Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Diese Zeit braucht Helden!
Oberst Rudel bekommt einen Orden und verliert ein Bein - Die Wehrmachtsspitze schwört Hitler die Treue - Was sie in Auschwitz sehen, schockiert selbst kampferfahrene Rotarmisten
Alle sind sie an diesem letzten Tag des Jahres 1944 im Führer-Hauptquartier "Adlerhorst" nördlich von Frankfurt am Main angetreten: Hermann Göring, Chef der deutschen Luftwaffe, Karl Dönitz, Befehlshaber der Marine, Panzer-Generaloberst Heinz Guderian, Alfred Jodl, Wehrmachtschef, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Außenminister Joachim von Ribbentrop und natürlich Adolf Hitler selbst. Der Grund für die Versammlung der illustren Runde ist entsprechend bedeutsam: Es gilt, den prominentesten Soldaten des Deutschen Reiches auszuzeichnen, den Jagdflieger Hans-Ulrich Rudel, 28. Der junge Rudel soll keinen gewöhnlichen Orden bekommen, sondern den allerhöchsten, den der NS-Staat zu vergeben hat und der noch nie einem Angehörigen der Wehrmacht verliehen wurde: das "Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit goldenem Eichenlaub, Schwertern und Brillanten". Gleichzeitig wird er zum Oberst befördert.
Wie hat sich der junge Mann diese außergewöhnliche Dekoration verdient?
Nun, Rudel, unter anderem in Graz-Thalerhof zum Sturzkampfbomber-Piloten ausgebildet, hat an der Ostfront mit waghalsigen Flugmanövern mehr als 500 Panzer der Roten Armee zerstört, Dutzende sowjetische Landungsboote und vor Leningrad sogar ein großes Schlachtschiff versenkt. Er hat Versorgungszüge bombardiert und Brücken pulverisiert. Rudels Einsätze sind meist spektakulär. Im August 1944 wurde er in Kurland abgeschossen und schlug sich zu Fuß zu den deutschen Linien durch. Im November wurde ihm über Ungarn der linke Oberschenkel durchschossen, eine weitere noch darin steckende Kugel entfernte man ihm im Lazarett. Wenige Tage später trat Rudel mit Gipsverband wieder zum Dienst an.
Solche Kerle braucht das Reich besonders jetzt, da es an allen Ecken und Enden ausblutet, Beispiele ungebrochener Wehrhaftigkeit müssen dem Volk präsentiert werden, um nur ja keine Kriegsmüdigkeit aufkommen zu lassen. Bereit zu leiden, bereit zu töten, bereit zu sterben.
Der Frontverlauf zu Jahresbeginn 1945 lässt keinen Zweifel mehr zu: Hitler-Deutschland ist im Begriff, diesen Krieg zu verlieren. Seit der Schlacht bei Stalingrad, im Jänner 1943, der Landung der Alliierten in Italien im September desselben Jahres und der Invasion an der Normandie im Juni 1944 ist die deutsche Wehrmacht an allen Fronten auf dem Rückzug.
Da braucht es eben beispielgebende Heldengestalten wie Rudel.
Der Orden wird nur kurz gefeiert, schon am 3. Jänner fliegt Hans-Ulrich Rudel wieder Einsätze und nimmt Panzer der Roten Armee aufs Korn. Wenige Tage später wird seine Junkers 87, ein einmotoriger Sturzkampfbomber, über Frankfurt an der Oder von einer sowjetischen Flak getroffen, Rudel wird schwer am rechten Bein verletzt. Nach der Notlandung muss ihm der Unterschenkel amputiert werden. Sechs Wochen später sitzt er mit noch nicht verheiltem Beinstumpf wieder in seiner Ju 87.
Am 8. Mai, dem Tag des Waffenstillstands, fliegt Rudel hinter die amerikanischen Linien und ergibt sich. Seine elfmonatige Kriegsgefangenschaft verbringt er im Lazarett und eröffnet dann einen Fuhrwerksbetrieb nahe Dortmund. 1948 wandert Hans-Ulrich Rudel nach Argentinien aus und verhilft mehreren Kriegsverbrechern zur Flucht aus Deutschland. Vor Ort unterstützt er den KZ-Arzt Josef Mengele und andere SS-Größen beim Untertauchen in Brasilien und Argentinien. Seinen Lebensunterhalt verdient sich Rudel als Waffenhändler und Militärberater, unter anderem in den Diensten der Diktatoren Alfredo Stroessner (Paraguay) und Augusto Pinochet (Chile). Siemens macht ihn zum Vertreter der Konzerninteressen in Südamerika.
