Schweitzer Fachinformationen
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Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Um Ihnen die Bearbeitung Ihrer arbeitsrechtlichen Klausuraufgaben zu erleichtern, erläutere ich Ihnen zunächst, wie Sie sinnvollerweise an Prüfungen herangehen und mit welcher Ausgangsfrage Sie Sachverhalt und Aufgabenstellung am besten erfassen. Zur Fallbearbeitung selbst bedienen Sie sich eines Fünf-Punkte-Plans, um das Dreigestirm der Anspruchsgrundlagen zu erfassen.
Die Klausuren der Rechtsvorlesungen bestehen in der Regel zu etwa der Hälfte bis zu zwei Dritteln aus der Lösung eines oder mehrerer Lebenssachverhalte (Fälle) und nur im Übrigen aus herkömmlichen Wissens- und Verständnisfragen. Die Wissens- und Verständnisfragen können - je nach Aufgabenstellung - stichwortartig, ausformuliert oder im Wege einer Multiple-Choice-Prüfung abgearbeitet werden. Regelmäßig macht Ihnen der jeweilige Dozent hierzu klare Vorgaben - falls er das vergessen sollte, fragen Sie ihn (sinnigerweise vor und nicht während der Prüfung)!
Besteht Ihre Aufgabe in der Lösung eines Falles, wird von Ihnen in der Regel ein sprachlich voll ausformuliertes Gutachten zu allen wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten des Falles erwartet.
Machen Sie sich bewusst, dass grundsätzlich alle im Fall (Sachverhalt) enthaltenen Informationen für die Lösung der Aufgabenstellung einer Rolle spielen - denn sonst wären diese im Sachverhalt nicht enthalten. Wenn Ihre Lösung also etliche Informationen des Sachverhalts nicht abgearbeitet hat, kann etwas nicht stimmen und Sie haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit etwas übersehen.
Meist hat die Lösung des Falles im sogenannten Gutachtenstil zu erfolgen, einer speziellen juristischen Arbeitstechnik. Das Beherrschen dieser Subsumtionstechnik unterscheidet Juristen von anderen Wissenschaftsdisziplinen und darauf sind sie natürlich besonders stolz. Wenn Sie nicht Jura, sondern BWL, VWL oder ein anderes Fach (aus den Wirtschaftswissenschaften) studieren, so sind die Rechtsdozenten mit ihren Anforderungen an Gutachtenstil und Subsumtionstechnik häufig etwas weniger streng. Grundzüge werden aber auch von diesen Studierenden erwartet und Sie werden gleich sehen, dass die Beherrschung des Gutachtenstils und der Subsumtionstechnik das Abarbeiten und Lösen juristischer Aufgabenstellungen ungemein erleichtert.
Rechtlich denkt man bei der Lösung von Aufgaben in sogenannten Ansprüchen ausgehend von der Frage wer will was von wem woraus.
Eine gesetzliche Definition des Begriffes Anspruch enthält §194 Abs.1 BGB: Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun (zum Beispiel Zahlung, Beschäftigung, Urlaubsgewährung) oder Unterlassen (zum Beispiel Diskriminierung) zu verlangen.
Wer ist die Frage nach dem Anspruchsteller, also der Person, die einen bestimmten Anspruch geltend machen und durchsetzen will.
Was ist die Frage nach dem konkreten Begehren des Anspruchstellers. Hier müssen Sie häufig die erste intellektuelle Hürde nehmen, denn das Was gibt Ihnen der Klausursachverhalt nicht immer eindeutig vor. Wenn dort steht, »Anton will Zahlung seines Arbeitsentgelts«, ist das Was eindeutig. Fehlt eine solche Eindeutigkeit, dann müssen Sie das Was danach bemessen, was den Interessen des Anspruchstellers vernünftigerweise entspricht. Ergibt sich also aus dem Sachverhalt, dass es zwischen den Parteien um die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses geht, dann kann das Was kein Begehren auf Schadensersatz sein.
Das Wem ist die Frage nach dem Anspruchsgegner, also der Person, von der der Anspruchsteller (Wer) etwas begehrt (Was). Das konkrete Begehren kann in einem Tun oder einem Unterlassen bestehen.
Die Frage nach dem Woraus ist der entscheidende und regelmäßig schwierigste Teil der Fünf-W-Frage. Hier geht es um die Anspruchsgrundlage, also um eine gesetzliche Bestimmung oder eine konkrete vertragliche Vereinbarung, nach der der Anspruchsteller (Wer) das Begehrte (Was) vom Anspruchsgegner (Wem) verlangen kann. Die Anspruchsgrundlage (Woraus) kann dabei in einem einzelnen Paragrafen zu finden sein oder aber in der Reihe von Paragrafen, einer sogenannten Paragrafenkette.
