Schweitzer Fachinformationen
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Im Sommer 2023 führt mich im Osten der Schweiz ein kurviges, schmales Sträßlein einen steilen Berg hinauf zu einem abgelegenen Weiler. Mit jedem Höhenmeter entfalten die Appenzeller Alpen ein immer prächtigeres Panorama. Informanten haben mir geraten, die Suche nach einem der reichsten Deutschen hier zu beginnen. Einem Mann, den kaum jemand kennt, der aber binnen weniger Jahre ein gewaltiges Vermögen damit anhäufte, das Allgemeingut Grundwasser aus dem Boden zu holen, ohne einen Cent dafür zu bezahlen, es in Plastikflaschen abzufüllen und bevorzugt an Discounter zu verkaufen. Wasser noch dazu aus 250 Metern Tiefe, das dort durch Sandsteinkeuper außergewöhnlich gut gegen Verunreinigungen von oben geschützt und dementsprechend rein ist. Und es ist 10 000 Jahre alt.
Wenn auch leider legal, so ist es doch eine Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit par excellence. Man muss sich dieses einzigartige Geschäftsmodell einmal vor Augen führen: Jede Firma - der kleine Handwerker um die Ecke genauso wie der Industriekonzern - muss erst einmal Rohstoffe und anderes Material kaufen, ehe sie sie verarbeiten und das von ihr geschaffene Endprodukt verkaufen kann. Beim Mineralwasser ist das anders, zumindest in Bayern, Hessen und Thüringen. In diesen drei Bundesländern kostet der Rohstoff Grundwasser gar nichts. In den anderen 13 Bundesländern kostet Grundwasser so gut wie nichts, ein paar Cent pro Kubikmeter. Also wird einfach Wasser entnommen und damit hochprofitabel gewirtschaftet. Obwohl Politiker wie der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber stets beteuern, das besonders saubere Tiefengrundwasser sei die eiserne und daher im Grunde unantastbare Reserve für die Trinkwasserversorgung aller Menschen. Tatsächlich aber bereichern sich einige wenige schamlos daran.
Der Mann, den ich in den Appenzeller Alpen suche, heißt Michael Schäff. Er ist das Oberhaupt einer deutschen Unternehmerfamilie, die in der bayerischen Kleinstadt Treuchtlingen jahrzehntelang eine Provinzbrauerei betrieb. Sein Vater Friedrich wurde 1978 erstmals als Bierpanscher rechtskräftig verurteilt. 1983 mischte er illegal giftige Chemikalien wie Monobromessigsäure und Monochloressigsäure ins Bier, um es vor dem Umkippen zu bewahren. Wieder landete er auf der Anklagebank; das Amtsgericht verurteilte ihn zu 45 000 D-Mark Geldstrafe. Woraufhin der Verein zur Förderung mittelständischer Privatbrauereien und Schäff künftig getrennte Wege gingen. Der Ruf von Schäff-Bier war mit alledem selbst im engsten Umfeld der Brauerei deutlich angekratzt.
Familie und Firma sattelten danach geschäftlich auf alkoholfreie Getränke um. Und Michael Schäff stieg in den folgenden Jahren zu einem der reichsten Deutschen auf.
Den Schäffs gehörte zeitweise einer der größten Mineralwasserhersteller Deutschlands. Ohne dass die breite Öffentlichkeit groß Notiz davon nahm. Zu ihrer Firmengruppe zählte die am Familien- und Firmensitz in Treuchtlingen angesiedelte Firma Altmühltaler Mineralbrunnen, die Firma Vitaqua im hessischen Breuna und die Heil- und Mineralquellen GmbH Germete in Nordrhein-Westfalen. In Baruth/Mark, 50 Kilometer südlich von Berlin, bohrten die Schäffs nach der Wende erfolgreich nach mineralwassertauglichem Grundwasser und gründeten die Brandenburger Urstromquelle. Lange Zeit spielten sie fortan (was Volumen und Umsatz angeht) in einer Liga mit den ganz Großen der Brunnenindustrie wie Gerolsteiner oder Coca-Cola. Mit dem Unterschied, dass sie ihre Getränke nicht als Markenprodukte verkauften, sondern bevorzugt Eigenmarken für die großen Discounter abfüllten. So entwickelte sich das Wasserimperium zum Goldesel der Familie.
Wenn überhaupt, dann fielen Michael Schäff (der den Betrieb von seinem Vater Friedrich übernommen hatte) und seine Manager mit rüden Methoden auf. Am 1. Januar 2017 übernahm man die brandenburgische Fläming Quellen GmbH & Co. KG mit Sitz in Wiesenburg, verbunden mit dem Versprechen, den Betrieb fortzuführen. Wenige Tage später verkündete Schäff die Schließung. 30 Menschen verloren ihre Jobs; nicht nur die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten dürfte allen Grund gehabt haben, sich hinters Licht geführt zu fühlen. Zu einer öffentlich erklärten Begründung für das ungewöhnliche und fragwürdige Vorgehen ließ sich Michael Schäff nie herab.
