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Die SS - untrennbar ist diese Organisation mit der Ermordung der europäischen Juden, dem wohl größten Menschheitsverbrechen aller Zeiten verbunden. Kein Auto in Deutschland darf diese Buchstabenkombination im Nummernschild führen. Ihr altes Zeichen, die vermeintlich germanische doppelte «Sigrune», ist als verfassungsfeindliches Symbol verboten. Für Menschen auf der ganzen Welt ist Heinrich Himmlers «Orden unter dem Totenkopf» (Heinz Höhne) ein Synonym für das Böse schlechthin. In ihren Anfängen jedoch war Hitlers Schutzstaffel zunächst ein eher unscheinbares, beinahe «normales» Kind ihrer Zeit.
Denn als der Erste Weltkrieg 1918 mit der Niederlage der Mittelmächte endete, fiel die Aggressivität, die gegen die äußeren Feinde mobilisiert worden war, auf das politische Leben in Deutschland zurück. Auf die bewaffnete, aber alles in allem recht unblutige Novemberrevolution folgten seit Beginn des Jahres 1919 Umsturzversuche der radikalen Linken, als anstelle der von ihnen ersehnten sozialistischen Räterepublik eine liberale, parlamentarische Demokratie entstand. Die politisch vorwiegend rechtsstehenden Freikorps, die der Vorsitzende des Rats der Volksbeauftragten und spätere Reichspräsident, Friedrich Ebert, in dieser Situation zu Hilfe rief, schlugen diese Aufstände mit extremer Gewalt nieder.
Die hochgradige Militarisierung der deutschen Nachkriegsgesellschaft nahm zudem aufgrund einer «kompensatorischen Reaktion» (Hans Mommsen) auf die Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags weiter zu. Einerseits gab die Reichswehrführung zahlreiche Waffen an zivile Gruppierungen ab, um sie dem Zugriff der alliierten Rüstungskommissionen zu entziehen und sich inoffizielle Reserveeinheiten zu schaffen. Andererseits empfanden nicht wenige Deutsche, insbesondere Angehörige der Kriegsjugendgeneration, Bedauern über den Verlust des Militärdienstes als «Schule der Männlichkeit» bzw. «Schule der Nation». Entsprechend leicht waren sie für paramilitärische Organisationen zu begeistern. Nach der Auflösung der Soldatenräte und dem Verbot der Einwohnerwehren und Freikorps auf Druck der Siegermächte wurde eine Vielzahl von Wehr- und Selbstschutzverbänden jeder politischer Couleur gegründet: vom kommunistischen Rotfrontkämpferbund über das sozialdemokratisch geprägte Reichsbanner und den eher altkonservativen Stahlhelm bis hin zu rechtsextremen Gruppen wie der Organisation Consul oder dem Bund Oberland.
Die Tatsache, dass ausgerechnet die Nationalsozialisten nicht nur einen, sondern gleich zwei solcher Kampfbünde, die Sturmabteilung (SA) und die Schutzstaffel (SS), hervorbrachten, lag an mehreren Faktoren. Erstens war gerade in München, dem Geburtsort der NS-Bewegung, die post-revolutionäre Gewalt besonders ausgeprägt. Am 21. Februar 1919 ermordete der junge Graf Anton von Arco-Valley den Revolutionsführer Kurt Eisner. Am 7. April riefen daraufhin radikale Sozialisten um Ernst Toller und Erich Mühsam eine Räterepublik aus und stellten eine Rote Armee auf. Als diese Ende April, Anfang Mai von Freikorpstruppen unter der Führung Franz von Epps in die Enge gedrängt wurde, brachten die Revolutionäre einige bürgerliche Geiseln um. Die siegreichen Freikorps antworteten mit einer völlig unverhältnismäßigen Welle «weißen Terrors», der mehr als 300 Zivilisten zum Opfer fielen. In den folgenden Jahren gaben in München rechte Politiker wie Gustav von Kahr den Ton an und bemühten sich, Bayern zu einer «Ordnungszelle» gegen das aus ihrer Sicht allzu linke Berlin zu machen. Sie duldeten es, dass Epp und sein Stabschef Ernst Röhm aus der Reichswehr heraus gezielt das rechte paramilitärische Milieu aufrüsteten, was Röhm den Spitznamen des «Maschinengewehrkönigs» von Bayern einbrachte.
Zweitens war Adolf Hitler, der gescheiterte Kunstmaler und österreichische Emigrant, der seit 1919 als «Trommler» und seit 1920 als Vorsitzender der NSDAP agierte, ausgesprochen gewaltfixiert. Das lag zum einen an der für ihn prägenden vierjährigen Kriegserfahrung mit mehreren, teils schweren Verletzungen, zum anderen an seinem sozialdarwinistischen Weltbild. Für Hitler bedeutete Politik einen gnadenlosen Kampf auf Leben und Tod gegen den westlichen Liberalismus, den östlichen Bolschewismus, die von ihm befürchtete «rassische» Überfremdung Deutschlands, den vermeintlichen «Dolchstoß» der «Novemberverbrecher», den «Schandfrieden» von Versailles und letztlich gegen das Judentum, dem er all diese Übel zuschrieb.
