Schweitzer Fachinformationen
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Vor 27 Jahren, bei meinem Vorstellungsgespräch in der Berliner Uniklinik, wollte ich unbedingt die Assistenzarztstelle in der Dermatologie bekommen. Schon damals war mir klar, dass zum Eindruck, den ich erwecken wollte, die entsprechende Frisur zählte. Ich entschied mich beim Vorstellungsgespräch also, einen glatten, tief sitzenden Dutt mit linksseitigem Seitenscheitel zu tragen und hatte alle widerspenstigen Haarsträhnen mit Haarspray sicher fixiert. So wollte ich fokussiert, ordentlich, strukturiert und vertrauenswürdig wirken. Selbstverständlich hat jeder Mensch seine eigene Vorstellung davon, wie er seiner Umgebung die gewünschten Charaktermerkmale über seine Haare vermittelt. Das ändert sich mit der Zeit, je nach Trends und Mode, aber diese Frisur entsprach damals meiner Vorstellung von einem seriösen Aussehen.
Neben der kosmetischen Dimension sind Haare ein wichtiger Teil unserer Identität. Über unsere Haare signalisieren wir unserer Umgebung einen Großteil unserer Persönlichkeit, sie sind ein wesentliches Werkzeug unserer nonverbalen Kommunikation, wie ein österreichischer Psychologe in seiner Abhandlung zusammenfasst. Davon war ich damals schon überzeugt. Was ich aber nicht wusste: Ein linksseitiger Scheitel soll angeblich - so beschreiben es US-amerikanische Psychologen 1999 in ihrer Scheitel-Theorie - die persönlichen Kompetenzen auf den Gebieten Sprache oder strukturiert-logischem Denken unterstreichen, unabhängig davon, ob der Seitenscheitel bei offenen Haaren oder einer anderen Frisur getragen wurde. Vielleicht hatte ich unbewusst die linke Seite gewählt, um professioneller zu wirken? Ein rechtsseitiger Scheitel soll laut derselben Studie hingegen musikalische oder kreative Fähigkeiten betonen. Kein Scheitel soll für Ausgeglichenheit stehen. Allerdings wurden diese Beobachtungen an US-amerikanischen Frauen und Männern gemacht, die im Staatsdienst als Präsidenten, Gouverneure, Senatoren und Kongressabgeordnete tätig waren. Inwieweit diese Assoziationen vom Scheitel zur Persönlichkeit tatsächlich verallgemeinerbar sind, das könnten nur größere Studien belegen.
Nichtsdestoweniger: Wie unser Gegenüber seine Kopfhaare oder den Bart trägt, wie die Wimpern und Augenbrauen geformt sind, wie stark die Körperbehaarung sichtbar ist - das alles beeinflusst unseren ersten Eindruck sehr. Je nachdem wie gepflegt eine Frisur auf das Umfeld wirkt, soll sie mit mehr Kultiviertheit und Erfolg korrelieren, fanden tiefenpsychologische Untersuchungen heraus. Blitzschnell bewerten wir andere anhand von Fülle, Länge, Farbe, Struktur der Kopf- und Körperbehaarung. Das ist tief in uns verwurzelt, denn schon bei unseren Vorfahren spielte die Behaarung eine wesentliche Rolle zur Erkennung des Gegenübers. So soll laut dem britischen Evolutionsforscher Charles Darwin, der im 19. Jahrhundert dazu forschte, der Bart dazu gedient haben, das weibliche und männliche Geschlecht zu unterscheiden. Interessanterweise sollen Bärte bei Männern dazu beitragen, dass wir wütende Gefühle in ihrem Gesicht schneller erkennen und stärker wahrnehmen als ihre Traurigkeit. Ein Bartträger wirkte in einer Studie von neuseeländisch-kanadischen Forschern auf Frauen wie Männer älter, und ihm wurde ein höherer sozialer Status zugeschrieben. Außerdem sollen Augenbrauen für die Gesichtserkennung mindestens genauso wichtig sein wie die Augen. Insbesondere das Fehlen von Augenbrauen soll bei bekannten Gesichtern die Wiedererkennung erschweren. Auf die Unterscheidung zwischen Mann und Frau hätten sie zudem einen erheblichen Einfluss.
Unsere Behaarung gehört daher zu den wesentlichen Schlüsselreizen, die den ersten Eindruck vermitteln und sind entscheidender Teil unserer Außendarstellung. Wir kommunizieren über unsere Haare mit unserer Umgebung. Sie sind uns wichtig, weil wir über unsere Haare etwas von uns preisgeben können. Ein morgendlicher Blick in den Spiegel kann unser Selbstbild und unsere gefühlte Tagesform entscheidend beeinflussen, je nachdem wie wir unsere Haare in diesem Moment wahrnehmen.
Standen Sie auch schon mal morgens vor dem Spiegel, und Ihre Haare hingen lustlos, müde herab, und irgendwie fühlten Sie sich nicht so gut wie sonst?
Das hängt mit Ihrer Haarwahrnehmung zusammen. Ihre Haare können Ihre Gefühle, Ihre Eigenwahrnehmung und Ihr Wohlbefinden beeinflussen. Genauso können sie unsere Stimmung oder Gefühle widerspiegeln. Neulich erzählte mir ein elegant gekleideter Partygast, die kurzen Haare ordentlich glatt nach hinten frisiert, wie er müde und fertig nach einer anstrengenden Reise im Hotel eintraf. Obwohl er mit völlig zerzausten Haaren dastand, wurde er weder nach seiner anstrengenden Anreise gefragt noch nach seinem Befinden. Das hätte der Mitarbeiter an der Rezeption doch an seinen Haaren sehen können. Ich überlegte, woran der Rezeptionist das sonst noch hätte erkennen können. Nach einer stressigen Zugfahrt hat man keine Schweißperlen auf der Stirn oder ist außer Atem. Bleiben also die Haare als Ausdruck von Stress und Erschöpfung. Vielleicht sahen seine Haare doch nicht so ungekämmt aus, wie er meinte. Unsere persönliche Haarwahrnehmung kann ganz anders sein, als unser Umfeld unsere Haare interpretiert. In seinem Fall funktionierte die Erkennung seines Gemütszustands über die Haare an der Rezeption nicht.
