II. Die Rückführung der Vielheit auf eine Einheit
Die Hintergehbarkeit des Unhintergehbaren - Die Frage nach einem Vorher überhaupt - Das begründende Moment für eine Rückführung: Jede Veränderung des Vielen führt zu einer Vermehrung dieses Vielen - Im Umkehrschluss: Jedem Vielen vorhergehend war stets weniger Vieles - Also: Dem Vielen überhaupt vorhergehend war nur Eines
A: Wir haben mit der "Grunderfahrung" und dem darin verankerten "Existenzpostulat" den erkenntnistheoretischen Anfang in unserer Untersuchung der "Welt" bestimmt, unserer Suche nach ihrem metaphysischen Anfang und nach einem "ersten Prinzip" für alles überhaupt. Aber warum suchen wir eigentlich noch weiter und nehmen nicht diesen unhintergehbaren Anfang in der Erkenntnis ebenso auch schon als den Anfang in der Sache und betrachten nicht die darin erfahrene Vielheit des Verschiedenen beziehungsweise Existierenden bereits als das gesuchte erste Prinzip? Geht doch aus diesem Vielen offenbar irgendwie immer alles ebenso Viele hervor und bleibt dennoch weiterhin immer ebenso Vieles. Wir wollten das "erste Prinzip" ja genau so verstehen: als alles erzeugend und bestimmend. Jedoch wäre allein das Viele Verschiedene Existierende dafür noch ebenso nichtssagend wie ungenügend. Nichtssagend wäre es offensichtlich, allein zum Prinzip zu erklären: "Vieles ist Vieles, wird nur Vieles und bleibt immer Vieles". Ungenügend wäre dies ebenso offensichtlich, da das bereits im Ausgang Viele selbst, damit ja gar nicht erfasst würde, mithin alles in der Grunderfahrung beziehungsweise alles in der "Welt" nicht von diesem Prinzip erfasst würde, was doch gerade ein ausdrückliches Erklärungsziel ist und sicherlich die Aufgabe eines ersten Prinzips. Selbst wenn es uns jetzt schon irgendwie gelänge, das Viele Verschiedene der Grunderfahrung, die "Welt", auch als Eines zu verstehen, wenngleich, da unmöglich als verschiedenes Eines, nicht als existierendes Eines, dies das Viele bestenfalls in seinem aktuellen Zusammenhang erfassen, aber nicht als aus einem gemeinsamen Ursprung heraus erst entstanden erklären würde. Innerhalb der Grunderfahrung werden wir so ein erstes Prinzip schwerlich auffinden. Ein solches Prinzip, wenn es denn überhaupt auffindbar ist, müssen wir damit als der Grunderfahrung bereits irgendwie vorhergehend verstehen.
B: Wir haben die Grunderfahrung aber doch ausdrücklich als unhintergehbar bestimmt. Widerspricht ein wie auch immer der Grunderfahrung "vorhergehen" dieser Forderung nicht?
A: Also stellt sich als Erstes die Frage: dürfen wir das überhaupt? Und wenn ja, wie gehen wir dabei vor? Oder müssen wir unser Projekt hier schon beenden und die Idee von einem "ersten Prinzip" für gescheitert erklären? - Ob wir das formal gesehen überhaupt dürfen, fragt genauer danach: ob wir die Grunderfahrung nicht unzulässigerweise hintergehen, wenn wir etwas ihr noch Zugrundeliegendes behaupten? Wir hatten ja festgestellt, dass der Grunderfahrung gewissermaßen kein Verschiedenes entkommen kann, sondern sich ausnahmslos alles innerhalb dieser befindet, genau so, wie wir das Verschiedene unterscheiden. Und nun zum Auffinden eines "ersten Prinzips", mit und aus dem alles Viele Verschiedene einer Grunderfahrung erst hervorgehen soll, überhaupt etwas außerhalb der Grunderfahrung zu behaupten, steht doch in scheinbar offensichtlichem Widerspruch dazu. - Gemäß unserer Bestimmung der Grunderfahrung im ersten Schritt allein widersprüchlich ist es aber lediglich auszusagen: etwas Unterschiedenes sei nicht in genau gleichem Sinne ebenso auch Verschiedenes, oder etwas Verschiedenes sei nicht in genau gleichem Sinne ebenso auch Unterschiedenes. Alles darin Widerspruchsfreie ist dagegen erlaubt auszusagen! Etwa außerhalb der Grunderfahrung wie auch immer nicht Verschiedenes, also außerhalb der Grunderfahrung dieser vorhergehend nicht mehr Verschiedenes oder dieser nachfolgend noch nicht Verschiedenes. - Wir regeln dieserart Überschreitungen von innerhalb nach außerhalb der Grunderfahrung, ohne diese dabei aber zu verlassen, untersuchungstechnisch einfach über Begriffe auf einer innerhalb der Grunderfahrung gelegen verstandenen "Beschreibungsebene", wobei das mit diesen Begriffen unterschiedene Begriffene, nur soweit es in diesen unterschieden ist, innerhalb der Grunderfahrung liegen muss, aber soweit es gar nicht unterschieden ist, auch nicht innerhalb der Grunderfahrung liegen muss, ja gar nicht liegen darf!
