Einführung: Ausgangssituation, Gegenstand und Gang der Untersuchung.- Einführung: Ausgangssituation, Gegenstand und Gang der Untersuchung.- Entwicklung eines Haftungsprotokolls für das BSP: Grundlagen.- Die moderne Biotechnologie: Anwendungsfelder und Risiken.- Regelungsumfeld eines Biosafety-Haftungsregimes: Die Grundsätze und Mechanismen der CBD und des BSP.- Nationale Haftung für schädliche Folgewirkungen von LMO: Die deutsche Rechtslage.- Entwicklungen im internationalen Haftungsrecht: Ausgangspunkt für die Ausgestaltung eines Biosafety-Haftungsprotokolls.- Zusammenfassung der Ergebnisse des 1.Teils:Die Ausgangssituation für die Erarbeitung von Biosafety-Haftungsregelungen.- Eckwerte eines Biosafety-Haftungsprotokolls.- Reichweite des Verhandlungsauftrags: Verhältnis von Artikel 27 BSP zu Artikel 14 (2) CBD.- Bestimmung der Funktionen von Haftungsnormen für das BSP.- Reichweite des Anwendungsbereichs eines Biosafety-Haftungsprotokolls.- Haftungsmaßstab: Verschuldenshaftung oder Gefährdungshaftung?.- Haftungsausschlussgründe eines Biosafety-Haftungsprotokolls.- Nachweis kausaler Verursachung in einem Biosafety-Haftungsregime.- Kanalisierung der Haftung in einem Biosafety- Haftungsprotokoll.- Schadensbegriff.- Rechtsfolgenregime.- Kollektive Elemente eines Haftungs- und Entschädigungssystems: Pflichtversicherung und Haftungsfonds.
14. Kapitel: Kollektive Elemente eines Haftungs- und Entschädigungssystems: Pflichtversicherung und Haftungsfonds (S. 361-363)
Bisher wurden die Eckwerte eines Haftungssystems betrachtet, das auf einzelne, individualisierbare Haftungsadressaten zugeschnitten ist. Dabei hat sich gezeigt, dass allein durch eine vertraglich festgelegte Gefährdungshaftung der privaten Schadenveranlasser keine lückenlose Haftung und Entschädigung gewährleistet werden kann. Es wurden insbesondere drei Fallgruppen identifiziert, bei denen ein individuell ausgerichtetes Haftungssystem an seine Grenzen stößt. Dabei handelt es sich erstens um Fälle, in denen der Schädiger zweifelsfrei feststeht. Ein voller Schadensausgleich kann aber dennoch nicht erlangt werden, weil der Schadensumfang die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verursachers übersteigt.
Zweitens versagt ein individualistisches Haftungssystem aber auch dann, wenn die Ursachenkette nicht mehr zweifelsfrei rückverfolgt werden kann. In diesem Fall können die schädlichen Folgen keinem Verursacher eindeutig zugeordnet werden. Dieses Problem zeigt sich vor allem bei Summations- und Distanzschäden, zu denen eine Vielzahl an der grenzüberschreitenden Verbringung von LMO beteiligte Personen sowie weitere kumulative Effekte beigetragen haben können. Drittens kann ein Rückgriff auf den Schädiger aber auch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen sein, weil Haftungsobergrenzen, zeitliche Limitierungen und Haftungsausschlussgründe zu seinen Gunsten greifen. Hierzu zählen auch die Fälle, in denen bestimmte negative Umwelteinwirkungen zu Lasten der Allgemeinheit von der Ausgleichspflicht ausgenommen bleiben.
Diese Haftungslücken schwächen die Anreizwirkung des Haftungssystems und verlagern die Kosten für negative Auswirkungen der grenzüberschreitenden Verbringung von LMO letztlich entgegen dem Verursacherprinzip auf einzelne Geschädigte oder die jeweiligen Staaten. Um die genannten Schwächen abzufedern, werden individuell ausgerichtete Haftungsregime teilweise durch Pflichtversicherungen ergänzt (dazu unter A.). Daneben können Fondslösungen das Haftungsrisiko auf einen breiteren Verursacherkreis streuen (dazu unter B.).
A. Ergänzung eines Biosafety-Haftungsregimes durch Versicherungssysteme
Pflichtversicherungsklauseln sind von dem Gedanken motiviert, möglichen Opfern auch bei Zahlungsunfähigkeit oder Fortfall des Schädigers einen zahlungskräftigen Schuldner gegenüberzustellen. Gleichzeitig kann durch Versicherungssysteme eine finanzielle Überforderung der Personen vermieden werden, die durch Einführung neuer Technologieformen ein erhöhtes Risiko schaffen. Die Funktionsfähigkeit von Haftungsregimen ist somit eng mit der Versicherbarkeit von Haftungsrisiken verbunden. Eine Vielzahl der betrachteten nationalen und internationalen Haftungsvorschriften sehen daher vor, dass mögliche Haftungsverpflichtete eine Deckungsvorsorge in Form von Versicherungen oder anderen finanziellen Garantien bereitstellen sollen. Üblicherweise wird eine Deckungsvorsorge nur bis zu einem Haftungshöchstbetrag des jeweiligen Verursachers verlangt. Teilweise wird dem Geschädigten ein Direktanspruch gegen den Versicherer oder Garanten eingeräumt.
I. Erhaltung der präventiven Anreizwirkung
Ein Nachteil der Versicherung von Haftungsrisiken liegt darin, dass das einzelwirtschaftlich begründete Interesse an der Schadensverhütung weitgehend auf die Versicherung und mittelbar auf das Kollektiv der Versicherten übergeht. Damit wird der Präventiveffekt für den einzelnen Verursacher verringert, da er grundsätzlich nur noch in Höhe der von ihm erbrachten Versicherungsbeiträge haftet. Eine Bemessung risikoabhängiger Tarife, die den Steuerungseffekt zumindest teilweise erhalten könnte, ist nur schwierig zu leisten. Dies setzt voraus, dass mögliche Haftungsbeträge im voraus bestimmt werden können3 und erfordert damit ein Mindestmaß an Kenntnissen über mögliche Schadensfolgen und Eintrittswahrscheinlichkeiten der ungünstigen Wirkungen. Für den hier betrachteten Regelungsgegenstand sind diese Kenntnisse oft nicht vorhanden.
Die präventive Funktion der Haftung kann aber auch dann teilweise erhalten werden, wenn Versicherungsleistungen Auswirkungen auf die künftige Prämienberechnung haben und höhere Beitragspflichten nach sich ziehen. Dadurch wird der Verursacher zumindest rückwirkend indirekt an dem Haftungsrisiko beteiligt. Der gleiche Effekt lässt sich durch Selbstbehalte erzielen. Eine Schwächung des Präventiveffekts wird sich jedoch nie vollständig vermeiden lassen. Dennoch wäre es verfehlt, allein wegen der verringerten Steuerungswirkung auf eine Ergänzung eines Biosafety-Haftungsregimes durch Vorgabe einer Pflichtversicherung der Haftungsbetroffenen zu verzichten. Eine Übernahme des Insolvenzrisikos durch Versicherungen bietet den Vorteil, dass eine umfassende Entschädigung gesichert ist. Andererseits kann verhindert werden, dass die Forschung, Entwicklung und Verbreitung der innovativen Technologie durch das Haftungsrisiko übermäßig belastet wird.