Schweitzer Fachinformationen
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Menschen sind Tiere, und wie alle Tiere hinterlassen wir auf Schritt und Tritt Spuren?: sichtbare Zeichen in Schnee, Sand, Schlamm, Gras, Tau, Erde oder Moos. Die Jägersprache besitzt ein lichtes Wort für diese Art von Ein- und Abdruck?: >Fährte<. Die Fährte eines Tieres ist seine Spur. Nur vergessen wir heute oftmals, dass auch wir Spuren hinterlassen, weil wir zumeist auf Asphalt oder Beton laufen - Materialien, die nicht leicht zu prägen sind. »Immer und überall sind Menschen gegangen und haben die Erde mit sichtbaren und unsichtbaren, symmetrischen und mäandernden Pfaden überzogen«, schreibt Thomas Clark in seinem eindrücklichen Prosagedicht In Praise of Walking (Lob des Wanderns). Tatsächlich sieht jeder, der seine Aufmerksamkeit auf Pfade und Wege richtet, dass die Landschaft von ihnen durchfurcht ist - im Schatten des modernen Straßennetzes, das sie zuweilen schräg oder im rechten Winkel kreuzen. Spricht man all die verschiedenen Namen für Wege schnell vor sich hin, werden sie gleichsam zum Gedicht oder zur Liturgie?: Saumpfade, Pilgerpfade, Feldwege, Viehtrifte, Leichenwege, Trampelpfade, Stege, Ley-Linien, Deichwege, Heckenwege, Handelspfade, Treidelpfade, Pässe, Gassen, Pisten, Gehsteige, Chausseen, Hohlwege, Wanderwege, Kreuzwege, Dammwege, Kirchwege, Seewege, Reitwege, Heidewege, Rennsteige.
In vielen Regionen gibt es noch die alten Wege, Verbindungstrassen zwischen den Orten, die über Pässe oder um Berge herum zu einer Kirche oder Kapelle, zu einem Fluss oder zum Meer führen. Nicht alle zeugen von einer frohen Vergangenheit. In Irland gibt es Hunderte Meilen famine roads?: In den 1840?er Jahren von verhungernden Menschen für fast nichts erbaute und ins Nichts führende Straßen, die auf keiner amtlichen Grundkarte verzeichnet sind. In den Niederlanden gibt es doodwegen und spookwegen - die Straßen der Toten und der Geister -, die zu den mittelalterlichen Friedhöfen führen. Spanien verfügt nicht nur über ein breites, funktionstüchtiges Netz an cañada, den Viehtriften, sondern hat auch den zigtausend Kilometer langen Camino de Santiago, dessen weit verzweigtes Wegenetz die Pilger zum Schrein in Santiago de Compostela führt. Auf dem Jakobsweg zählt jeder Schritt zweifach, einmal auf dem tatsächlichen Weg und einmal auf dem Weg des Glaubens. In Schottland gibt es clachan und rathad - schmale, gepflasterte Straßen und Gebirgspfade - und in Japan kleine Landwege, die der Dichter Basho¯ in seinem Band Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland von 1689 beschreibt. Die amerikanischen Prärien des 19. Jahrhunderts sind von breiten >Bisonwegen< durchschnitten, die von dichten Bisonherden geschaffen wurden und auf denen später die ersten Siedler über die >Great Plains< nach Westen zogen.
Geschichtsträchtige Wege gibt es nicht nur an Land, sondern auch auf dem Wasser. Die Ozeane sind durchfurcht von Seewegen - Routen, deren Verlauf von den vorherrschenden Winden und Strömungen bestimmt ist -, und Flüsse zählen zu den ältesten Wegen überhaupt. Zum abgelegenen Zanskar-Tal im indischen Himalaya-Gebirge gibt es in den Wintermonaten nur einen einzigen Zugang?: über den zugefrorenen Fluss. Der Zanskar fließt durch steilwandige Täler aus Schiefergestein, an deren Hängen Schneeleoparden jagen. In den tieferen Becken ist das Eis blau und klar. Möchte jemand die Reise den Fluss hinab antreten, chadar genannt, begleiten ihn die >Eislotsen<, erfahrene Wanderer, die alle Gefahren kennen.
Verschiedene Pfade haben verschiedene Eigenschaften, je nach Geologie und Zweck.
