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… an die Gemeinde Gottes in Korinth, an die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen samt allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns: / Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von dem Herrn Jesus Christus!/
Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christus Jesus, / daß ihr durch ihn in allen Stücken reich gemacht seid, in aller Lehre und in aller Erkenntnis.11 / Denn die Predigt von Christus ist in euch kräftig geworden,12 / so daß ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gabe und wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus. / Der wird euch auch fest erhalten bis ans Ende, daß ihr untadelig seid am Tag unseres Herrn Jesus Christus. / Denn Gott ist treu, durch den ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.
(1 Korinther 1,2-9)
Ekkl?sia. – Gedämpfte Straßengeräusche, doch schon wenige Schritte weiter sind sie verschwunden. Als hätte sich etwas verdichtet zwischen den staubigen Mauern, die ich betrete: Vergangene Zeit?
Fresken, ein Frauenkopf mit einer langen geschwungenen Nase, festen Lippen, und am Hals, den unter der Kehle ein Riß durchzieht, liegt die braune Hand eines betrunkenen Silens. Verdichtete Zeit: Ein Haus, das vor 2000 Jahren von Asche verschüttet wurde, liegt ausgegraben vor mir. Und die Bewohner sind eben erst aus der Tür gestürzt und in Richtung Meer gerannt? Der erst zäh strömende Vulkanschlamm soll immer schneller herangeschossen sein, und die Luft stand voll stechender, lähmender Gase.
Ineinandergedrängte Zeit: Fern Vergangenes und Gegenwart scheinen in eins zu fallen, und die bemalten Wände, der Stuck und die Böden mit den Mosaiken zeugen ebenso von Geschichte wie von der Flüchtigkeit des Augenblicks. Wo gehört das hin, was ich sehe? Das hölzerne Schiebegitter vor mir wirkt, als sei es eben aufgerichtet worden, und doch ist es verkohlt. Wohin gehören die Steine, die klaren Farben im Licht dieses Dezembervormittages?
Ich erinnere mich, wie mir mein Vater in Dresden eine innerstädtische Brache zeigte, die von Holundergesträuch und hohem Brennesseldickicht begrenzt war: »Hier stand das Haus, in dem ich wohnte, als ich so alt war wie du.« Mehrmals malte ich für ihn mit Wachsstiften das Grasstück und darauf ein Haus. Sie gehörten zusammen, Haus und grasüberwuchertes Fehlen des Hauses. Ich hätte nicht so schnell über diese Freifläche rennen können wie über den gemähten Wäscheplatz in unserem Hof. Denn das hier war nicht nur eine Wiese: Hier gab es das unsichtbare Kinderzimmer des Vaters, hier gab es die Küche, wo er gegessen hatte, hier waren die Flammen gewesen, als das Gebäude in sich zusammenfiel, von einer Brandbombe getroffen. Ein Gedächtnis in den Halmen, den Stauden?
Ich schaue mich um. Eine Frau liegt in den Armen eines Mannes, sie hat kein Gesicht, aber ihre Hüften gleiten aus einem braunen Stoff, gleich wird er fallen, und der linke Fuß setzt zu einer Bewegung an, welche die Öffnung der Schenkel bedeuten könnte, oder aber einen sanften Schwung, um aufzustehen … Vorbei an dem Bild führt ein Weg in einen Innenhof. Ein Portikus, eine Treppe. Hier oben hat man eine Stuckplatte gefunden. Sie zeigt eine kreuzförmige Vertiefung. Nicht mehr als ein Abrieb, unsicher in der Deutung – die Spur eines Holzkreuzes? Die Platte lag in einem der kleinen Räume im Obergeschoß des antiken Patrizierhauses. Vermutlich waren das vermietete Zimmer.
Ich streife durch Herkulaneum, ein Ausgrabungsgelände in der Nähe von Neapel, unterhalb des Vesuvs. Der Ausbruch dieses Vulkans im Jahre 79 begrub die kleine Stadt unter Lavaschutt und glühendem Schlamm, der sie überflutete und einschloß wie ein Insekt in Harz. Die Konservierung erhielt etwas, was anderswo – etwa in Korinth – die Verwitterung fortnahm und was doch der wichtigste Rahmen war, in dem sich das frühe Christentum zeigte: Alltag, Alltägliches …Wasserkrüge, ein Holzgitter, Eßgeschirr, ein Treppenaufgang, eine Stuckplatte, darin der Abdruck eines Kreuzes …
Hier scheint für mich das Wesen dessen auf, was Paulus als ekkl?sia bezeichnet: » … an die Gemeinde (ekkl?sia) Gottes in Korinth …« Das entstehende Christentum suchte seine Gestalt nicht in der Schaffung neuer Kulträume oder besonderer Sphären des Heiligen. Seine ersten Spuren sind weder Sakralarchitekturen noch Riten der Abgrenzung. Das frühe Christentum holte seine Kraft aus der Alltäglichkeit, aus den einfachen Gebräuchen des Essens und Trinkens, des Waschens, der Geselligkeit. Es schuf keine Sonderwelten, sondern setzte das einfache Leben in einen neuen Zusammenhang. In kleinen körperlichen Gesten sprach sich der neue Glauben aus – in der Fußwaschung und in der segnenden Handauflegung, im Weinkelch an den Lippen und im Brot auf der Zunge. Diese Elemente waren wie Steinchen aus der antiken Lebenswelt gebrochen und neu zusammengesetzt zu einem Mosaik. Nichts Höheres wurde über den profanen Alltag gebaut, sondern der Alltag selbst verwandelt und damit die Grenze zwischen profan und heilig aufgelöst. Das Essen war nicht mehr nur Essen, das Trinken war mehr als Trinken, die Gräber wurden zu Orten der frohen Versammlung, und die heidnischen Festzyklen im Jahreskreis hatten ohnehin jede strukturierende Kraft verloren, denn die Zeit war verdichtet: Alles hatte jetzt eine andere Bedeutung, jetzt, die ganze Zeit, im Vergehen, im Verweilen, nur ein Augenblick noch, in dem Christus.
