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Auf den ersten Blick sieht es ganz nach Krise aus. Assoziieren wir EuropäerInnen mit der Region schon seit jeher Dürre-Hunger-Not, so sind in den vergangenen Jahren vielerorts politische Konflikte und Risiken dazugekommen.
Lassen wir die Länder des Sahel im Schnelldurchlauf Revue passieren, eins nach dem anderen, von Ost nach West:
Eritrea befindet sich seit der Jahrtausendwende und dem damaligen verheerenden Grenzkrieg mit Äthiopien in einer Art innerem Ausnahmezustandes, als führte es nach wie vor Krieg. Das Land schottet sich weitgehend von der Welt ab, während das Nationaldienst genannte staatliche Zwangsarbeitssystem Flüchtlingsströme alimentiert. Im September 2018 ließ das überraschend mit Äthiopien unterzeichnete Friedensabkommen Hoffnung aufkeimen. Doch bevor es zu einem Aufbrechen der Isolation hätte kommen können, machte der im November 2020 begonnene Tigray-Bürgerkrieg, in den Asmara aufseiten von Addis Abeba involviert ist, diese Hoffnung wieder zunichte.
Auch der Sudan war lange Zeit international ein absoluter Paria, galt er unter Omar Al-Bashir, der sich 1989 an die Macht geputscht hatte, doch als Hort des Terrorismus. Die Abspaltung des erdölreichen Südsudan im Jahr 2011 bedeutete für das Land empfindliche ökonomische Einbußen. Das Streichen der Subventionen für Getreide und Elektrizität und die Abwertung der Landeswährung führten zu Preissteigerungen. Insbesondere die erhöhten Brotpreise lösten 2018 Proteste aus, die sich zu einer Massenbewegung ausweiteten und am 11. April 2019 zu einem Militärputsch gegen Al-Bashir führten. Das in der Folge mit der Protestbewegung ausgehandelte Abkommen zur Machtteilung zwischen Militärs und ZivilistInnen für eine mehrjährige Übergangszeit wurde allerdings durch einen abermaligen Militärputsch im Oktober 2021 außer Kraft gesetzt. Nunmehr ist der Sudan, der seit 2019 wieder zu einem Vollmitglied der internationalen Staatengemeinschaft geworden war, genauso geächtet wie unter Al-Bashir.
Diese Ächtung durch das Ausland hat der Tschad nie erfahren, obwohl er - trotz regelmäßig abgehaltener Wahlen - ohne Umschweife als Diktatur bezeichnet werden kann. Idriss Déby Itno war seit 1990 an der Macht. Wenn es unter ihm auch nicht zu den Exzessen seines Vorgängers Hissène Habré gekommen ist, so hat er Oppositionelle beileibe nicht mit Samthandschuhen angefasst. Von der Macht getrennt hat ihn erst sein Tod im April 2021, als er sich an die Front gegen eine Rebellenbewegung begab und einen Schuss abbekam. Was seine Nachfolge betrifft, wurde die Verfassung ignoriert: Es herrscht ein militärischer Übergangsrat unter dem Diktatorensohn Mahamat Idriss Déby Itno. Dass der Tschad es trotz dieses Putsches vermied, von der Afrikanischen Union suspendiert zu werden, war ein Kunststück, dessen Gelingen besonderen Umständen zu verdanken ist: Er ist seit der Unabhängigkeit ein treuer Partner Frankreichs, der Ex-Kolonialmacht, und spielt bei der Bekämpfung des Terrorismus über seine Grenzen hinaus eine wichtige Rolle.
Nigeria hebt sich von den anderen Sahel-Staaten ab: Es ist bevölkerungsmäßig viel größer und aufgrund seiner Erdöl-Produktion in Afrika eine Wirtschaftsmacht. Die Hauptstadt Abuja und die Wirtschaftsmetropole Lagos legen davon beredtes Zeugnis ab. Landesweit könnten aber die sozialen und ökonomischen Verhältnisse unterschiedlicher kaum sein und Nigeria leidet seit langem an Kriminalität und Unsicherheit. Das hat sich im letzten Jahrzehnt insbesondere im Norden (wo Nigeria am Sahel teilhat) verschärft - im Nordosten durch Boko Haram und im Nordwesten durch die sogenannten Banditen: Banden von Kriminellen, die sich durch brutale Überfälle auszeichnen und insbesondere durch Massenentführungen von SchülerInnen aufgefallen sind. Politische AnalytikerInnen malen mitunter die Möglichkeit einer Implosion Nigerias an die Wand, also eines völligen Zusammenbruchs von Recht und Ordnung. Das dürfte übertrieben sein, obschon zweifellos beträchtliche Teile des Staatsgebietes der staatlichen Kontrolle entglitten sind.
Der Niger hat sich über die letzten Jahre zum Liebkind der »satten Welt« und insbesondere Frankreichs entwickelt. Seit dem Militärputsch von 2010 - dem letzten einer ganzen Reihe von Staatsstreichen - hat das Land offenbar auf den demokratischen Weg zurückgefunden, auch wenn der Umgang mit der parlamentarischen und noch mehr mit der außerparlamentarischen Opposition teils sehr bedenklich ist. 2021 hat Mohamed Bazoum nach seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen die Macht übernommen und setzt scheint's nahtlos die Politik Mahamadou Issoufous fort. Der hatte sich brav in die von Paris geführte Anti-Terrorismus-Front eingereiht und das Land zudem zu einem Bollwerk gegen die Migration Richtung Europa aufgerüstet, was ihm insbesondere aus Berlin und Brüssel viel Lob und auch Unterstützung einbrachte. Nichtsdestotrotz leidet der Niger doppelt am Terrorismus: in seinem Südosten ist Boko Haram aktiv, im Westen hat er Teil an der von Islamischem Staat und al-Qaida heimgesuchten Zone der Drei Grenzen.
