Schweitzer Fachinformationen
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Das erste Thema, das ich in dieser Vorlesung ansprechen möchte, hat damit zu tun, wie genau das, was uns wichtig ist, von dem abhängt, was ich das »Leben nach dem Tod« genannt habe. Wir haben gesehen, dass uns ohne Vertrauen in die Existenz eines solchen Lebens nach dem Tod - ohne Vertrauen, dass andere weiterleben, nachdem wir selbst gestorben sind - viele Dinge, die uns jetzt etwas bedeuten, nicht mehr oder weniger wichtig wären. Durch die Betrachtung des ursprünglichen Untergangsszenarios wurde dies sehr deutlich. Das Unfruchtbarkeitsszenario hat uns dann gezeigt, dass uns das Leben nach dem Tod nicht nur deshalb wichtig ist, weil wir am Weiterleben der von uns geliebten Menschen interessiert sind. Wir können jedoch zwischen drei verschiedenen Thesen darüber unterscheiden, auf welche Weise das, was uns etwas bedeutet, von einem Leben nach dem Tod abhängt. Nach der ersten These - die ich bis hierher vertreten habe - hängt das, was für uns von Bedeutung ist, implizit von unserem Vertrauen in die Existenz eines Lebens nach dem Tod ab. Wir können das als die Einstellungsabhängigkeitsthese bezeichnen, da sie besagt, dass einige unserer Einstellungen von anderen unserer Einstellungen abhängen. Sie besagt, dass uns viele der Dinge, die uns jetzt etwas bedeuten, weniger wichtig würden, sollten wir unser Vertrauen in ein Leben nach dem Tod verlieren, und zwar in dem Sinne, dass wir weniger Gründe hätten, uns auf sie einzulassen, weniger emotional involviert und weniger von ihrem Wert überzeugt wären.
Allerdings impliziert diese Einstellungsabhängigkeit wiederum, dass diese Dinge unter anderem deshalb für uns weniger wichtig würden, weil wir sie, ohne Vertrauen in ein Leben nach dem Tod, als schlechthin weniger wichtig oder wertvoll erachten würden. Und das legt eine zweite Abhängigkeitsthese nahe, nämlich dass die Bedeutung der Dinge schlechthin von der tatsächlichen Existenz eines Lebens nach dem Tod abhängt, und nicht nur von unserem Vertrauen darauf. Wenn wir unsere Aktivitäten deshalb nicht mehr als wertvoll erachteten, weil wir überzeugt wären, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, dann würde uns auch nicht die Aussicht auf die Einnahme einer Droge, die in uns die falsche Überzeugung hervorriefe, dass es sehr wohl eines gebe, im Vorhinein davon überzeugen, dass unsere Aktivitäten daraufhin wieder wertvoll würden. Denn vor der Einnahme der Droge würden wir nicht glauben, dass der Wert der Aktivitäten von unserer Überzeugung abhängt, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, sondern, dass er vielmehr davon abhängt, dass es ein solches tatsächlich gibt. Insofern wir auf diese Weise reagieren würden, bestätigt dies, dass wir eine These der Wertungsabhängigkeit akzeptieren, der zufolge Dinge nur dann schlechthin wichtig oder von Bedeutung sind, wenn es tatsächlich ein Leben nach dem Tod gibt.
Wenn unsere Wertschätzung für eine Sache darüber hinaus auch in unserer Überzeugung besteht, dass sie schlechthin wertvoll ist, und wenn wir stillschweigend der These zustimmen, dass, wenn etwas schlechthin wertvoll ist, dies von der tatsächlichen Existenz eines Lebens nach dem Tod abhängt, dann scheint daraus zu folgen, dass wir noch einer weiteren Abhängigkeitsthese zustimmen, der zufolge unsere Wertschätzung für etwas - die Tatsache, dass es uns etwas bedeutet - ebenfalls in einer wichtigen Hinsicht von der tatsächlichen Existenz eines Lebens nach dem Tod, und nicht nur von unserem Vertrauen darauf, abhängt. Stellen Sie sich vor, unsere Aktivitäten würden uns nichts mehr bedeuten, weil wir der Überzeugung wären, es gäbe kein Leben nach dem Tod. Und nun stellen Sie sich vor, ein allmächtiges Wesen würde uns das Angebot unterbreiten, auf eine von zwei Arten dafür zu sorgen, dass uns die Dinge wieder etwas bedeuten. Entweder würde das Wesen sowohl die Existenz eines Lebens nach dem Tod als auch unsere völlig gerechtfertigte Überzeugung davon wiederherstellen oder es könnte uns einfach eine Droge verabreichen, die in uns die falsche Überzeugung von einem Leben nach dem Tod hervorrufen würde. Ich gehe davon aus, dass wir diese beiden Möglichkeiten nicht als gleich gute Methoden ansähen, um uns die Dinge wieder bedeutsam zu machen. Möglicherweise käme es uns so vor, als würden wir die Dinge nach einer Einnahme dieser Droge - obgleich sie uns tatsächlich wichtiger würden - bloß irrtümlich schätzen beziehungsweise ihnen einen Wert beimessen. Denn es gäbe keine guten Gründe dafür, dass sie uns nun wichtig wären, und gleichzeitig gäbe es gute Gründe dagegen. Vielleicht können wir es auch so ausdrücken, dass, wenn wir die Droge nähmen, es uns so vorkäme, als bedeuteten uns unsere Aktivitäten etwas, während sie uns in Wirklichkeit nichts bedeuten. Sollten wir auf diese Weise reagieren, deutet das darauf hin, dass wir eine These der Rechtfertigungsabhängigkeit akzeptieren, der zufolge wir nur gerechtfertigt sind, Dingen eine Bedeutung beizumessen beziehungsweise es nur dann gute Gründe dafür gibt, dass sie uns wichtig sind, wenn es ein Leben nach dem Tod gibt.