Der ungebrochene Nationalsozialist Rudel veröffentlicht neben Artikeln in einschlägigen Magazinen auch Bücher in rechten deutschen Verlagen und kandidiert - allerdings erfolglos - 1953 für die rechtsextreme "Deutsche Reichspartei".
Oft besucht er Österreich, wo ihn Gesinnungsgenossen entsprechend feiern. Zunehmend wird er zu einer Societyfigur. 1960 etwa nimmt Rudel in Mayrhofen im Zillertal trotz seiner Beinprothese an einem Tennisturnier teil und belegt den dritten Platz. Er bekommt dafür als Preis eine Obstschüssel, wie sogar der "Spiegel" ehrfürchtig berichtet.
Hans-Ulrich Rudel stirbt 1982 nach einem Schlaganfall in Rosenheim. Bei seinem Begräbnis erheben knorrige Kameraden den Arm zum Hitlergruß und eine Ehrenformation von Starfighter-Jets der Bundeswehr überfliegt den Friedhof.
*
Die hochrangige Versammlung der Wehrmachts- und Parteielite, die Rudel am letzten Tag des alten Jahres den höchsten Orden verlieh, veröffentlicht am Neujahrstag 1945 in der Tageszeitung "Völkischer Beobachter" ihre traditionellen Aufrufe.
Man überbietet einander mit Huldigungen an Adolf Hitler. Marinechef Dönitz verspricht: "In stählerner Geschlossenheit steht das deutsche Volk hinter dem Führer. Sein Wille weist auch der Kriegsmarine den Weg. In bedingungsloser Einsatzbereitschaft werden wir im kommenden Jahr den Feind angreifen, wo immer wir ihn treffen. Fanatische Kühnheit wird uns zum Sieg führen!"
Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe gelobt "in stolzer Trauer vor unseren Toten, die an der Front oder in der Heimat ihr Leben für Deutschland gaben, unwandelbar zu sein in unserer Treue zu unserem geliebten Führer."
Heinz Guderian, Generaloberst der Panzer-Streitmacht, huldigt in seinem Neujahrsaufruf pflichtgetreu: "Im unerschütterlichen Glauben an den Führer strahlt uns durch die lodernden Flammen der Schlachten das Fanal des Sieges."
Da will Propagandaminister Joseph Goebbels natürlich nicht nachstehen: "Ein Volk von Arbeitern, Bauern und Kriegern und an seiner Spitze ein Führer, der sein Volk nicht nur führt, sondern auch verkörpert. Unsere Feinde werden sich an dieser Einheit die Zähne ausbeißen."
Adolf Hitler selbst gibt sich auch in seinem letzten Neujahrsaufruf antisemitischen Tiraden hin: "Der jüdisch-östliche Bolschewismus entspricht in seinen Ausrottungstendenzen den Zielen des jüdisch-westlichen Kapitalismus. In jedem Fall sollen freie Völker zu Sklaven gemacht werden . Das deutsche Volk wird sich aus diesem Glutofen von Prüfungen stärker und fester erheben, als jemals zuvor in seiner Geschichte. Die Macht aber, der wir dies alles verdanken, der jüdisch-internationale Weltfeind, wird bei diesem Versuch, Europa zu vernichten und seine Völker auszurotten, nicht nur scheitern, sondern sich die eigene Vernichtung holen."
Auffallend oft spricht Hitler in diesem Neujahrsaufruf vom "unerforschlichen Willen des Allmächtigen", er will "dem Herrgott danken für die Hilfe, die er Führung und Volk immer wieder hat finden lassen" und er legt "gegenüber dem Allmächtigen" das Gelübde ab, seine Pflicht auch im neuen Jahr zu erfüllen.
Adolf Hitler hat an diesem 1. Jänner 1945 noch vier Monate zu leben.
Die große Offensive der Roten Armee beginnt am 12. Jänner. Am 17. Jänner wird Warschau besetzt, am nächsten Tag räumen die Deutschen Krakau. Am 21. Jänner überschreiten sowjetische Truppen in Ostpreußen die Reichsgrenze, einen Tag später stehen sie im Süden vor Breslau. Hitlers Heeresgruppe Mitte, einst die wichtigste Einheit im Russlandfeldzug, blutet bei der Verteidigung des schlesischen Industriegebiets völlig aus. Schon bei den heftigen Kämpfen im Sommer und Herbst 1944 sind 200.000 ihrer Soldaten gefallen, 150.000 weitere gerieten in Kriegsgefangenschaft. Die Überlegenheit der Roten Armee ist eklatant: Bei der Artillerie beträgt sie 20:1, bei der Infanterie 11:1und bei den Panzern 9:1. Generaloberst Heinz Guderian bittet Hitler dringend um den Abzug eines Teils der deutschen Truppen aus Norwegen um die Ostfront zu...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.