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»In London everyone is different, and that means anyone can fit in.«
Paddington Bear
Das Schreiben über London ist wie das Leben in dieser Stadt. Beides bewegt sich zwischen Mühsal und Magie. Und manchmal kommt noch Verzweiflung dazu.
Als ich mit der Arbeit an diesem Buch begann, hielt ich eine Lesereise zu meiner Heimat für ein dankbares Vorhaben. London ist eine Schatztruhe an Geschichten und voller faszinierender Figuren. Die Stadt ist ohne Zweifel ein Geschenk für jeden Erzähler.
Aber bald wurde mir klar: Der Versuch, diese Metropole ganz zu durchdringen, ist nicht nur mühselig. Dieser Versuch muss auch scheitern. Und an einer Antwort auf die Frage, wie diese Stadt eigentlich tickt, verzweifle ich bald jeden Tag aufs Neue.
Denn ein London gibt es ja nicht. Sondern viele.
London ist die bunte Kosmopolis, in der die Welt zu Hause ist. Die Stadt der Büros und Bücher, der Parks und pubs, der Theater und Clubs. London ist Shakespeare und The Clash, Adele und Stormzy, Britpop und Grime, der Rap der afro-karibischen Community. Ein Spielplatz der Kreativen, eine Bühne für komische und tragische Helden - Hauptsache Spektakel.
London ist ein Schaufenster, in dem alles zum Verkauf steht. Eine schamlos gierige Stadt, die auf Geldströmen schwimmt und Luxus und Laster liebt, aber auch Hoch- und Populärkultur. Die Händel und Hendrix zu Weltstars formte. Die gerne auf James Bond macht, aber noch lieber auf Paddington Bear. Eine Heimat für die bunte Queer-Community und ein Refugium erzkonservativer Aristokraten.
London ist die Welthauptstadt des Fußballs (Wembley), des Tennis (Wimbledon), des Crickets (Lord's) und des Rugby (Twickenham). Ein Sehnsuchtsort für Kneipensportler (Darts-WM), Kleingärtnerinnen (Chelsea Flower Show) und Feinschmecker (Borough Market).
Und natürlich ist London Weihestätte für Kings und Queens.
Eine Stadt, die sehr englisch ist und total antinationalistisch. Die allzu oft verklärt auf ihre Geschichte schaut, aber noch lieber in ihrem Melting-Pot das nächste große Ding zusammenbraut: einen Song, ein Kunstwerk, einen Star, eine Technologie oder einfach nur einen Hype? Egal was es ist, es wird die Welt aufhorchen lassen.
Keine andere Stadt vereint die Zwillinge Tradition und Zeitgeist mit so viel Eleganz und Lässigkeit. Auch deshalb ist London der Inbegriff von Prestige.
Schon vor rund dreihundert Jahren fühlte sich der Londoner Daniel Defoe, der Autor des »Robinson Crusoe«, von seiner Heimatstadt überwältigt, als er seufzte: »That great and monstrous thing called London.« Ja, dieses Monstrum, dieses Ungeheuer einer Stadt, ist beides: groß und großartig.
Londons Energie glüht im Industrie-Klinker der Tate Modern, im scheinbar unzerstörbaren Sandstein von St.Paul's Cathedral und in den Glasfassaden der Bürotürme der City. Sie springt auf die Menschen über, die rastlos wie der Märzhase in »Alice's Adventures in Wonderland« durch eine Stadt hasten, deren Wahrzeichen die Uhr und der Glockenschlag von Big Ben ist. Keine Zeit, immer weiter, see you later!
London ist keine Wohlfühlstadt, es ist eine Metropole für Fortgeschrittene. Was genau macht sie so faszinierend? Das werde ich oft gefragt. Und eine einfache Antwort gibt es nicht. Denn meine Liebe - jede Liebe - zu London ist voller Widersprüche. Ist es überhaupt eine Liebe?
Seit zehn Jahren ist London mein Zuhause. Als Korrespondent schreibe ich jeden Tag über Londoner und Londonerinnen, über das, was sie antreibt und bewegt, was sie erschaffen und welche Widerstände sie dabei überwinden. Von diesen Menschen und den magischen Momenten, den Überraschungen und Inspirationen, die das Leben und das Überleben in London bringen, handelt dieses Buch.
Meine Arbeit als Journalist erlaubt mir, viele Orte und Kulturen zwischen Europa, Amerika, Asien und Afrika zu erkunden. Nur in London habe ich das Gefühl: Hier verschmilzt alles. Hier liegt die einzige Weltstadt, die sich tatsächlich so nennen darf.
Erstmals wohnte ich Mitte der zweitausender Jahre in London, ich hatte mich für einen Masterstudiengang in Journalismus und Fotografie an der University of Westminster eingeschrieben. Den Sound der City prägte damals die Musik der stimmgewaltigen und zerbrechlichen Amy Winehouse. Wobei ich den Hip-Hopper Mike Skinner mit dem Künstlernamen The Streets eigentlich lieber mochte. Dessen lässigen Akzent hielt ich für Cockney, dass es sich um Brummie handelt, den Slang von Birmingham, konnte ich noch nicht wissen.
