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Ralf-Urs Giesen
Silikonelastomere finden mittlerweile in allen Bereichen Anwendung. Sie ersetzen mehr und mehr klassische Elastomere, die organisch oder thermoplastisch basiert sind. Dieses Kapitel soll Ihnen einen Einstieg in die besonderen Eigenschaften und den aktuellen Markt von Silikonkautschuken und -elastomeren geben.
Kunststoffe werden nach [1] in drei Gruppen eingeteilt (Bild 1.1). Die Thermoplaste bilden die erste Gruppe. Sie sind unvernetzt und können somit wieder aufgeschmolzen werden, dadurch sind sie auch plastisch verformbar. Grund hierfür sind lineare und verzweigte Polymerketten (Makromoleküle). Als Gegenteil können die Duroplaste als zweite Gruppe angesehen werden. Sie verfügen über eine starke chemische Vernetzung der Polymerketten. Duroplaste sind nicht plastisch
verformbar und somit auch nicht aufschmelzbar. Die dritte Gruppe sind die Elastomere. Elastomere sind grundsätzlich schwach vernetzt und haben ein gummielastisches Verhalten. Wenn die Vernetzung physikalisch ist, sprechen wir von thermoplastischen Elastomeren. Diese haben den Vorteil, dass sie wieder aufgeschmolzen werden können und damit plastisch verformbar und wiederverwendbar sind.
Da es in diesem Buch um die Verarbeitung von Silikonkautschuken zu Silikonelastomeren geht, die chemisch vernetzt sind, gehen wir bezüglich der Elastomere in diesem Teil stärker auf die Eigenschaften und deren grundsätzliche Verarbeitung ein.
Bild 1.1 Einteilung Kunststoffe in Anlehnung an [1]
Zuvor noch einige interessante Fakten zur Geschichte der Elastomere. Als Ausgangsstoff für die ersten Elastomere diente Milchsaft, der aus Kautschukbäumen gewonnen wurde. Dieser Milchsaft wird auch Latex genannt. Im Latex ist ein gummiartiger Stoff enthalten, den man Naturkautschuk nennt. Erstmals erwähnt wurde dieses Material anfangs des 16. Jahrhunderts. Seefahrer nutzten das Material, um Stoffe wasserdicht zu machen. Es dauerte aber bis zum Jahr 1839, bis Charles Goodyear die erste Vulkanisation von Naturkautschuk zum Elastomer gelang. Durch die Zugabe von Schwefel kam es zur Vernetzung der natürlich basierten Polymere im Naturkautschuk. 1844 wurde dieses Verfahren patentiert. Eine erste Anwendung wurde ein Jahr später durch den Schotten Thomson patentiert, es handelte sich um den Luftreifen. Die Idee Thomsons blieb aber lange Zeit ungenutzt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Idee von J. P. Dunlop und Edouard Michelin aufgegriffen und von nun an für Fahrzeuge jeglicher Art eingesetzt. Der Siegeszug des Gummis begann.
1911 wurde erstmals durch die Bayer-Werke synthetischer Kautschuk hergestellt. Es handelte sich hierbei um einen Methylkautschuk, der von Fritz Hofmann entwickelt wurde. Er diente im ersten Weltkrieg als Ersatz für Naturkautschuk. Der heute mit am häufigsten verwendete synthetische Kautschuk ist Styrol-Butadien Rubber (SBR), dieser wurde erstmals großtechnisch in den 40er-Jahren sowohl in den USA wie auch in Deutschland hergestellt. In diese Zeit fällt auch die Erfindung und Entwicklung der Silikonkautschuke und der Silikonelastomere. Dem deutschen Chemiker Richard Müller und dem Amerikaner Eugene R. Rochow gelang Anfang 1940 die Herstellung von Methylchlorosilanen aus Silicium und Chlormethan, dem Zwischenstoff zur Herstellung von Silikonkautschuken. 1943 gelang dann erstmals die Vulkanisation dieser Silane zu einem Silikonelastomer [2].
Nach dem Krieg begann dann DowCorning mit der Produktion von Silanen in den USA. Durch Lizenzen wurde dann zu Beginn der 50er-Jahre auch die Silanproduktion in Deutschland gestartet. In der Bundesrepublik Deutschland geschah das durch die Bayer-Werke und durch die Wacker Chemie in Burghausen. In der Deutschen Demokratischen Republik wurden Silane bei der VEB Silikon-Chemie Nünchritz hergestellt. Mit den Silanen konnten Polysiloxane (Silikone) hergestellt werden. Seit Mitte der 50er-Jahre werden somit Silikone als Öle, Fette, Harze und Elastomere eingesetzt. Bis Ende der 70er-Jahre verarbeitete man hauptsächlich heißvernetzende Festsilikonkautschuke (HCR) und raumtemperaturvernetzende Silikonkautschuke (RTV). Mit der immer besser werdenden Spritzgießtechnik kam 1979 der Flüssigsilikonkautschuk (LSR) zur Marktreife. Haftende Silikonkautschuke, vor allem für den Mehrkomponentenspritzguss, kamen Anfang der 90er-Jahre auf den Markt. Bis heute ist das Potenzial des Materials immer noch nicht ausgeschöpft. Neueste Entwicklungen der Materialhersteller sind Silikonkautschuke für optische Anwendungen, Flüssigsilikonkautschuke mit geringen flüchtigen Bestandteilen, Festsilikonkautschuke mit sehr gutem Dehnverhalten von bis zu 1500 % und Silikonkautschuke, die mit UV-Strahlung vernetzen.