B: Widerspricht aber nicht genau das dem "Argument der Unhintergehbarkeit", etwas wie auch immer nicht Verschiedenes willkürlich von unserem Erfahren auszuschließen, weil wir dieses damit zugleich im genau angegebenen Sinne ja gerade als etwas Verschiedenes unterscheiden?
A: Ganz im Gegenteil erlaubt uns das "Unhintergehbarkeitsargument" ausdrücklich genau dieses! Darin heißt es ja, dass wir etwas nicht aus der Grunderfahrung ausschließen dürfen, genauso wie wir dieses unterscheiden. Was umgekehrt heißt, dass wir das aus der Grunderfahrung ausschließen dürfen, ja müssen, was wir eben nicht beziehungsweise noch nicht oder nicht mehr unterscheiden, etwa wie auch immer vorhergehend Verschiedenes, also nicht mehr Verschiedenes, welches wir innerhalb der Grunderfahrung eben begrifflich genauso unterscheiden. - Die tieferliegende Frage, wie wir dies überhaupt können, nicht Verschiedenes, mithin ja nicht Existierendes, dennoch irgendwie begrifflich zu erfassen, wollen wir in dieser Herleitung beiseitelassen, was wir auch dürfen, zum einen mit dem pragmatischen Hinweis, dass es ja ganz offensichtlich wie auch immer widerspruchsfrei funktioniert, eben so zu verfahren, wie wir verfahren, und zum anderen, weil es uns an dieser Stelle ja allein darum geht, für unsere beabsichtigte "Rückführung" zu zeigen: Aussagen über die Grunderfahrung hinaus verstoßen nicht grundsätzlich gegen das Unhintergehbarkeitsargument! - Nochmals mit vielleicht einfacheren Worten: Was wir nicht unterscheiden können, müssen wir auch nicht unterscheiden! Nicht unterscheiden können wir nicht Verschiedenes beziehungsweise noch nicht Verschiedenes oder nicht mehr Verschiedenes. Damit müssen wir solches auch nicht als etwas innerhalb der Grunderfahrung Verschiedenes verstehen. Es ist dagegen zulässig, wie auch immer nicht Verschiedenes außerhalb der Grunderfahrung, innerhalb der Grunderfahrung begrifflich zu unterscheiden, ohne dass damit nicht erfahrbar Verschiedenes als solches unterschieden oder erfahrbares Verschiedenes nicht unterschieden wird. Womit wir auf diese Weise Aussagen für außerhalb der Grunderfahrung grundsätzlich machen dürfen, ohne in Widerspruch zum Unhintergehbarkeitsargument zu geraten. - Dass wir dies formal dürfen, heißt für unser besonderes Anliegen, ein erstes Prinzip aufzufinden, aus dem das Viele Verschiedene der Grunderfahrung hervorgegangen ist, zunächst aber lediglich, dass die Annahme, der Grunderfahrung ginge noch irgendetwas voraus, nicht notwendig in einem logischen beziehungsweise ontologischen Widerspruch zur Grunderfahrung selbst steht. Es heißt noch nicht, dass wir dies auch begründen können, dass wir aus der Grunderfahrung heraus irgendwie auf etwas dieser Vorhergehendes schließen können, und auch nicht, dass der Grunderfahrung überhaupt irgendetwas vorhergegangen ist. Dafür werden wir nun etwas aufwendiger argumentieren müssen.
C: Wenn wir das Viele der Grunderfahrung auf etwas Eines zurückführen wollen und dies auch dürfen, wieso setzen wir dann nicht einfach wie auch immer Eines als dem Vielen vorhergehend, gehen gleich zum dritten Untersuchungsschritt über und schauen, ob es so passt? Es läuft doch offensichtlich alles sowieso genau darauf hinaus. Denn auf wie auch immer Vorhergehendes vom Nachfolgenden her und zwingend zu schließen, dürfte, ohne einen dafür bereits schon vorliegenden theoretischen Unterbau, sowieso unmöglich sein.
A: Ein Einwand, schon bevor ich die Grundidee der Rückführung des Vielen auf Eines überhaupt vorgestellt habe? Also gut: Es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass wir, ohne schon irgendeine "Vorhertheorie" zu besitzen, für die angestrebte Rückführung des Vielen auf Eines auch kein dem Vielen der Grunderfahrung "Vorher überhaupt" voraussetzen dürfen. Doch wird sich zum einen zeigen, dass die Annahme eines "Vorher überhaupt", dem Vielen Verschiedenen der Grunderfahrung vorangehend, die einzige zusätzliche Annahme bleibt, um ein dem Vielen der Grunderfahrung zugrundeliegendes Eines sowie ein dann aus dem besonderen Verhältnis des Einen gegenüber dem Vielen hervorgehendes erstes Prinzip abzuleiten, eine Annahme, die uns zudem höchst plausibel sein wird, denn sie zurückzuweisen fällt uns ungleich schwerer, als ihr zuzustimmen, und wird sich zum anderen vor allem zeigen, dass wir für die Herleitung und die Gültigkeit des ersten Prinzips als solchem sogar noch nicht einmal die Annahme eines "Vorher überhaupt" benötigen, sondern es schon hinreicht, die Möglichkeit eines "Vorher überhaupt" umgekehrt auch nicht ausschließen zu können.
C: Also ersparen wir uns eine genauere Diskussion darüber?
A: Das sollten wir nicht. Denn die Überzeugungskraft für die Begründung eines solchen "Vorher...