Drittens war die seit 1920/21 bestehende Sturmabteilung als älterer und bei weitem größerer der beiden NS-Kampfbünde aus Hitlers Sicht latent unzuverlässig. Viele ihrer 1923 gut 4000 Mitglieder gehörten nicht nur ihr, sondern zugleich anderen rechten Wehrverbänden an. Zudem waren die Führungsfiguren der frühen SA - Röhm ebenso wie Hermann Göring - durchaus eigenwillig, ehrgeizig und nicht gewillt, sich dem militärisch viel rangniedrigeren Hitler so einfach unterzuordnen. Schließlich war die SA zur Vorbereitung eines von München ausgehenden «Marschs auf Berlin» in Dachverbände wie die Arbeitsgemeinschaft der vaterländischen Kampfverbände und den Deutschen Kampfbund eingebunden und somit dem direkten Zugriff Hitlers zumindest teilweise entzogen.
Um dieses Manko auszugleichen und wenigstens eine kleine Schlägertruppe zu seiner unmittelbaren Verfügung zu haben, gründete Hitler im März 1923 eine Stabswache, der er im Mai den martialischer klingenden Namen Stoßtrupp Hitler gab. Das Personal stammte aus der persönlichen Clique des Parteiführers der NSDAP. Figuren wie der Uhrmacher Emil Maurice, der Pferdeknecht Christian Weber, der städtische Angestellte Karl Fiehler und der beschäftigungslose Arbeiter Alois Rosenwink wurden angeführt von dem Schauspieler Julius Schreck bzw. dem Tabak- und Schreibwarenhändler Joseph Berchtold. Was sie einte, waren ihre stramm rechte Gesinnung, ihre Gewaltbereitschaft und ihre Gewalterfahrung. Maurice zum Beispiel hatte zuvor im Freikorps Oberland gedient, seine vier Brüder waren allesamt bei der SA. Schreck und Berchtold kamen aus der Brigade Ehrhardt, Berchtold hatte zudem als Leutnant schon im Ersten Weltkrieg Kommandoerfahrung gesammelt. Wie viele Männer genau zum Stoßtrupp gehörten, ist mangels Quellen nicht zu eruieren. Dagegen steht fest, dass der Stoßtrupp nach der Teilnahme am kläglich gescheiterten Hitler-Putsch vom 9. November 1923 verboten wurde. Insgesamt 38 seiner Mitglieder wurden wie Hitler vor Gericht gestellt und wegen Hochverrats bzw. Landfriedensbruchs verurteilt. Ihr Anführer Berchtold entzog sich seiner Strafe durch Flucht ins benachbarte Tirol.
Als Hitler, der schon im Dezember 1924 wieder aus der Haft entlassen worden war, im Februar 1925 seine Bewegung neu gründete, richtete er diese nach außen hin auf einen Legalitätskurs, also die Erringung der Macht mit gesetzeskonformen Mitteln aus. Auf das Instrument des politischen Kampfbunds wollte er dennoch nicht verzichten. Allerdings gestaltete sich die zugleich mit der Neugründung der NSDAP proklamierte Neuaufstellung der SA schwierig. Erstens war die Sturmabteilung noch immer in mehreren deutschen Ländern verboten. Zweitens war Röhm, der die «alten Kämpfer» der SA in Abwesenheit Hitlers unter der Tarnbezeichnung «Frontbann» gesammelt hatte, nicht bereit, sich Hitler und der Legalitätstaktik zu verschreiben, und trat am 1. Mai 1925 von allen politischen Ämtern zurück. Drittens waren die regionalen SA- und Parteigrößen wie Curt von Ulrich, Karl Dincklage, Viktor Lutze, Joseph Goebbels oder Gregor Straßer, die sich nun daran machten, die SA von unten neu aufzubauen, ebenso wenig gewillt, diese allein auf München und den «Führer» einzuschwören.
Wie schon 1923 griff Hitler erneut zu der Hilfskonstruktion, zunächst eine kleine, ihm ganz ergebene Gruppe aufzustellen, diesmal unter dem neuen, betont defensiv klingenden Namen «Schutzstaffel». Den Auftrag dazu erteilte er Julius Schreck. Dieser reaktivierte zunächst alte Stoßtruppler. Anschließend forderte er mit Rundschreiben vom 21. September 1925 alle Gau- und Ortsgruppenleiter der NSDAP dazu auf, Zehnerstaffeln zu bilden und diese der Münchner «Oberleitung» der SS zu unterstellen. Dieser Expansionsversuch scheiterte jedoch weitgehend, da beispielsweise der SA-Führer des Ruhrgebiets, Viktor Lutze, den Appell schlicht und einfach ignorierte. Selbst in München konnte sich die «Oberleitung» Schrecks nie durchsetzen und musste etwa die Gründung «wilder» Schutzstaffeln in den Ortsteilen Neuhausen und Schwabing hinnehmen. Im April 1926 übertrug Hitler daraufhin das SS-Projekt wieder an Berchtold, der nach der sogenannten Hindenburg-Amnestie ...
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