Generell vereinen Elastomere bestimmte Eigenschaften. Hierzu zählen weitmaschig vernetzte Polymere. Sie besitzen eine Glasübergangstemperatur, die deutlich unter 0 °C liegt. Elastomere können hohe Dehnungen erreichen, bis über 1500 %. Sie verhalten sich über einen sehr langen Zeitraum (> 50 Jahre) fast ideal elastisch, hier sind vor allem Reifen als Beispiel zu nennen. Es gibt bei Elastomeren keinen Fließbereich (plastisches Verhalten) bis zur Zersetzung. Der Aufbau der relevanten Makromoleküle ist in Tabelle 1.1 mit den jeweiligen Bindungsenergien dargestellt. An Position zwei findet man die SI-O-Hauptkette für die Silikonelastomere mit ihrer hohen Bindungsenergie von 370kJ/Mol. Diese hohe Bindungsenergie ist mitverantwortlich für die sehr guten mechanischen und chemischen Eigenschaften gegenüber anderen elastomeren Werkstoffen.
Tabelle 1.1 Bindungsenergien wichtiger Elastomergruppen [3]
Chemischer Aufbau
Bindungsenergie (kJ/Mol)
CF2 - CF2
400
Si - O -
370
CH2 - O -
330
CH2 - CH2 -
320
CH2 - CH2 - C = C -
300
C - S - S - C -
290
C - Sa - Sb - C
250
Betrachtet man die Temperaturabhängigkeit des Schubmoduls von Elastomeren und Thermoplasten in Bild 1.2, so sieht man, dass sich die Gebrauchstemperaturbereiche (rot eingekreist) unterscheiden. Produkte aus Thermoplasten werden im energieelastischen Bereich eingesetzt, Elastomere hingegen im entropieelastischen Bereich. Im Übergangsbereich wird bei den Elastomeren die Glasübergangstemperatur bestimmt.
Bild 1.2 Temperaturabhängigkeit von Kunststoffen (Quelle: Röthemeyer/Sommer, Kautschuktechnologie [3])
Abschließend sind hier kurz die wichtigsten Eigenschaften von Silikonelastomeren aufgeführt, unter anderem aus [5]:
sehr gute Biokompatibilität, physiologisch unbedenklich
beständig gegen Chemikalien und Umwelteinflüsse
schmutz- und wasserabweisende Oberflächen
hohe Transparenz
schwer entflammbar, keine toxischen Verbrennungsprodukte
hochtemperaturbeständig bis zu 300 °C
flexibel bei tiefen Temperaturen (Tg <- 50 °C)
guter Druckverformungsrest (DVR)
erhältlich in vielen Shore-Härten (z. B. Shore A 05-Shore A 90)
Die Silikonkautschuke gehören zu den synthetischen Kautschuken und nehmen im Weltmarkt für Kautschuke eine untergeordnete Rolle ein. Mit nur 0,7 Mio. t Jahresproduktion liegt der Anteil am produzierten Kautschuk bei gerade einmal ca. 2 %. Betrachtet man aber den erreichten Umsatz mit Silikonelastomeren, der ca. 10 % des Weltmarktes für Elastomere ausmacht, so sieht man, wie hochwertig Silikonelastomere sind. Zudem zeigt es, dass sich mit der Produktion von Silikonbauteilen oft noch gute Margen bzw. Erträge erreichen lassen.
Bild 1.3 gibt einen Überblick dazu, wie sich die verschiedenartigen Silikonkautschuke auf die gesamte Jahresproduktion von ca. 700 000 t verteilen.
Bild 1.3 Produktionsmengen Silikonkautschuke [4]
Mit rund 51 % ist der meistverwendete Silikonkautschuk der Festsilikonkautschuk (HCR), gefolgt vom Flüssigsilikonkautschuk (LSR) mit ca. 37 %. Die raumtemperaturvernetzenden Typen (RTV), sowohl 1- und 2-komponentig, nehmen zusammen mit 12 % eher eine untergeordnete Rolle ein. Die Wachstumsrate für die Produktion von Silikonkautschuken bzw. der Verbrauch dieser liegt seit 2005 konstant bei 5 - 7 % pro Jahr. Diese Wachstumsrate wird auch von einer aktuellen Ceresana-Studie [4] bis 2024 vorausgesagt.
Die...
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