Schweitzer Fachinformationen
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Liebe, Feminismus, für den Helden dieses Buches ist das ab sofort das Gleiche. Er verliebt sich in eine Hardcore-Feministin. Das heißt: in Lichtgeschwindigkeit vom ignoranten Gewohnheitsmacho zum Judith-Butler-Exegeten, mit den entsprechenden Kollateralschäden bei Familie, Freunden und am Arbeitsplatz. Denn für die Gleichberechtigung kämpft er mit wirklich allen zur Verfügung stehenden Mitteln . Ein Roman für alle, die sich einig sind, dass sie Mario Barth scheiße finden, in Sachen Feminismus sonst aber bisweilen nicht weiterwissen.
Bevor er sich in Najwa verliebt, hat er keinen blassen Schimmer vom Feminismus. Er ist ein 08/15-Typ mit den üblichen Vorurteilen, blinden Flecken, problematischen Verhaltensweisen. Aber bei ihr geht er in eine harte Schule. Sein Blick auf die Welt verändert sich: Beeinträchtigungen, Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen sind plötzlich überall, genau wie die Paradoxien und der Unmut, der ihm entgegenschlägt, sobald er nur wieder irgendwo vom grausamen Patriarchat anfängt. Wie kann er die Frauen in diesem Kampf am besten unterstützen? Ein Wutanfall seiner Mutter bringt ihn auf eine folgenschwere Idee.
Dass ich einer Unbekannten, die einfach nur ihre Rechte einfordert, »Nutte« hinterherrufe, mache ich erst, seit ich Najwa kenne. Zum ersten Mal begegne ich ihr bei einem Vortrag von Siri Hustvedt. Der Saal platzt aus allen Nähten, es sind vor allem Frauen da, junge Frauen. Ich verstehe nicht viel von dem, was die Autorin sagt, teils, weil die Neurobiologie nicht gerade mein Spezialgebiet ist, teils, weil ich noch nie ein Buch von ihr gelesen habe, aber ich muss zugeben, dass die Themen, über die die Frau von Paul Auster spricht, wie sie in den Medien meist genannt wird, mich durchaus interessieren oder zumindest meine Neugier wecken. Die Fragerunde ist gruselig, wie so oft in diesen Fällen: Personen (Frauen), die zu zeigen versuchen, dass sie genauso viel oder mehr wissen als die Rednerin; Personen (Frauen), die die Gelegenheit nutzen, um von ihren privaten Dramen zu erzählen; Personen (Frauen), die Siri dafür danken, dass es sie gibt. Es wirkt wie ein afrikanischer Ritus, mit dem die Ankunft der Regenzeit gefeiert wird. Oder wie sein Gegenteil: wie eine Bande illustrer US-Bürger, die auf einen Orkan schießen, um ihn in die Flucht zu treiben. Kein einziger Mann stellt eine Frage, aber es schießt auch keiner. Ich schon gar nicht. Najwa ist die einzige Person (Frau), die in der Fragerunde Siri auf ihre Widersprüche hinweist und sie in die Mangel nimmt. Vielleicht übertreibe ich auch. Jedenfalls stellt sie ihr einige komplexere Fragen, ohne sich als akademische Intelligenzbestie aufzuspielen. Wobei gerechterweise erwähnt sei, dass Najwa sowieso hochqualifiziert aussieht, sprich: eine Brille trägt. Als die Veranstaltung zu Ende ist und die Besucher in Richtung Podium strömen, damit Mrs. Hustvedt ihnen ein oder mehrere Bücher signiert, sehe ich, dass die Frau mit der Brille in Richtung Ausgang geht. Ich schneide ihr den Weg ab und quatsche sie an. Typisch Mann.
»Ich fand deine Fragen gut«, sage ich.
Sie sieht mich abschätzig an.
»Ich fand deine Fragen wirklich gut«, sage ich. »Das ist keine billige Anmache. Von der Rede habe ich praktisch nichts verstanden, aber das, was du gefragt hast, schon.«
»Du hast ihre Bücher nicht gelesen, oder?«
»Nein. Ich würde über den Prolog nicht hinauskommen. Weißt du, ob es auch eine Version für Kinder gibt?«
»Ich muss los.«
»Okay. Aber vorher musst du mir noch ein Buch empfehlen. Dann lasse ich dich in Ruhe, versprochen.«
»Ein Buch worüber?«
»Über Feminismus. Damit ich wenigstens ein bisschen was begreife. Die Neurobiologie hebe ich mir für später auf.«
»Du kannst ja das Wort >Feminismus< googeln.«
»Hab ich schon. Ich finde sogar den Eintrag bei Wikipedia schwer verständlich. Gibt es darüber nicht eine Art Foucault für Dummies?«
Zum ersten Mal bemerke ich so etwas wie ein Lächeln. Ist abgespeichert: »Foucault.«
»Hast du was zu schreiben?«, fragt sie.
Ich hole das Handy heraus und öffne die Notizen-App. Sie diktiert mir: Wenn Männer mir die Welt erklären von Rebecca Solnit und Sexus und Herrschaft von Kate Millett. Obwohl ich Geisteswissenschaften studiert habe, sagen mir die Namen nichts.
»Danke«, sage ich.
Sie lächelt erneut, aber nur mit der einen Seite des Munds, die andere hat wohl genug von mir. Dann geht sie los.
