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"Gott mit dir" - Zur Geschichte des Bayernliedes
Für Bayern
von Michael Öchsner
Gott mit dir, du Land der Bayern,
Deutsche Erde, Vaterland!
Ueber deinen weiten Gauen
Ruhe Seine Segenshand!
Er behüte deine Fluren
Schirme deiner Städte Bau
Und erhalte dir die Farben
Seines Himmels - Weiß und Blau!
Gott mit uns, dem Bayernvolke,
Daß wir, uns'rer Väter werth,
Fest in Eintracht und in Frieden
Bauen uns'res Glückes Herd;
Daß mit Deutschlands Bruderstämmen
Einig uns der Gegner schau',
Und den alten Ruhm bewähre
Unser Banner - Weiß und Blau!
Gott mit Ihm, dem Bayernkönig!
Segen über Sein Geschlecht!
Denn mit Seinem Volk in Frieden
Wahrt Er dessen heilig Recht.
Gott mit Ihm, dem Landesvater!
Gott mit uns in jedem Gau,
Deutsche Heimath - Weiß und Blau!
Neidvoll blicken stammesbewusste Angehörige deutscher Bruderländer auf uns autochthone Bayern, die wir in einem Freistaat leben und bei besonderen Gelegenheiten eine ganz besondere Landeshymne anstimmen dürfen. Ein bisschen Stolz darf deshalb in unserem schmucken Bayernland schon aufkommen, wenngleich das "Bayernlied", das schon 1860 entstanden ist, erst 1966 offiziell zur Landeshymne erhoben wurde.
Mit Leichtigkeit könnte man ein weiß-blaues Trauerspiel über die Geschichte dieses Liedes verfassen, denn sogar exponierte Landespolitiker - und nicht nur solche, die den rot-weißen Rechen gleichberechtigt neben die weiß-blauen Rauten stellen möchten - kennen die Herkunft dieser Hymne nicht oder nur rudimentär. Mancherorts wird dieses Lied zudem nur mit schmaler Brust gesungen, wenn ein offizieller Anlass das Sich-Erheben aus Regierungssesseln oder von Bierbänken erfordert, um den bayerischen Staatsgesang zu intonieren. Vor allem in nordbayerischen Gauen mangelt es zuweilen an der sängerischen Inbrunst, die sonst überall auf der Welt aufflammt, wenn Einheimische ihr National- oder gar Regionallied anstimmen.
1858 stand in München das 700-jährige Stadtgründungsjubiläum an und Maximilian II. Joseph wünschte sich sehnlichst eine neue Hymne, nachdem es sich bei der alten um eine mehrfach gebrauchte Entlehnung handelte: Schon 1805 huldigte man nämlich seinem Großvater Maximilian I. Joseph mit derjenigen Melodie, die der englischen Nationalhymne ("God save the King") unterlegt ist. Der nämlichen Tonführung bedienten sich auch die an und für sich kulturell eigenständigen und sangesfreudigen Österreicher, die schon seit 1784 ihrem Monarchen mit "Heil, Kaiser Joseph, Heil!" huldigten. Als Bayern 1806 Königreich geworden war, sang man hierzulande schlicht "Heil, unserm König, Heil!" auf die altbekannte Melodie. In späterer Zeit jedoch, in der ein modernes bayerisches Nationalgefühl erwachte, wurde der Ruf nach einem bayerisch-patriotischen Hymnus lauter.
König Maximilian II. Joseph griff 1858 diesbezüglich eine Idee auf, die aus dem Jahre 1852 stammte: Alle bayerischen Poeten, die sich ein gewisses dichterisches Renommee erworben hatten, sollten höchstgnädig und namentlich zur Teilnahme an einem Wettbewerb ermuntert werden, um den Schöpfer des besten bayerischen Volks- und Weihegesangs zu ermitteln. Eine Revolutionshymne oder gar ein emanzipatorisches Kampflied, wie die "Marseillaise" in Frankreich, durfte es natürlich nicht werden: eher etwas Choralartiges, das den Herrscher wohlwollend überdichtete und kunstfertig umspielte.
Unter den animierten Dichtern war auch der Lehrer Michael Öchsner (1816-1893). Es spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass er bei dieser Gelegenheit sein dichterisches Genie bemühte und ein getragenes Lied "Für Bayern" niederschrieb. Insbesondere die dritte Strophe verweist direkt auf den königlichen Auftraggeber, wenn es dort heißt:
"Gott mit Ihm, dem Bayernkönig,
Wahrt Er dessen heilig Recht."
Fast wörtlich taucht in dieser sogenannten Königsstrophe das Motto von Maximilian II. Joseph auf: "Ich will Frieden haben mit meinem Volk!" Deutlich wollte sich dieser arbeitsame Monarch von seinem Vater, Ludwig I., absetzen, der als autokratischer Fürst zum Feindbild der Münchener Akademiker und als verschwenderischer Auftraggeber teurer Kunstwerke und zügelloser Liebhaber schöner Frauen zur Reizfigur der Münchener Bürgerschaft geworden war.