Inzwischen Mittfünfziger, ist Michael Schäff nicht nur sehr reich, sondern auch ein Phantom. Er meidet die Öffentlichkeit wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser, er macht einen großen Bogen um rote Teppiche und segelt weit unter dem öffentlichen Wahrnehmungsradar. Wo Michael Schäff auftaucht, wird er selten erkannt; im Internet findet sich nahezu nichts über ihn, vor allem keine Fotos. Wenn er sein Geld in andere Unternehmen investiert, dann bleibt er stets im Hintergrund. Sein Name taucht in keinem Reichen-Ranking auf, weder in Deutschland noch in Österreich, der Schweiz oder im Steuerparadies Liechtenstein, wohin nach meinen Recherchen mehrere Hundert Millionen seiner in Deutschland mit Wasser erwirtschafteten Euros flossen. Nur Insider wissen, dass er und/oder die Familie im großen Stil wertvolle Kunstwerke sammelt, Luxusimmobilien unter anderem in Wien und Zürich besitzt, Schäff gerne bei alpinen Autorallyes startet und als Pilot bevorzugt Privatflugzeuge steuert.
Michael Schäffs Bruder Georg war öffentlich zeitweise deutlich präsenter. 2009 hatte er von Großmutter Elin Reissmüller die in Ingolstadt ansässige Regionalzeitung Donaukurier geerbt. Fortan firmierte er als deren Verleger; eine Rolle, in der er sich, so der Eindruck, zeitweise erkennbar gefiel und bisweilen auch selbst inszenierte. Bis er plötzlich die Lust am Zeitungsgeschäft verlor, den Donaukurier zum 1. Januar 2017 überraschend an die Passauer Verlegerin Simone Tucci-Diekmann (Passauer Neue Presse, Mittelbayerische Zeitung) verkaufte - und sich ähnlich wie sein Bruder aus der Öffentlichkeit zurückzog.
Obwohl Wasser ein Allgemeingut ist, das allen Menschen gehört, hielt Michael Schäff es prinzipiell nie für nötig, seine Geschäfte öffentlich zu erklären oder sich (womöglich auch noch kritischen) Fragen zu stellen. Er gibt keine Interviews und lässt sich nicht fotografieren; auch auf meine Fragen, die ich ihm im Zuge meiner Recherchen und der Spurensuche in den Appenzeller Alpen im Sommer 2023 schickte, reagierte er nicht und ließ sie unbeantwortet. Falls es doch einmal unumgänglich wurde oder nützlich für die Geschäfte schien (am Heimatstandort Treuchtlingen zum Beispiel), schickte er stets seine Manager vor. Die präsentierten dann der Öffentlichkeit gerne fantasievolle Stories. Sie handelten von den bösen Discountern und mächtigen Lebensmittelketten, die den armen kleinen Mineralwasserhersteller aus der Provinz preislich derart knebeln, dass er das Wasser gewissermaßen minimalst über der Selbstkostengrenze liefern müsse. Gerade so über der schwarzen Null also. Der arme Michael Schäff.
Dann aber werden mir 2023 vertrauliche Unterlagen aus dem Innersten des Firmenkonglomerats zugespielt. Aus ihnen geht hervor, dass die Schäffs nicht nur einige Jahrzehnte zu den größten Herstellern von Mineralwasser und alkoholfreien Getränken in Deutschland gehörten, sondern auch unfassbar viel Reibach mit dem Allgemeingut Wasser machten. Übrigens auch dank bayerischer Regierungspolitik und willfähriger freistaatlicher Behörden, die Schäff wegen seiner hervorragenden Verbindungen in die CSU und die Landesregierung lange Zeit jeden Wunsch erfüllten. Und zwar auch dann, wenn es fachlich unter Wasserexpertinnen und -experten längst erhebliche Bedenken gab. Auch das belegen einschlägige Unterlagen.
Wenn Schäff sich in der Vergangenheit nicht immer hundertprozentig an behördliche Vorgaben hielt - geschenkt! Bereits im Jahr 2000 wurde bekannt, dass die Firma mehr Grundwasser entnommen und verarbeitet hatte, als erlaubt. Ohne, dass das Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen, soweit ersichtlich ist, eingegriffen oder im Nachhinein Sanktionen verhängt hatte. Das sei von der Behörde aber »ausgesprochen großzügig und entgegenkommend gewesen«, spottete ein Richter am Verwaltungsgericht Ansbach, als der Vorgang im Zuge eines Verfahrens dort einige Zeit später bekannt wurde.
So lande ich also in jenem Sommer 2023 auf der Suche nach Michael Schäff, seinen Firmen und seinen Geschäften in der beschriebenen Appenzeller Gebirgsidylle, in einem abgelegenen Weiler oberhalb des Dorfes Brülisau. Hier oben ist es still, kein Verkehrslärm ist zu hören, nur ein kleiner Wildbach plätschert. Zwar führt ein offizieller Wanderweg hier durch, doch trotz schönstem Wanderwetter ist weit und breit niemand zu sehen. Zurückgezogener und versteckter kann man kaum leben.
Normalerweise sehen allerdings die Zentralen von Firmen auch anders aus als das von außen luxuriöse, holzverkleidete Chalet mit der hinüber zur prächtigen Kulisse der Appenzeller Alpen ausgerichteten Terrasse, in dessen Einfahrt ein teurer Geländewagen parkt. Auf dem Briefkasten stehen gleich drei Aktiengesellschaften, die hier ihren Sitz haben: Apensa AG, SK6791 AG, Eisus AG. So ist es häufig, wenn man den Geschäften von Michael Schäff nachspürt: Man landet vor Briefkästen. Nicht selten in der Schweiz oder in Liechtenstein, den alpinen Sehnsuchtsorten jener sehr reichen Menschen, die ihre Geld- und Vermögensgeschäfte bevorzugt diskret und dort vorantreiben, wo deutsche Finanzbeamtinnen und -beamte eher selten vorbeikommen.
Michael Schäff erkannte das Potenzial eines...
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