Ich eile in die Bibliothek, die um zehn zumacht, um die Bücher zu bestellen, die sie mir empfohlen hat. In der Ausleihe bedient mich eine Frau. Plötzlich fühle ich mich irgendwie benommen, wie umhüllt von östrogenübersättigter Luft, ähnlich der Giftglocke auf Fotos von Mexiko-Stadt. Siri, ihre Fans, Najwa, die Bibliothekarin. Mein seltsames Gefühl verstärkt sich noch, als meine Mutter mich anruft und mir bis ins kleinste Detail erzählt, dass ihre Mutter, meine noch lebende Großmutter, beleidigt sei, weil sie sie nicht oft genug besuche. In diesem Moment bringt die Bibliothekarin mir mit einem Lächeln im Gesicht die Bücher. Auf meinem Weg nach draußen tue ich so, als würde ich meiner Mutter zuhören, und frage mich, warum Frauen ständig lächeln: Warum lächeln sie, wenn es doch schon zehn Uhr abends ist und sie noch arbeiten müssen, warum lächeln sie, wenn jemand ihnen nach einem Vortrag hinterherläuft, warum lächeln sie, wenn jemand vor anderen Leuten eine unverschämte Bemerkung zu ihnen macht, was weiß ich, warum legen sie dieses schamlose Beharrungsvermögen an den Tag? Ich versuche mir vorzustellen, ich wäre so und würde so lächeln wie sie, rund um die Uhr, wäre mit stoischem Phlegma ständig gefällig. Gut fühlt sich das nicht an, sprich: Ich könnte es nicht. Dieses Gelächle verwirrt mich. Die treuherzige Art der Frau ist eine ihrer Schwächen.
Als ich wieder zu Hause bin, fällt mir ein, warum ich überhaupt zu diesem Vortrag gegangen bin.
Subjekt A: dreiunddreißig. Was er beruflich macht, weiß ich nicht. Ich wohne seit neun Monaten mit ihm zusammen. Seine Lieblingssuchbegriffe sind »gangbang« und »facefucking«. Er hat das neueste iPhone. An den Wochenenden fährt er mit einer Radsportgruppe in die Berge. Trinkt kaum Alkohol, raucht aber gern mal einen Joint. Macht nie den Klodeckel runter.
Subjekt B: Ende zwanzig. Was er beruflich macht, weiß ich nicht. Ich wohne seit sechs Monaten mit ihm zusammen. Seine Lieblingssuchwörter sind: »anal pain« und »anal pain teen«. Er hat ein chinesisches Handy mit einer großen Kamera. Geht jeden Abend aus. Frönt dem Alkohol und dem Essen, nicht aber dem Kokain. Macht in der Dusche nie die Haare weg.
Anfangs war es lustig. Drei Typen auf dem Sofa, die über Leben, Sex und Politik quatschen. Von meiner Arbeit erzählte ich nichts, zumal es nicht viel zu erzählen gab. Auf jeden geschmacklosen Witz folgte ein noch geschmackloserer. Alle Frauen im Fernsehen wurden auf der Basis ihrer weiblichen Attribute ausführlich analysiert. Entweder man ist ein Tittentyp oder ein Ärschetyp. Wir erzählten uns Sachen: Die Anekdote von meinem Professor für Sprach- und Literaturwissenschaft, wie er uns vor drei Jahren mit dem Wort Gambas kommt: »Kopf wegwerfen, Körper vernaschen.« Alle Studenten fanden es urkomisch. Wie ich meiner ersten Freundin an meinem fünfzehnten Geburtstag an die Brüste fassen durfte. Ich meine, sie hätte geweint, und ich erinnere mich noch, dass ich dachte, ich hätte zu fest zugedrückt. Keine fünf Minuten später erzählte ich es schon meinem besten Freund. Die von meinem ersten Blowjob, bei dem ich keinen hochkriegte, weil ich mich plötzlich in einer Situation wiederfand, die ich nur vom Bildschirm kannte. Ich fragte das Mädchen, ob wir uns vielleicht erst mal küssen sollten. Wozu, fragte sie zurück, wenn Jungs doch genau darauf abfahren. Solche Sachen erzählten wir uns.
Wir zeigten uns gegenseitig Fotos von Freundinnen, die noch Singles waren. Wir googelten Pornodarstellerinnen. Wenn wir Besuch hatten, hängten wir Schilder an unsere Zimmertür wie in einem Hotel (Do not disturb). Wir schickten uns gegenseitig Pornovideos. Wir pflegten eine kerngesunde Männerfreundschaft.
Mein Gemeinschaftsgeist erhielt einen Dämpfer, als Subjekt A uns ein selbst gedrehtes Video schickte. Es war deutlich zu erkennen, dass es ohne die Zustimmung der Protagonistin aufgenommen worden war: Es herrscht Schummerlicht, die Kamera ist in einer Ecke des Zimmers platziert, zwischen Klamotten versteckt, und die Frau blickt zu keinem Zeitpunkt direkt in die Linse. Er schon: Bei Minute 12:24 stellt er die Frau auf alle viere, den Hintern in Richtung Zuschauer, und bevor er weitermacht, zwinkert er und hebt zum Zeichen des Triumphs den rechten Daumen. Dann schlägt er ihr mit der flachen Hand auf die Arschbacke, und sie schnurrt wie ein glückliches Kätzchen. Das Video dauert insgesamt 16:45 Minuten, HD-Qualität.
Ich fand das nicht gut und sagte es ihm auch, anfangs noch ruhig und vernünftig, wie jemand, der für die Laster seines Gegenübers Verständnis hat, aber auch an seinen Anstand appelliert. ...
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