Ob unser Umfeld unsere Haare genauso wahrnimmt wie wir und die gleichen Rückschlüsse auf unsere seelische oder gar körperliche Verfassung zieht, können wir über unsere Haare zwar zu beeinflussen versuchen, es gelingt uns aber nicht immer. Wer insgesamt mehr Zeit in die Haarpflege investiert, der soll sich eher als ordentlich, strukturiert oder organisiert empfinden, sagen Gefühlsforscher. Das liegt vielleicht daran, dass wir unsere Haare auf diese Weise kontrollieren wollen. Unsere Haarwahrnehmung steht oft in Verbindung mit Kontrolle oder Kontrollverlust.
Im Fernsehen sah ich vor Kurzem eine Szene, in der sich ein junges Männermodel dagegen sträubte, sich seine Haare abschneiden zu lassen. Er hatte nach hinten geföhnte, blonde, etwas längere Haare und erinnerte an Brad Pitt in den 90ern. Er trage immer schon diese Frisur, er verwende täglich 15 Minuten auf die Haare und fünf Minuten auf den Rest. Seine Haare jetzt ganz kurz schneiden zu lassen, das bedeute Kontrollverlust für ihn und stresse ihn. Hier zeigt es sich also wieder: Über das tägliche Ritual der Haarpflege und den Anblick seiner ordentlichen Frisur bekam der junge Mann sein Gefühl von persönlicher Organisiertheit, was ihn zufriedener und entspannter machte. Für manche Menschen ist eine sichtbare Ordnung eine Art innere Beruhigung. Das kann - wie in diesem Fall - der Anblick der eigenen, gepflegten Haare sein.
Und auch dieses Phänomen kommt Ihnen vielleicht bekannt vor: Nachdem sich meine geknickt und traurig-müde Freundin endlich von ihrem untreuen Mann getrennt hatte, nahm ich sie erst mal zu meinem Friseur mit. Der verwandelte sie mit ein paar Kniffen in eine strahlende Frau. Sie sah sich im Spiegel, und nach einer langen Zeit lächelte sie zum ersten Mal wieder. Diese äußere Verwandlung wirkte sich positiv auf ihren Selbstwert und ihre Stimmung aus, es ging ihr danach schon - unterstützt durch ihre schönere Haarwahrnehmung - etwas besser. Wer beim Blick in den Spiegel »haarzufrieden« ist, empfindet sich selbst als attraktiv und leistungsfähig und ist so viel kontaktfreudiger, besagt eine Studie an 600 Frauen und Männern.
Psychologen und Psychologinnen konnten in Studien zeigen, dass für Männer und Frauen nicht nur das Haarvolumen, sondern auch die Haarqualität den eigenen Gesundheitszustand widerspiegelt. Eine meiner Patientinnen ist Friseurmeisterin. Aus Interesse fragte ich sie neulich nebenbei, ob sie diese Beziehung zwischen Haargesundheit und innerer Gesundheit aus ihrem Arbeitsalltag kenne. In der Tat erlebe sie das bei vielen Kundinnen und Kunden, sie würden ihre gesundheitlichen Probleme regelrecht an ihren Haaren abarbeiten. Da wäre ihrerseits viel Feingefühl gefragt. Manchmal reiche es vor allem zuzuhören. Die eigene Haarwahrnehmung kann beunruhigend sein und auf Dauer zu einer psychischen Belastung führen. Nehmen Menschen ihre Haare als glanzlos, strohig oder fusselig wahr, wird beispielsweise eine Krankheit dahinter vermutet.
Über einen längeren Zeitraum festgestellt, kann tatsächlich etwas Pathologisches dahinterstecken. Ein länger bestehender Nährstoffmangel, Krankheiten oder Medikamente können die Haarstruktur langsam, über Wochen bis Monate, verändern - aber nicht über Nacht oder in einer Woche. Saßen die Haare gestern noch gut und sind am nächsten Tag kraftlos, dann liegt das nicht an einer Erkrankung. Denn die Kopfhaare wachsen ca. einen Zentimeter pro Monat aus der Tiefe der Haut heraus. Deswegen kann sich eine innere Ursache nicht so schnell auf das vor Monaten rausgewachsene, äußere Haar sichtbar niederschlagen. Aber Wetterwechsel, Veränderungen der Luftfeuchtigkeit, falsche Haarpflege oder schnell fettendes Haar kann die äußere Haarstruktur durchaus rasch verändern. Dann ist das Spiegelerlebnis am nächsten Morgen nicht so wie gewünscht, die Haare sind vielleicht strähnig, gekräuselt, widerspenstiger oder wirken ungepflegt. Eine negative Haarwahrnehmung kann dazu führen, dass Sie sich selbst nicht leiden können oder sich als unsicher, unattraktiv, etwas krank oder unwohl fühlen, ergab eine Untersuchung zur Selbstwahrnehmung der Haare.
Ist aber nicht bloß die Haarstruktur betroffen, sondern kommt es zum Haarverlust, kann das je nach...
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