Schweitzer Fachinformationen
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Über den Autor 7
Einleitung 19
Teil I: Vom Zimmern im Allgemeinen: Eine Übersicht 25
Kapitel 1: Methodisch Fälle lösen 27
Kapitel 2: Was sind Rechtsnormen und wozu sind sie da? 43
Kapitel 3: Übersicht über die Fallbearbeitung 49
Teil II: Von der Werkbank: Das Normengefüge 57
Kapitel 4: Woher nehmen? Rechtsquellen 59
Kapitel 5: Welche Norm nehmen? Geltung und Anwendbarkeit 69
Kapitel 6: Was steht drin? Norminhalte 79
Kapitel 7: Wie passt das zusammen? Das Normengefüge als System 91
Teil III: Vom Holz: Sachverhalt und Fragestellung 105
Kapitel 8: Was ist passiert? Was heißt »Wahrheit« für Gerichte? 107
Kapitel 9: Wer will was von wem warum? Die Fallfrage 117
Kapitel 10: Der mitgeteilte Sachverhalt im Studium 123
Teil IV: Vom Werkzeug: Auslegung und Rechtsfortbildung 133
Kapitel 11: Was im Gesetz steht: Methoden der Auslegung 135
Kapitel 12: Was nicht im Gesetz steht: Methoden der Rechtsfortbildung 161
Kapitel 13: Zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung: Der unbestimmte Rechtsbegriff 183
Teil V: Vom Sägen, Bohren und Hobeln: Technik der Fallbearbeitung 197
Kapitel 14: Immer schön logisch: Die Denkgesetze 199
Kapitel 15: Immer schön der Reihe nach: Der richtige Aufbau 217
Kapitel 16: Ihr Fahrplan zur Klausurlösung 239
Teil VI: Noch ein Blick in die Werkstatt: Der Top-Ten-Teil 245
Kapitel 17: Acht wichtige Tipps fürs Fällelösen 247
Kapitel 18: Die sieben Todsünden der Falllösungstechnik 251
Kapitel 19: Dreiunddreißig juristische Begriffe, die Ihnen spanisch vorkommen 255
Abbildungsverzeichnis 259
Stichwortverzeichnis 261
Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt: Was tun Juristen eigentlich den ganzen Tag? (Wenn Sie Jura studieren, haben Sie sich das hoffentlich schon vor dem Studium gefragt!) Die Antwort klingt simpel: Sie lösen juristische Fälle. Das heißt: Sie beantworten Rechtsfragen, die sich vor dem Hintergrund eines bestimmten Sachverhalts stellen. Die Antwort soll natürlich nach Möglichkeit richtig sein oder - juristisch ausgedrückt - der Rechtslage entsprechen. Von der Art und Weise, wie Sie vorgehen müssen, um eine solche Antwort zu finden, handelt dieses Buch. Dieses Kapitel gibt Ihnen darüber einen ganz groben ersten Überblick.
Wenn irgendwo Ordnung herrschen soll, braucht es dazu Regeln. Wenn Sie Ihre Kaffeelöffel nicht jedes Mal suchen wollen, wann immer Sie einen brauchen, stellen Sie dazu eine Regel auf. »Kaffeelöffel gehören in die obere linke Schublade rechts neben dem Herd!« Wenn viele Menschen miteinander zusammenleben wollen, muss eine bestimmte Ordnung herrschen. Dazu gibt es Regeln. Die bilden die Rechtsordnung. Rechtsordnungen gibt es schon sehr, sehr lange, vermutlich seit Menschen in größeren Gruppen zusammenleben. Sogar aufgeschrieben haben Menschen diese Regeln schon sehr lange. Wenn Sie einmal nach Paris kommen, können Sie sich im Louvre eine schwarze Stele ansehen, die den Codex Hammurapi enthält, ein geschriebenes Gesetzbuch aus dem 18. vorchristlichen Jahrhundert.
Regeln, die als Recht daherkommen, heißen Rechtsnormen. Sie sagen uns zweierlei:
Die Zehn Gebote sind darum keine Rechtsnormen. Sie sagen uns nämlich nur, was wir tun oder lassen sollen. Was geschieht, wenn wir uns nicht daran halten, müssen sie uns nicht sagen, denn es sind religiöse Gebote. Wenn Sie sie brechen, geht das nur Gott und Sie etwas an. Es sind kategorische Imperative. Das fünfte Gebot sagt nur: »Lass das Töten sein!«
Rechtsnormen dagegen nennen uns die Folgen, die es hat, wenn wir gegen sie verstoßen. § 212 Abs. 1 StGB sagt uns daher: »Lass das Töten sein, sonst kommst du ins Gefängnis!« Rechtsnormen sind also hypothetische Imperative. § 212 Abs. 1 StGB befiehlt: »Wenn einer einen anderen tötet, dann sollt ihr ihn zu einer Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren verurteilen!«
Alle vollständigen Rechtsnormen sind daher Konditionalsätze. Sie sagen, was es für eine Folge haben soll, wenn etwas getan wird oder geschehen ist. Dieses Etwas heißt Tatbestand. Das, was geschehen soll, heißt abstrakte Rechtsfolge. Mehr darüber finden Sie in Kapitel 2.
