Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
So viel Wissenschaft und Wissen wie heute gab es noch nie. Die Geschwindigkeit, mit der neues Wissen generiert wird, bisheriges sich erweitert oder auch veraltet, ist immens. Das Wissen explodiert geradezu. Dazu kommt das Internet. Dank Wikipedia, ChatGPT & Co bleibt uns nichts mehr vorenthalten. Auch über Sexualität wissen wir gefühlt alles. Aber wissen wir wirklich alles?
Die Generation meiner Eltern und Großeltern musste sich ihr Wissen über Geschlechtsorgane und Sexualität selbst zusammensuchen. Manche junge Frau hatte noch nie einen Penis gesehen, bevor aus einer spannenden Begegnung im Heu ein Kind hervorging. Sexualität war tabuisiert und das Wissen um Fruchtbarkeit und Schwangerschaft begrenzt. Die »wilden 68er« rebellierten gegen diese lustfeindliche Moral. Sie praktizierten die freie Liebe, manche lebten mit häufig wechselnden Sexpartnern in Kommunen und fanden: »Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.«
Die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er- und 1970er-Jahre erwarben ihr Wissen um Lust und Sexualität maßgeblich beim Doktor-Sommer-Team der Bravo und einige wenige biologische Details im Biologieunterricht. Als AIDS die Welt verunsicherte, wurde es zunehmend möglich, über körperliche Liebe zu sprechen, und Safer Sex wurde salonfähig. Mit Beginn des digitalen Zeitalters und der Globalisierung begann die Schrankenlosigkeit der Sexualität. Junge Menschen werden häufig durch das Internet aufgeklärt. Im Kindergarten lernen sie Begriffe wie »Fick dich«, und auf dem Schulhof kursieren Pornos. Bereits 2009 bekamen Forscher der University of Montreal für eine Studie zum Pornokonsum keine Kontrollgruppe zusammen, weil sie vergeblich nach Collegestudenten suchten, die noch keine Pornografie konsumiert hatten. Heute haben die meisten Kinder Pornos gesehen, lange bevor sie ihre eigene Sexualität entdecken und erforschen konnten. Das Internet lässt keine Fragen offen. Sind unsere Kinder also aufgeklärt? Sind wir selbst aufgeklärt?
Die Realität in den Schlafzimmern sieht oft anders aus als in den Medien. Bei vielen Paaren findet der übliche Sex bei ausgeschaltetem Licht schweigend unter der Bettdecke statt. Sie tun »es« und sprechen nicht darüber. Wenn »es« nicht mehr gut funktioniert, trennen sich Paare schneller als früher und mit dem oder der Neuen läuft »es« wieder besser. Millennials und die GenZ tendieren dazu, sich weniger schnell zu binden, und experimentieren zunehmend mit Varianten »einvernehmlich nicht monogamer Beziehungen«. Deutlich ansteigend ist die Zahl junger Männer in den 20ern, die Erektionsstörungen haben. Ebenfalls ansteigend ist die Anzahl von Menschen, die sich als asexuell erlebt. In der Wissenschaft wird inzwischen von »Sex Recession« gesprochen, weil sowohl Personen in Partnerschaften als auch Singles von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weniger Sex haben. Wie kompetent sind wir also in Sachen Sex? Wie gut verstehen wir, was zwischen uns und in unseren Körpern läuft, und wie gut können wir unser Erleben gestalten?
Eine wichtige Voraussetzung für unsere Beschäftigung mit dem Thema ist die Sprache. Bei der Bezeichnung der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane geht allerdings im wirklichen Leben die Unsicherheit bereits los. Welche Sprache benutze ich für mein eigenes Genital und das des anderen? Fotze, Möse, Muschi und Schwanz klingt Ihnen zu vulgär? Schlitz, Scheide oder Glied zu altmodisch? Schamlippen, Schamhaar und Schamhügel zu frauenfeindlich oder verschämt?
Und was machen Sie miteinander? Poppen, Bumsen, Ficken oder Vögeln? Wie ist es mit den Begriffen Koitus, Erektion oder Cunnilingus2? Die sind Ihnen eventuell zu klinisch rein oder zu fremdsprachig? Manche Menschen versuchen, das Dilemma mit Wortneuschöpfungen zu lösen: dein Zauberstab, meine Lotusblüte, meine Edelrosine? Zu albern für Sie?
Vielen Menschen fällt es schwer, über (ihre) Sexualität zu reden - allein, weil ihnen die Worte fehlen. Sie möchten nicht zu wissenschaftlich daherkommen und die Romantik killen. Sie möchten aber auch niemanden kränken durch allzu vulgäre Ausdrücke. Was können wir tun? Wie sage ich meiner Liebsten, wo sie mich anfassen soll und wie, wenn ich keine Sprache dafür habe?