Auf manchen Leichenwegen in Cumbria liegen auf der hügelzugewandten Seite flache resting stones, >Absetzsteine<, auf denen die Sargträger ihre Last absetzen konnten, um die müden Arme auszuschütteln und die steif gewordenen Schultern kreisen zu lassen. Auf manchen Leichenwegen im irischen Westen sind >Absetznischen< in den Hang gehauen, und jeder Trauernde legt einen Kieselstein in sie hinein. Die prähistorischen Trampelpfade über die Downs in Südostengland können wir noch heute nachverfolgen, weil auf dem durch jahrhundertelangen Tritt verdichteten, kreidehaltigen Boden Gänseblümchen gut gedeihen. Das Moor auf der Insel Lewis in den Äußeren Hebriden ist von tausend Wegen der Moorarbeiter durchkreuzt und erinnert aus der Vogelperspektive betrachtet an genarbtes Leder. Ich denke auch an die Serpentinen der Bergpfade im schottischen Hochland, an die mit Flaggen geschmückten und über Brücken führenden Packeselrouten in Yorkshire und Mid Wales und die eingesunkenen Grünsandpfade in Hampshire, an deren schattigen Rändern sich im Frühling gerollte Farne wie kleine Hirtenstäbe emporrecken.
Die Markierungsmethoden alter Pfade scheinen selbst einer geheimnisvollen Sage entnommen, in der es viel um Steinhaufen, Steinkreise, Sarsensteine, sogenannte hoarstones (Ehrensteine), Menhire, Meilensteine, Cromlechen und andere Landmarken geht. In den Sümpfen von Dartmoor liegen Brocken weißer Porzellanerde verstreut, um einen sicheren Weg durch die Dämmerung zu weisen, wie die Kieselspur bei Hänsel und Gretel. In Gebirgsgegenden markieren oft Findlinge die Stelle, an der sich Flüsse gut überqueren lassen, wie Utsi?'s Stone?1 in den Cairngorms, der die Furt durch den Allt Mor anzeigt, durch die man zu den traditionellen Weidegebieten gelangt, ein Stein, in den von geschickter Hand die Zeichnung eines Rentiers eingeritzt ist, das im abendlichen Sonnenlicht springlebendig zu werden scheint.
Pfade und ihre Markierungen können seit Langem meinen Blick ködern, auf sich ziehen, zu sich heran und weiter auf den Weg. Der Pfad lockt das Auge, das äußere wie das innere. Der Kopf kann nicht umhin, dieser Linie über das Land zu folgen - nicht nur voran durch den Raum, sondern auch zurück durch die Zeit, hinein in die Geschichte des Weges und all derer, die ihn genutzt haben. Wenn ich einem Pfad folge, denke ich oft an seine Anfänge, daran, warum er wohl entstand, an die regelmäßigen Reisen, deren Zeuge er ist, und die Geheimnisse, die er bewahrt, all die Abenteuer, Begegnungen und Abschiede. Ich selbst bin in meinem Leben vermutlich 1 100 bis 1 200 Kilometer auf Pfaden gegangen?: mehr als die meisten Menschen, aber nicht annähernd so viel wie die großen Wanderer. Thomas De Quincey schätzt, dass Wordsworth 280 000, vielleicht sogar 300 000 Kilometer gelaufen ist?: Seine bekanntermaßen knorrigen Beine, die »bei allen weiblichen Bekannten auf ostentative Ablehnung stießen«, wie De Quincey giftig notiert, verwandelten sich beim Wandern in Siebenmeilenstiefel. In Gedanken habe ich bereits Tausende Kilometer zurückgelegt, weil ich nachts, wenn ich nicht schlafen kann - fast jede Nacht -, die von mir gewanderten Pfade abgehe, bis ich manchmal doch in den Schlaf finde.
»Es freut mich einfach, auf ihnen zu gehen«, bringt John Clare sein Verhältnis zu Feldwegen auf den Punkt. Mir geht es genauso. »Meine linke Hand hakt sich um deine Hüfte«, verkündet Walt Whitman - freundschaftlich, erotisch, gebieterisch - in Grasblätter (1855), »Meine rechte Hand zeigt auf die Landschaften der Kontinente und die offene Straße«. Fußwege sind im besten Sinne des Wortes mundan?: >weltlich<, für jeden offen. Vom Wegerecht geschützt und durch Benutzung erhalten, bilden sie ein Labyrinth von Freiheit, ein feingliedriges Netzwerk von Allmenden, das sich bis heute durch unsere aggressiv privatisierte Welt zieht, trotz aller Stacheldrahtzäune und Schranken, Überwachungskameras und >Betreten-verboten<-Schilder. Dass es dieses Labyrinth bei uns gibt, ist einer der wichtigsten Unterschiede zum Landnutzungsrecht in den USA.2 Die Amerikaner haben uns Briten lange um unser Fußwegesystem und die damit verbundenen Freiheiten beneidet, so wie ich die Skandinavier um ihr Allemansrätten beneide, ihr Jedermannsrecht. Diese rechtliche Übereinkunft entstand in einer Gegend ohne jahrhundertelange Feudalherrschaft und vererbte Unterwürfigkeit gegenüber der grundbesitzenden Klasse und gestattet den Bürgern, alles Brachland zu betreten, vorausgesetzt, sie...
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