Wir können also zwischen drei verschiedenen Abhängigkeitsthesen unterscheiden: Einstellungs-, Wertungs- und Rechtfertigungsabhängigkeit. Die Vermutung über das Leben nach dem Tod - die besagt, dass die Menschen angesichts des Unfruchtbarkeitsszenarios ihr Vertrauen in den Wert vieler ihrer Aktivitäten verlieren würden - stützt direkt die These der Einstellungsabhängigkeit, nicht aber die der Wertungs- und Rechtfertigungsabhängigkeit. Allerdings stützt sie, indem sie die Einstellungsabhängigkeitsthese direkt belegt, indirekt, dass uns die Thesen der Wertungs- und Rechtfertigungsabhängigkeit zuzuschreiben sind. Denn sie deutet darauf hin, dass wir stillschweigend Dinge nur als wichtig erachten oder uns nur dann als gerechtfertigt, ihnen eine Bedeutung beizumessen, insofern es tatsächlich ein Leben nach dem Tod gibt und wir nicht nur daran glauben.
Dies schließt die Möglichkeit nicht aus, dass die Thesen der Wertungs- und Rechtfertigungsabhängigkeit dennoch falsch sind. Es wäre möglich, dass wir einem Irrtum unterliegen, wenn wir, mit dem Unfruchtbarkeitsszenario konfrontiert, das Vertrauen in den Wert unserer Aktivitäten verlieren. Vielleicht bleiben unsere bedeutsamen Aktivitäten selbst dann genauso bedeutsam, wenn das Verschwinden der Menschheit bevorsteht, und sofern wir angesichts unseres Szenarios zu einem anderen Schluss kämen, lägen wir falsch. Tatsächlich erscheint mir das jedoch in Bezug auf zielgerichtete Projekte - wie die Suche nach einer Heilmethode gegen Krebs oder die Entwicklung neuer Methoden zur Erdbebensicherung - als nicht sehr plausibel. Ebenso unplausibel erscheint es in Bezug auf Projekte, die auf Fortdauer und Gedeihen bestimmter Gemeinschaften und Traditionen ausgerichtet sind. Hinsichtlich anderer Projekte bin ich mir weniger sicher. Ich halte es zum Beispiel nicht für völlig abwegig, dass intellektuelle Aktivitäten weiterhin genauso wertvoll wären, selbst wenn das Verschwinden der Menschheit bevorstünde und viele von uns unter diesen Umständen ihr Vertrauen in diese Aktivitäten verlören. Aber ich finde auch die entgegengesetzte Überlegung nicht völlig abwegig. Stellen Sie sich vor, dass ein Historiker angesichts des Unfruchtbarkeitsszenarios das Vertrauen in den Wert der Durchführung seiner Forschungspläne über bulgarische Militärgeschichte verliert. Oder stellen Sie sich vor, ein Politischer Philosoph verlöre sein Vertrauen in den Wert weiterer Artikel über das Verhältnis von Freiheit und Gleichheit oder über die richtige Interpretation von John Rawls' Differenzprinzip. Statt davon auszugehen, dass der Historiker und der Philosoph einem Irrtum unterliegen, könnten wir auch zu dem Schluss kommen, dass ihre Reaktionen etwas Unerwartetes über die Bedeutung unserer Aktivitäten offenbaren. Wenn wir über diesen zu erwartenden Vertrauensverlust der beiden nachdenken, ist es mit anderen Worten verlockend zu sagen, dass wir dabei etwas herausfinden: nämlich dass der tatsächliche Wert unserer Aktivitäten in höherem Maße von ihrem Platz in einer fortlaufenden Menschheitsgeschichte abhängt, als uns bislang klar war.
Es gibt jedoch Ausnahmen von den beschriebenen Abhängigkeitsmustern. Nicht alles, was uns etwas bedeutet, hängt von unserem Vertrauen in ein Leben nach dem Tod ab. Zu den naheliegenden Beispielen hierfür zählt vielleicht die Linderung extremen Schmerzes. Mir scheint es plausibel anzunehmen, dass es Menschen auch in einer unfruchtbaren Welt wichtig wäre, keine schweren Schmerzen erleiden zu müssen, und wenn sie doch welche hätten, dass diese aufhörten. Es ist wohl wenig wahrscheinlich, dass ihnen dies nach dem Verschwinden des Lebens nach dem Tod weniger wichtig würde. Genauso unwahrscheinlich erscheint es, dass den Menschen Freundschaften und andere enge Beziehungen nichts mehr bedeuten würden. In der Tat könnte man meinen, dass sie ihnen vielleicht sogar noch mehr bedeuten würden. Aber diese Frage ist kompliziert. Einerseits würden wir erwarten, dass uns persönliche Beziehungen angesichts einer sich abzeichnenden Katastrophe ein Gefühl der Solidarität vermitteln und, aus diesem Grund, besonders wichtige Quellen der Ermutigung und des Trostes wären. Andererseits gedeihen Freundschaften auch dadurch, dass sich jeder der Freunde mit wertvollen Aktivitäten, Interessen und Vorhaben außerhalb der Freundschaft selbst beschäftigt. Es ist schwierig vorauszusagen, wie sich in unterschiedlichen Freundschaften der beiderseitige Vertrauensverlust in den Wert vieler der...
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