Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Charly Gaul
Die erste Kopfschmerzklassifikation erschien 1962 und wurde vom Ad-hoc-Komitee des National Institutes of Health erarbeitet ? [1]. Abgelöst wurde diese Klassifikation von der ersten Internationalen Kopfschmerzklassifikation 1988. Eine Überarbeitung erfolgte mit Erscheinen der zweiten Auflage der Internationalen Kopfschmerzklassifikation ICHD-II im Jahr 2004 sowie mit der Beta-Version der dritten Klassifikation ICHD-3 beta 2013 ? [4] ? [5] ? [6]. Die neueste Klassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft soll in die überarbeitete Version der Internationalen Krankheitsklassifikation (ICD) übernommen werden, sodass künftig die ICD-11 die Kopfschmerzklassifikation abbildet ? [6]. Problem der aktuellen ICD-10-Version ist, dass die Kopfschmerzerkrankungen nur wenig differenziert erfasst werden und die Mehrzahl der Diagnosen letztlich nicht in der ICD-10 auftaucht. Als Betaversion wird sie bezeichnet, da ihre Klassifikationskriterien noch im Alltag erprobt werden sollen; es ist nicht zu erwarten, dass es schwerwiegende inhaltliche Veränderungen zur endgültigen Version geben wird. Für die Kopfschmerzforschung, Patientenversorgung und die Wahrnehmung von Kopfschmerzen als Gesundheitsproblem ist eine differenzierte Anwendung der Klassifikation essenziell.
Ohne eine präzise klinische Beschreibung sind klinische Forschung und systematische Weiterentwicklung der Kopfschmerztherapie nicht möglich. Nur präzise Krankheitsdefinitionen, wie sie bei seltenen Erkrankungen zunächst aus Fallserien entstanden, lassen die Abgrenzung neuer Entitäten zu und sind dann die Voraussetzung für klinische Studien zur Therapie. Gut nachvollziehen lässt sich das am Beispiel des primär schlafgebundenen Kopfschmerzes (Hypnic Headache): Hier existierten zunächst nur Einzelfalldarstellungen, dann wurden Fallserien publiziert und aus diesen eine klinische Entität definiert, die in die Kopfschmerzklassifikation einging und entsprechend klinischer Beschreibungen angepasst wurde. Hier wurde das ausschließliche Auftreten nach dem 50. Lebensjahr, was zunächst postuliert worden war, schließlich als Diagnosekriterium aufgegeben ? [5] ? [6], weil zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich, ältere Menschen betroffen sind. Ebenso wurde die minimale Auftretenshäufigkeit von 15 auf 10 Tage im Monat reduziert ( ? Tab. 1.1) (Kap. ? 20.2.9). Möglicherweise werden diese Diagnosekriterien aber auch künftig weiter verändert, wenn weitere Patientengruppen publiziert wurden, da bereits jetzt Patienten mit autonomen Begleitsymptomen publiziert werden, die nach den Diagnosekriterien nicht diesem Krankheitsbild zugeordnet werden können ? [7]. Ein anderes Beispiel ist die Zuordnung der Hemicrania continua in der ersten Klassifikation zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzerkrankungen, in der ICHD-II zu den "anderen primären Kopfschmerzerkrankungen" und in der ICHD-3 beta wieder zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzerkrankungen ? [2] ? [5] ? [6] (Kap. ? 9).
Eine Folge neuer pathophysiologischer Annahmen ist die Aufgabe der Diagnose "ophthalmoplegische Migräne" die nun in der ICHD-3 beta als "wiederkehrende schmerzhafte kraniale Neuropathie" von der Migräne zu den Gesichtsschmerzen wechselte. Grund hierfür sind neue Studien, die bildgebend belegen, dass es sich um eine demyelinisierende Neuropathie okulomotorischer Nerven handelt ? [3] ? [6] (Kap. ? 17.2.2). Dies zeigt jedoch, wie problematisch eine primär klinisch begründete Klassifikation sein kann, wenn ein Krankheitsbild pathophysiologisch durch neue Erkenntnisse anders verstanden wird.