Ich zog mit meiner Freundin in eine Einzimmerwohnung am Cricklewood Broadway, in einem Viertel im Nordwesten der Stadt, geprägt von Einwanderern aus Irland und Nigeria. Unser Zimmer mit schmaler Küche und winzigem Badezimmer lag über einem Eckkiosk mit Blick auf die High Street, über die jede zweite Minute ein roter Bus bretterte.
Im nigerianischen Restaurant »The Den« gegenüber spürte ich erstmals die Faszination des Melting-Pots. Der immer volle, schwitzige Laden erinnerte an eine Diskothek in Lagos. Das Publikum: Frauen in Glitzerkleidern und mächtigem Goldschmuck und hünenhafte Kerle, die trotz des Zwielichts ihre dicken Sonnenbrillen niemals ablegten. Die Kellner balancierten Silbertabletts über die Köpfe der tanzenden Meute, auf denen Fische lagen, die von Kopf bis Gräte frittiert waren. Und deren Säfte es mit dem säuerlichen Yamswurzelbrei Fufu aufzutunken galt. Fish and chips nach Art des Melting-Pots. Enjoy!
Am ersten Tag des Monats klopfte unser indischer Vermieter Jack an die schmächtige Eingangstür. Der landlord trieb die Miete in cash ein. Und als er meine Kameraausrüstung sah, gab er mir gleich meinen ersten Auftrag als Reporter in London: Ich sollte die prachtvolle Hochzeit seiner Tochter dokumentieren. Ich war derart von dem mit Schmuck behangenen Bollywood-Brautpaar fasziniert, dass ich mit einem Teller Linsen-Dal als Honorar schon zufrieden war. Dabei hätte ich doch mindestens drei Monatsmieten in Rechnung stellen müssen. Was Jack längst verinnerlicht hatte, musste ich mir erst noch aneignen: den knallharten Geschäftssinn des Londoners.
Nach dem Studium verließ ich die Metropole, arbeitete einige Jahre als Zeitungsredakteur in München und Berlin, bis mich die Sehnsucht nach der Freundin in London und die Magie des Melting-Pots zurück an die Themse trieb. Ich hatte meine Stelle bei einem großen deutschen Verlag gekündigt und die verwegene Idee, einfach mal als freier Journalist durchzustarten.
Die Stadt ist eng, aber für Träume, egal wie groß sie sind, hat sie immer Platz. Heute ist London mein Zuhause und die Heimat meiner Familie. Die Stadt begegnet mir zum Glück öfter als freundlicher Paddington Bear statt als Ungeheuer. Eine Herausforderung ist das Leben hier aber nach wie vor. Zur Ruhe kommt man nie.
In London leben rund zweihundertneunzig ethnische Gruppen und Nationalitäten auf engstem Raum. Neun Millionen Menschen beweisen jeden Tag - trotz oder gerade wegen ihrer kulturellen Unterschiede - eine bewundernswerte Offenheit und Toleranz. Die Hälfte der Bevölkerung ist unter fünfunddreißig Jahre alt. Das macht London zur jüngsten Hauptstadt Europas. Rund vierzig Prozent der Stadtbevölkerung wurden nicht in der Stadt geboren.
Neben zwanzig Millionen Besuchern, die jedes Jahr nach London reisen, strömen jeden Tag Tausende Glücksritter durch die Ankunftsterminals der Flughäfen Stansted, Gatwick, City, Heathrow oder Luton. Nicht alle Neuankömmlinge führt der Weg in den Karriereaufzug eines Bankenturms in Canary Wharf oder in den Sattel eines Fintech-Einhorns in Shoreditch.
Manche finden sich im Maschinenraum der Gig Economy wieder. Oder auf einer Großbaustelle, wo sie das Profitstreben der Immobilienentwickler vertikal in den Himmel stapeln. Dieser Himmel leuchtet übrigens viel öfter sonnig, als das Klischee weismachen will.
Was die meisten dieser Menschen verbindet: Sie nehmen ihr Schicksal in die Hand. Und sehen die Stadt als Marktplatz der Möglichkeiten. Was der englische Poet William Ernest Henley schrieb, könnte ihr Motto sein, es könnte auch Londons Optimismus, Unternehmergeist und Resilienz erklären: »I am the master of my fate, I am the captain of my soul.« Lyrischer kann ein Bekenntnis zu Freiheit und Selbstverwirklichung nicht sein.
»In anderen Städten müssen viele Jahre vergehen, bis ein Ausländer aufgenommen wird; in London dauert es einige Monate«, schreibt der Historiker Peter Ackroyd in seinem Werk »London: A Biography«. Auch habe sich die Metropole in ihrer Geschichte meist friedlich gewandelt. Selten erlebte sie blutige Revolten oder ausufernde Gewalt.
Die Katastrophen kamen meist von außen (der Blitz im Zweiten Weltkrieg) oder waren einer höheren Gewalt geschuldet (das...
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