Lassen Sie sich nicht entmutigen: Anspruchsgrundlagen sind gar nicht so schwer zu finden und zum Glück auch zahlenmäßig überschaubar. Die wichtigsten für das Lösen arbeitsrechtlicher Fälle erforderlichen Anspruchsgrundlagen werden Sie auf den folgenden Seiten kennenlernen. Zudem sind Anspruchsgrundlagen regelmäßig wie folgt aufgebaut: Wenn bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, dann tritt die begehrte Rechtsfolge ein.
Lassen Sie uns die Fünf-W-Frage sogleich anhand eines konkreten Beispiels üben:
Arbeitnehmer Armin Arm wurde von seinem Arbeitgeber Gerd Gemein zurechtgewiesen, weil er die Abgabe eines wichtigen Angebotes trotz konkreter Terminvorgabe verbummelt hatte. Aus Wut über die Zurechtweisung schlägt Arm den Telefonhörer absichtlich so fest auf das im Eigentum des Gemein stehende Telefon, dass dieses funktionsunfähig ist. Gemein möchte den entstandenen Schaden (Kosten des Telefonapparats) von Arm ersetzt haben.
wer will was von wem woraus?
Gemein (wer) möchte von Arm (wem) Schadensersatz für das zerstörte Telefon (was).
Als Anspruchsgrundlage (woraus) kommt hier zunächst § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.
§ 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung(I) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Die Anspruchsgrundlage enthält explizit die vom Anspruchsteller (Gemein) begehrte Rechtsfolge Schadensersatz. Damit die Rechtsfolge Schadensersatz eintreten kann, müssen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 280 Abs. 1 vorliegen: Aus dem Wortlaut des Paragrafen lassen sich folgende vier Tatbestandsvoraussetzungen ableiten:
Schuldverhältnis
Zwischen dem Anspruchsteller (Gemein) und dem Anspruchsgegner (Arm) muss ein Schuldverhältnis bestehen, aufgrund dessen der Anspruchsteller als Gläubiger vom Anspruchsgegner als Schuldner eine Leistung fordern kann (§ 241 Abs. 1 BGB). Gemein kann aufgrund des bestehenden Arbeitsvertrages von Arm die vereinbarte Arbeitsleistung fordern.
Pflichtverletzung
Arm hat eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Er hat mit dem Eigentum seines Arbeitgebers und Vertragspartners Gemein sorgsam umzugehen und dieses nicht zu beschädigen oder zu zerstören (§ 241 Abs. 2 BGB).
Verschulden
Dies geschah auch schuldhaft, nämlich mit Absicht und damit vorsätzlich (§ 276 BGB).
Schaden
Schließlich ist dem Gemein dadurch auch ein Schaden entstanden.
Da alle Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, tritt nun die von der Anspruchsgrundlage angeordnete Rechtsfolge ein: Gemein kann von Arm Ersatz des entstandenen Schadens verlangen.
Sie sehen also, dass mit der Fünf -W-Frage »wer will was von wem woraus« eine systematische Herangehensweise an die Aufgabenstellung gesichert ist.
Gewöhnen Sie es sich von Anfang Ihrer juristischen Veranstaltungen an, rechtliche Probleme und Herausforderungen immer mit dieser Ausgangsfrage anzugehen und damit gezwungenermaßen strukturiert vorzugehen.
Wenn Sie sich zunächst die Fünf-W-Frage korrekt beantworten, müssen Sie »nur« noch eine Anspruchsgrundlage auffinden, die das Begehrte als Rechtsfolge enthält. Ist die Anspruchsgrundlage gefunden, gilt es, deren Tatbestandsvoraussetzungen eine nach der anderen abzuarbeiten. Die Beherrschung dieser Technik ist bereits ein großer Schritt für das erfolgreiche Bestehen juristischer Klausuren.
Da Sie nun mit der Systematik der Herangehensweise an juristische Klausuraufgaben vertraut sind, können wir uns der Hauptanforderung zuwenden, die von Ihnen in den Prüfungen erwartet wird: die Fallbearbeitung.
Um den Klausursachverhalt zu erfassen und einer passablen Lösung zuzuführen, hilft Ihnen der bewährte Fünf-Punkte-Plan zur Fallbearbeitung:
Schauen Sie sich diese fünf Punkte im Einzelnen an.
Wichtig ist zunächst das genaue Erfassen des Sachverhalts. Lesen Sie daher den Sachverhalt mehrfach (mindestens zweimal) konzentriert...
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