Kriterium
ICHD-II
ICHD-3 beta
Benennung
4.5 Primär schlafgebundener Kopfschmerz
4.9 Primär schlafgebundener Kopfschmerz
Beschreibung
Kopfschmerzattacken von dumpfer Qualität, die den Patienten immer aus dem Schlaf erwecken
Häufig wiederkehrende Kopfschmerzattacken, die ausschließlich aus dem Schlaf heraus auftreten, zum Erwachen führen und maximal 4 h anhalten, die nicht von charakteristischen Begleitsymptomen begleitet sind und keiner anderen Pathologie zugeordnet werden können.
Diagnostische Kriterien
A. Dumpfer Kopfschmerz, der die Kriterien B-D erfüllt.
B. Kopfschmerz beginnt ausschließlich im Schlaf und erweckt den Patienten
C. Der Kopfschmerz weist mindestens zwei der folgenden Charakteristika auf: 1. tritt wenigstens 15 Mal/Monat auf, 2. hält mindestens 15 min nach dem Aufwachen an, 3. Kopfschmerzbeginn nach dem 50. Lebensjahr
D. Keine autonomen Symptome und nicht mehr als eines der Begleitsymptome Übelkeit, Photophobie oder Phonophobie
E. Der Kopfschmerz ist nicht besser durch eine andere ICHD-3-Diagnose zu erklären.
A. Wiederkehrende Kopfschmerzattacken, die die Kriterien B-E erfüllen.
B. Kopfschmerz beginnt ausschließlich im Schlaf und erweckt den Patienten.
C. Der Kopfschmerz tritt an mehr als 10 Tagen im Monat über mehr als 3 Monate auf
D. Der Kopfschmerz hält mindestens 15 min und nicht länger als 4 h nach dem Aufwachen an.
E. Keine kranialen autonomen Symptome und keine Ruhelosigkeit.
F. Der Kopfschmerz ist nicht besser durch eine andere ICHD-3-Diagnose zu erklären.
Anmerkung
Eine intrakraniale Erkrankung muss ausgeschlossen sein. Eine Unterscheidung von einer der trigemino-autonomen Kopfschmerzerkrankungen ist für eine erfolgreiche Behandlung erforderlich.
Eine klare Struktur der Kopfschmerzdiagnostik und differenzierte Einteilung der Kopfschmerzerkrankung sind auch Voraussetzung für eine erfolgreiche diagnose- oder syndromspezifische Therapie. Der Vorteil der Internationalen Kopfschmerzklassifikation ist hierbei seit der ersten Version (ICHD I) aus dem Jahr 1988 ? [4] die Tatsache, dass die klinischen Symptome und Syndrome Grundlage der Diagnostik sind. Es ist möglich, die Verdachtsdiagnose aller Kopfschmerzerkrankungen allein auf die Anamnese und die Angaben des Patienten zu stützen. Die operationalisierten Kriterien einer systematischen Kopfschmerzklassifikation lösen hierbei alte Begriffe, wie "klassische Migräne" oder "atypischer Gesichtsschmerz", die im klinischen Alltag wenig weiterhelfen, ab. Darüber hinaus werden pathophysiologische Zuschreibungen aufgegeben, wie "Muskelkontraktions-Kopfschmerz", die ohnehin nicht dem...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: PDFKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat PDF zeigt auf jeder Hardware eine Buchseite stets identisch an. Daher ist eine PDF auch für ein komplexes Layout geeignet, wie es bei Lehr- und Fachbüchern verwendet wird (Bilder, Tabellen, Spalten, Fußnoten). Bei kleinen Displays von E-Readern oder Smartphones sind PDF leider eher nervig, weil zu viel Scrollen notwendig ist. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.