Die Attacken von Islamischem Staat und al-Qaida sind auch Burkina Fasos größtes Problem. Sie haben sich seit 2016 vom äußersten Norden (der sogenannten Region Sahel) in den Osten, den zentralen Norden und Nordwesten des Landes ausgeweitet. Eine immer weiter anschwellende Zahl von Binnenflüchtlingen - mittlerweile mehr als 7 % der Gesamtbevölkerung, deutlich über eineinhalb Millionen - stellt das Land vor erhebliche Herausforderungen. Weite Landstriche unterstehen de facto nicht mehr der Autorität der Zentralregierung. Dass er gegen den Terrorismus kein Mittel fand, zudem auch nicht besonders interessiert schien, eines zu finden, hat Roch Kaboré Anfang 2022 seinen Präsidententhron gekostet - auf den er gut sechs Jahre zuvor nach einem Volksaufstand gegen Langzeit-Diktator Blaise Compaoré und einem erfolgreich abgewehrten Putschversuch der alten Präsidialgarde gelangt war. Damals waren sehr viele voll der Hoffnung, dass sich alles zum Besseren wenden würde - und heute sehen sich die Militärs an der Spitze des Staates mit ähnlichen Hoffnungen konfrontiert, die angesichts der katastrophalen Sicherheitslage allerdings um vieles dringender geworden sind.
Mali leidet schon länger als Niger und Burkina am Terrorismus. Zehn Jahre ist es her, dass dort im Gefolge des durch NATO-Bombardements induzierten Zusammenbruchs Libyens islamistische Gruppen - zunächst an der Seite der um Autonomie kämpfenden Tuareg - ins Land drangen. Anfang 2013 wurde die Ex-Kolonialmacht Frankreich um militärische Hilfe ersucht. Deren Truppen gelang es, den islamistischen Vormarsch zu stoppen und den Westen und Süden des Landes inklusive der Hauptstadt Bamako für den malischen Staat zu bewahren. Doch gelang auch den exzellent ausgerüsteten Militärs der Ex-Kolonialmacht im inzwischen vergangenen Jahrzehnt kein entscheidender Sieg, stattdessen hat sich der Terrorismus (und mit ihm die französische Militärintervention) in die Nachbarländer Niger und Burkina ausgeweitet. Wie jüngst Afghanistan gezeigt hat, ist Terrorismus militärisch nicht zu besiegen. Zwei Staatsstreiche später - im August 2020 und im Mai 2021 - ist Bamako mit einem Großteil der Welt zerstritten - mit der regionalen ECOWAS-Gemeinschaft, weil die Militärs die zunächst versprochene Übergangszeit verlängert haben und mit Frankreich und Europa, weil russische Söldner an der Seite der malischen Militärs wirken und die französischen Truppen mehr oder weniger hinauskomplimentiert wurden. Die von der ECOWAS Mitte Jänner 2022 verhängten Wirtschaftssanktionen bringen für die malische Bevölkerung erhebliche Erschwernisse mit sich.
Früher als Mali war Mauretanien vom al-Aqmi-Terror betroffen. Das war in den späten 2000er Jahren. Doch seit 2011 ist es zu keiner Attacke mehr gekommen. Nouakchott verfolgt eine holistische, nicht nur auf das Militärische fokussierende Strategie, die auch anderswo nachzuahmen wäre. Allerdings könnte es sein, dass der durchschlagende Erfolg auf ein vor gut zehn Jahren geschlossenes Abkommen mit den islamistischen Gruppen zurückzuführen ist. Im Land herrscht politisch weitgehend Stabilität - der letzte Staatsstreich fand 2008 statt, der daraus hervorgegangene Staatschef Mohamed Ould Abdel Aziz ließ sich 2009 und 2014 durch Wahlen als Präsident bestätigen und übergab nach abermaligen Wahlen 2019 an Mohamed Ould Ghazouani. Mauretanien leidet aber an argen sozialen Problemen: Betroffen sind einerseits Frauen (die z. B. im Fall einer Vergewaltigung von offizieller Seite Schwierigkeiten bekommen, statt dass sie unterstützt würden), andererseits schwarze MauretanierInnen (vor allem im Süden des Landes) und SklavInnen - Mauretanien hat zwar als letztes Land der Welt die Sklaverei abgeschafft, bestraft werden staatlicherseits aber nicht diejenigen, die weiterhin Sklaverei betreiben, sondern AktivistInnen, die gegen den Fortbestand der Sklaverei agitieren.
Senegal ist neben Eritrea das einzige Sahel-Land, das nie einen Putsch erlebt hat. Im vom Kolonialismus deutlich früher als die meisten anderen Teile Afrikas betroffenen Land herrschen seit der Unabhängigkeit demokratische Verhältnisse. Zunächst unter dem frankophilen Dichterfürsten Senghor, dann unter Abdou Diouf und Abdoulaye Wade, nunmehr unter Macky Sall wurde stets ein Kurs gefahren, der Frankreich und anderen europäischen Mächten und den USA mehr oder...
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