht nicht ein einzelnes Organ zuständig, sondern gleich mehrere Organ- und Funktionssysteme, die als Team eng zusammenarbeiten müssen, damit wir eben nicht durch die Gegend torkeln.
Wir möchten Ihnen kurz vorstellen, wer zu diesem Team gehört. Da hätten wir zum einen die eigentlichen sogenannten Gleichgewichtsorgane oder Vestibularorgane im Innenohr. Ihre Hauptaufgabe ist es, Beschleunigungskräfte, die bei Bewegungen von Kopf oder Körper auftreten, wahrzunehmen und diese Info ans Gehirn weiterzugeben.
Nummer zwei im Team sind die Augen, sie liefern uns das optische Bild unserer Umgebung und unserer eigenen Position.
Ebenfalls Teil des Teams ist das propriozeptive System. Zu diesem zählen kleine Messfühler in Muskeln, Sehnen und Gelenken, sogenannte Rezeptoren, die die Gelenkstellung und Muskelspannung im Körper registrieren. Damit tragen sie dazu bei, dass wir spüren, wie wir stehen, liegen oder sitzen. Diese Selbstwahrnehmung nennt man auch Tiefensensibilität.
Und schließlich gehört zu dem Team noch das Gehirn. Man kann fast sagen, es ist der Chef in der Gruppe, denn seine unterschiedlichen Teile haben die entscheidende Aufgabe, all die Informationen, die ihm die Teamkollegen zukommen lassen, zu sammeln, zu sortieren und wie ein Puzzle zu einem Gesamteindruck zusammenzusetzen - oder anders ausgedrückt: uns im Gleichgewicht zu halten.
Solange dieses Team Hand in Hand arbeitet, sind Orientierung und Bewegung im Raum für uns mühelos möglich. Doch wehe, ein Teammitglied schwächelt oder liefert falsche Angaben. Dann passen die Informationen, die das Gehirn erreichen, nicht mehr zusammen, dann wird daraus kein sinnvolles Puzzle - und wir nehmen das als Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen wahr. Je nachdem, welches Teammitglied schwächelt oder wo eine Information nicht richtig weitergeleitet wird, können die Folgen unterschiedlich sein. Das...
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