Ich werde im Folgenden die Begriffe verwenden, die ich in meiner Praxis und meinem Alltag am häufigsten höre und bei Gesprächen über Sexualität am ehesten selbst benutze. Fühlen Sie sich frei, alles so für sich zu übersetzen, dass es für Sie und Ihre Partnerin oder Ihren Partner passt.
Der folgende Abschnitt ist kein Aufklärungskurs. Die meisten biologischen Details sind wohlbekannt. Dennoch gibt es bei vielen Menschen Lücken in diesem Wissen. Insbesondere das weibliche Genital ist in unserer Kultur kein Thema und - da nicht wirklich physisch im Blickfeld - auch für viele ein unbekannter Ort. Über Jahrhunderte war es praktisch nicht präsent - ein Nichts, ein Loch, das Negativ zum Mann, das war's.
Außerdem möchte ich Sie in diesem Buch mit Ihrem Becken bekannt machen. Es ist die erotische Schatzkiste des Körpers. Doch auch das Becken ist in der Wahrnehmung vieler Menschen gar nicht vorhanden. Die Hüften sind bekannt. Auch der Verdauungstrakt, ja. Der Penis natürlich und die Tatsache, dass Frauen eine Klitoris haben, okay. Aber das Becken? Was genau soll das sein und wo? Und was hat es mit Sex zu tun?
Wenn wir unser sexuelles Erleben und Funktionieren verändern wollen, müssen wir es zuerst kennen und verstehen. Wir brauchen ein Konzept, eine Landkarte, eine Vorstellung von »dem da unten«. Ich biete Ihnen also an, Ihr bisheriges Wissen um einige Details aus Wissenschaft und Forschung zu erweitern. Bevor es Ihnen langweilig wird, lesen Sie einfach quer und überspringen einzelne bekannte Passagen.
Den meisten Menschen ist klar, dass jeder Mensch und damit auch jedes Genital anders ist. Und dennoch bleibt dieses Wissen oft rein kognitiv. Die Bilder, die wir in Filmen, Zeitschriften und anderen Medien und insbesondere in Pornos sehen, gleichen sich sehr. Wir sehen die ideale Frau, den idealen Mann, mit dem idealen Penis, den idealen Brüsten oder Vulven. Models, Darstellerinnen und Darsteller in Filmen wurden bereits einer Auswahl unterzogen, die nur übriglässt, was derzeit als schön und ideal gilt. Der Rest wird durch Photoshop geschönt oder durch Models für bestimmte Körperteile ersetzt.
Was wir also kognitiv wissen, aber im Alltag nicht so oft sehen, ist die Breite der Normalität unter den Klamotten: Es gibt große Penisse und kleine, helle, dunkle, dicke und dünne, kurze und lange. Alle Eicheln haben unterschiedliche Formen und die Hoden ebenfalls. Die Erektion steht je nach Mann und Alter steil nach oben, waagrecht nach vorn, etwas krumm oder zeigt nach unten.
Dasselbe gilt für weibliche Vulven, also die äußeren weiblichen Genitalien. Sie sind schmetterlingsförmig oder eher glatt. Haben symmetrische Lippen oder asymmetrische. Sind stark behaart, in eine Frisur getrimmt oder rasiert. Die inneren Vulvalippen sind groß und lang und weit über den äußeren. Oder aber klein und fast unsichtbar. Die Klitoris ist groß und prominent zu sehen oder aber versteckt in diversen Hautfalten. Es gibt so viele unterschiedliche Genitale, wie es Menschen gibt.
Manche Menschen haben keine eindeutig männlichen oder weiblichen Genitalien, sondern sind biologisch und hormonell intersexuell. Diese Anlage entsteht aufgrund von Androgenresistenzen bereits im Mutterleib. Das Genital, also das biologische Geschlecht, ist dann nicht so prototypisch ausgeprägt wie im Porno.
Weiterhin gibt es Menschen, die zwar mit einem biologisch eindeutigen Genital auf die Welt kommen, sich in diesem Körper aber falsch fühlen. Diese Transpersonen fühlen sich entweder dem anderen sozialen Geschlecht zugehörig, das im Englischen als Gender bezeichnet wird. Oder sie empfinden sich als drittes, eigenes Geschlecht oder etwas dazwischen. Sie wollen oder können sich nicht binär einem sozialen Geschlecht wie männlich oder weiblich zuordnen. Juristisch werden diese Menschen auch als divers bezeichnet. Sie können ihren Lebensstil theoretisch jenseits binärer Genderfestlegungen gestalten und haben die Möglichkeit zu hormoneller und operativer Veränderung des biologischen Körpers. Viele Betroffene spüren diese Unstimmigkeit bereits als Kind, haben dann aber erst im jungen Erwachsenenalter nach vielen Enttäuschungen, Kränkungen und inneren Schmerzen den Mut, entsprechende Schritte zu gehen. Was dann folgt, ist aufgrund gesellschaftlicher Ressentiments eine weitere Mammutaufgabe, die zu bewältigen ist. Die...
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