Die Unaufdringlichkeit, ja, augenscheinliche Unsichtbarkeit des christlichen Glaubens bei einer gleichzeitigen Aufhebung gültiger Normen und Gesetze verstörte und faszinierte die Zeitgenossen der neuen Bewegung. Hier war etwas am Werk, das keine Partikularität zuließ, keine Abgrenzungen in Raum und Zeit, in Schicht und Volk, keine Interessenzuordnung, ja, nicht einmal Priester waren erkennbar, und die innere Gesetzlosigkeit war Programm. Was war geschehen?
Paulus sagt ekkl?sia dazu, geschehen ist ekkl?sia. In ähnlicher Weise wie bei dem Wort apostolos ist das in der unsicheren Geste eines ersten Benennens gesagt. Es war vielleicht sogar Paulus selbst, der zuerst das Wort ekkl?sia auf jene Bewegung anwendete, die das Gefüge seiner Zeit mehr und mehr durchlöcherte: Menschen fielen aus ihren Lebensentwürfen, aus ihren Schicksalen und wurden andere, sagten »in Christus« dazu, in dem kommenden, gekommenen Messias.13 Paulus verwendet das Wort ekkl?sia in seinen Briefen manchmal mit und dann wieder auch ohne Artikel. Es nähert sich einem Eigennamen. Bezugspunkt ist ein plötzliches Geschehen, eine Strömung, von der auch Paulus selbst erfaßt ist – noch sieht er keine Form. Was hätte für Paulus sonst nähergelegen, als die entstehenden Gemeinden synag?g? zu nennen? Synag?g? umfaßte in seiner Bedeutung alles, was man in der Mitte des ersten Jahrhunderts als Selbstverständnis einer jungen religiösen Bewegung auf jüdischem Boden vermuten kann. Synag?g? war eine gängige griechische Übersetzung der hebräischen Worte qahal und ´eda – Bezeichnungen der Gemeinde Gottes, ihrer Versammlung im Namen des Herrn, erwähltes Volk.14 Und fühlten sich die ersten Christen nicht genau so? Als wahre Versammlung der Heiligen? Als neues Gottesvolk? Auch in den apokalyptischen Schriften und in den Zeugnissen der religiösen Aufbruchsbewegung von Qumran liest man von der synag?g? – verstanden als geheiligtes, reines Gottesvolk der Endzeit. Aber Paulus sagt nicht synag?g?. Paulus sagt ekkl?sia. Das Wort klingt, als würde es am liebsten für sich bleiben wollen – nur jetzt, nur für diesen Moment sind die in Korinth, »die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen«, eine ekkl?sia, und was das über die Zeit hinweg sein soll, ist so unklar wie das, was ein Apostel über die Zeit sei. Denn die innere Kraft der ekkl?sia, ihren Sinn, bildet das Christusereignis, der ganz unvorstellbare Ruf, der Menschen heraustrennt aus ihren Schicksalsfäden, aus jeder denkbaren Form von Integration, und sie plötzlich zu »berufenen Heiligen« macht. Wobei auch das Wort heilig keine Eigenschaft bezeichnet, sondern verwundert eine Verwandlung wahrnimmt. Heilig ist die ekkl?sia nicht, weil sie dies oder das sei, sondern ihr wird die Heiligkeit von Gott angesehen, ihr zugesprochen. Sie wird mit dem Ruf zur ekkl?sia als Gemeinschaft der Heiligen geschaffen. Deshalb zeichnet sie nichts weiter aus, als daß die ihr Zugehörigen jetzt, in diesem Augenblick, »den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns …« Von einer Kirche ist da noch gar nichts zu sehen. Möglicherweise ist in Kürze alles verschwunden, als sei da nichts gewesen als ein plötzlichen Erschrecken, wie ein Posaunenstoß (1 Korinther 15,52): Christus Jesus.
Bei den Griechen hieß ekkl?sia die Versammlung der freien Bürger, gesamtes Volk, der d?mos, der von einem Herold aus den Häusern gerufen wurde – ein ganz profanes Wort. Die ekkl?sia kann im griechischen Sprachempfinden nie einen besonderen, sich von anderen abgrenzenden Verein darstellen, keine Gruppe Glaubender, auch keine Kultgenossenschaft. Das alles meint Paulus nicht, sonst hätte er wohl von synodos oder koinon gesprochen, Worte, die dafür zur...
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