Wer einem Juristen eine Rechtsfrage stellt, will über Rechtsfolgen informiert werden. Er sagt Ihnen, was passiert ist, und Sie sollen ihm sagen, was das für Konsequenzen hat. Römische Juristen haben darum gesagt: »Da mihi facta, dabo tibi ius!« (Gib mir die Fakten, dann gebe ich dir das Recht!) Das funktioniert so:
Chantal sagt: »Ich habe gestern den Kevin erschlagen, als er mir blöd kam! Was kann mir da passieren?«
Sie überlegen nun: »Erfüllt das den Tatbestand einer Norm?« Da denken Sie natürlich an § 212 Abs. 1 StGB. Dann prüfen Sie, ob der Sachverhalt, der Ihnen bekannt ist, zum Tatbestand der Norm passt. Diese Prüfung heißt Subsumtion. Dass Kevin ein anderer Mensch ist und dass das Erschlagen eine Form des Tötens ist, ist klar. Wenn Sie nun noch feststellen, dass Chantal keine Mörderin ist, ist die Subsumtion gelungen. (Den Teil überspringen wir jetzt, sonst ist das kein einfaches Beispiel mehr.)
Dann folgt Schritt 2: Sie stellen fest, dass die von § 212 Abs. 1 StGB angeordnete abstrakte Rechtsfolge eingreift. Chantal soll mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft werden.
Das ist aber nur die abstrakte Rechtsfolge, die das Gesetz anordnet. Daraus müssen Sie nun noch die konkrete Folge ableiten, die das für Chantal hat (und die deren Frage beantwortet). Das nennt sich dann Rechtsfolgenkonkretisierung. Das ist hier ziemlich einfach. Sie können dann gleich die Antwort geben:
»Wenn das herauskommt, stecken sie dich für mindestens fünf Jahre in den Knast!«
Damit haben Sie dann Chantals Rechtsfrage beantwortet und den Fall gelöst. In Kapitel 3 können Sie das noch wesentlich genauer nachlesen.
Wenn Sie Ihre Kaffeelöffel finden wollen, brauchen Sie in der Küche Ordnung. Wenn Sie die Rechtsnorm finden wollen, die Ihren Fall löst, brauchen Sie unter den Rechtsnormen Ordnung. Diese Ordnung nennt sich Rechtsordnung. Der Teil der Methodenlehre, der sich hiermit beschäftigt, nennt sich Rechtsquellenlehre.
Wasser fließt aus der Quelle. Rechtsnormen fließen aus einer Rechtsquelle. Was da nicht herkommt, ist auch keine Rechtsnorm. Rechtsquellen gibt es nur zwei. Dementsprechend gibt es auch nur zwei Sorten von Recht:
Die Fähigkeit, Rechtsnormen zu erlassen, gehört zur staatlichen Souveränität. Alles Recht ist daher erst einmal staatliches Recht. Staaten können sich aber auch durch Verträge verpflichten, bestimmte Regeln anzuerkennen. Das ist dann zwischenstaatliches Recht. Schließlich können Staaten sich auch noch darauf verständigen, Teile ihrer Gesetzgebungskompetenz an überstaatliche Institutionen abzugeben. So entsteht überstaatliches Recht, wie zum Beispiel die Verordnungen der Europäischen Union.
Mehr zur Rechtsquellenlehre finden Sie in Kapitel 4.
Bevor Sie eine Norm anwenden, müssen Sie prüfen, ob sie überhaupt für Ihren Fall gedacht ist. Dazu müssen Sie ihren Geltungs- und ihren Anwendungsbereich prüfen. Der kann in drei Ebenen eingeschränkt sein:
Eine Norm, die gegen höherrangiges Recht verstößt, gilt überhaupt nicht, denn dieses hat Geltungsvorrang. Aber auch wenn mehrere Normen gleichrangig sind, kann eine von ihnen Anwendungsvorrang vor der anderen genießen. Dann gelten zwar beide, aber nur eine ist auf Ihren Fall anwendbar.
Geltungsvorrang haben:
Anwendungsvorrang haben speziellere vor allgemeineren Regelungen.
Einzelheiten zum Geltungs- und Anwendungsbereich lesen Sie in Kapitel 5.
Wie jede vollständige Rechtsnorm aussieht, steht schon weiter vorn in diesem Kapitel. Sie sagt: »Wenn [Tatbestand], dann [Rechtsfolge].« Das Gesetz ist aber außerdem voll von unvollständigen Rechtsnormen. Keine von ihnen gibt selbst irgendeine Antwort auf Ihre Rechtsfrage. Sie sind aber Hilfsmittel auf dem Weg zur Antwort. An solchen Hilfsnormen gibt es:
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