Etwas überraschend erscheint auf den ersten Blick, dass Öchsner 1858 seinen Text gar nicht einreichte, sondern in einer Schublade versteckte. Vielleicht sah er für seine Schöpfung nur geringe Chancen, nachdem der anerkannte Münchener Generalmusikdirektor, der aus Rain am Lech stammende Franz Lachner, mit seinem "Bayern, oh Heimatland" ein eindeutig favorisiertes Opus vorlegte. Aber keines der neu entstandenen Lieder fand die Gunst des Monarchen bzw. jenes fachkundigen Gremiums, das die Bewertung vornahm. So blieb Bayern noch für viele Jahrzehnte hymnenlos.
Michael Öchsner wurde als echtes Münchener Kindl 1816 geboren. Ab 1841 verdiente er seine Brötchen als Volksschullehrer und war als solcher in kulturellen Angelegenheiten über die Schule hinaus gesellschaftlich aktiv, wie sich das für eine Lehrkraft seinerzeit gehörte. Mit der Herausgabe von Lesebüchern machte er sich einen guten Namen unter seinen Kollegen. Auch eine Sammlung von kernigen patriotischen Liedern unter dem Titel "Liebe und Ehrfurcht zu König und Vaterland" bezeugt seine grundsätzlich königstreue Gesinnung. Dass er gerade über Otto, den ersten Wittelsbacher-Herzog in Bayern, anerkennende Reime verfasste, zeigt Öchsners Hang zur Reichstreue, hatte sich doch jener Otto schon 1155 als treuer Parteigänger der Reichsidee erwiesen, indem er Kaiser Friedrich Barbarossa mit einer tollkühnen Aktion bei der Veroneser Klause vor einem Desaster bewahrte. Ein nationaler Hitzkopf ist Öchsner nicht gewesen, doch war diesem deutsch denkenden Pädagogen auch jede allzu bayerisch-partikularistische Eigenbrötelei zuwider. Nicht von ungefähr lautet das Original des zweiten Verses seines Bayernliedes "Deutsche Erde, Vaterland".
Es sei nicht verschwiegen, dass Öchsner auch mit kritischen Artikeln zur bayerischen Schulpolitik in einer von ihm selbst edierten Schulzeitung hervortrat. Ihm waren die unzureichenden Zustände im Schulwesen bestens bekannt, doch wollte man das an verantwortlichen Stellen nicht gerne hören. So verbot man Öchsner kurzerhand die Herausgabe seiner Schulzeitung. Dass er aus diesem Grund sein Lied "Für Bayern" beim Wettbewerb erst gar nicht anbot, ist plausibel, war er doch gerade in allerhöchste Ungnade gefallen.
Als rühriger Bildungsvermittler, anspruchsvoller Unterhalter und vielen musikalischen Ausdrucksformen gegenüber aufgeschlossener Zeitgenosse fand Öchsner in der Münchener Bürger-Sänger-Zunft eine geistige und gesellschaftliche Heimat. Noch viel später sahen es bayerisch-patriotische Nationalpersönlichkeiten wie Hans-Jochen Vogel, Hans Zehetmair oder Christian Ude als ehrenvolles Erbe und erhabenen Auftrag an, in dieser Zunft Mitglied zu sein. Die Gründung jener Gesellschaft geht auf das Jahr 1840 zurück. Die alten Handwerkszünfte, die generationenlang das öffentliche Wirtschaften reguliert hatten, wurden jetzt auf die Organisation "zünftiger" Geselligkeiten zurückgeworfen. Carl Stöhr, der freimütige Initiator und tonangebende Inspirator der Münchener Bürger-Sänger-Zunft, fand als Schuhmachermeister kein handwerksspezifisches Betätigungsfeld mehr und verlegte sich so auf die Sangeskultur, wobei er biographische Verwandtschaften mit dem legendären Nürnberger Verseschmied, Meistersinger und Schuhmacher Hans Sachs aus dem 16. Jahrhundert gerne anklingen ließ.
Das vereinsinterne Singen erfreute sich im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit und übte eine starke Anziehungskraft auf kulturbeflissene Bürger aus, die der gemeinschaftsbildenden Kraft des Chorgesangs frönten. Sie setzten bzw. stellten sich frohgestimmt unter dem Dirigat eines halbwegs Sachverständigen zusammen, um viele Lieder möglichst kunstvoll, natürlich mehrstimmig und sinnlich ergreifend vortragen zu können. Die Geselligkeit durfte bei den Zusammenkünften keineswegs zu kurz kommen. Es fehlte aber auch nicht an volkspädagogischem Impetus, wollte man doch den Menschen mittels Gesang "aus der Masse des ungebildeten Volkes" herausheben, wie das...
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