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Ob vergessene Lemuren-Arten, Müll auf dem Mond, Pandemie-Simulationen in World of Warcraft oder berüchtigte Zombie-Ameisen: Neurowissenschaftler Dr. Jens Foell widmet sich in 42 Kapiteln den nerdigsten Tatsachen aus der Welt der Wissenschaft. Und erklärt ganz nebenbei, wie Forschung funktioniert.
Mit einem Vorwort von Dr. Mai Thi Nguyen-Kim
Egal ob Chemie, Astronomie, Physik, Geschichte, Musikwissenschaft, Mathematik oder Informatik und egal, wie abseitig die Tatsachen oder absurd die Forschungen sind: Neurowissenschaftler und Science-Journalist Dr. Jens Foell schafft es, uns die wundersame Welt der Wissenschaft völlig neu zu erschließen. Und das auf phänomenal unterhaltsame Art. Denn eines ist klar, Nerds wissen einfach mehr vom Leben. Und wer noch keiner ist, wird es spätestens mit diesem unterhaltsamen Sachbuch werden wollen!
‚‚Fantastische Wissenschaft. Und verdammt unterhaltsam.‘‘ Mai Thi Nguyen-Kim
Warum man ein Kinderlied in ein Genom geschrieben hat
Während der Mission Apollo 14 im Jahr 1971 nutzte Kommandant Alan Shepard die Gelegenheit, auf dem Mond ein paar Golfbälle zu versenken. Die ersten Schläge waren wohl weniger beeindruckend - kein Wunder bei dem klobigen Weltraumanzug -, aber der letzte Ball flog seinen eigenen Angaben nach fantastisch weit, auch aufgrund der viel geringeren Schwerkraft auf dem Erdtrabanten. Andere Gegenstände brachten Astronauten ausdrücklich mit zum Mond, um sie dort zu lassen, ein Foto der Familie oder einen goldenen Olivenzweig als Friedenssymbol. Bei der Rückreise musste dringend Gewicht gespart werden, deshalb wurden auch technische Geräte, Schaufeln, Rucksäcke und sogar Kameras zurückgelassen. Und eben die Golfbälle.
Es liegt also Müll auf dem Mond - wir Menschen können es einfach nicht lassen mit der Umweltverschmutzung, egal wo wir sind. Schon das allererste Foto, das auf der Mondoberfläche aufgenommen wurde, zeigt direkt neben der Landefähre einen Astronauten-Müllsack oder jett bag (von to jettison = etwas über Bord werfen). Unter den Dingen, deren fachgerechte Entsorgung man sich ersparte, befinden sich nicht weniger als 96 Beutel mit Kot, Urin und anderen Ausscheidungen (selbst den härtesten Astronaut:innen wird mal schlecht). Auch die liegen dort völlig ungestört, seit der letzte Mensch am 14. Dezember 1972 die Mondoberfläche verlassen hat.
An dieser Stelle gleich zu Beginn des Buchs sortiert sich die Leserschaft in Nerds und Nicht-Nerds, und ihr könnt hier direkt mit einer einzigen Frage herausfinden, zu welcher Gruppe ihr gehört. Fertig? Los:
Der ultimative Nerd-Test!
Frage: Du hast eben erfahren, dass auf dem Mond seit fünfzig Jahren Kotbeutel liegen. Was denkst du dazu?
Antwort 1: Klingt ziemlich eklig. Kein Wunder, dass niemand drüber redet.
Antwort 2: Klingt ziemlich spannend! Warum gehen wir da nicht hin und untersuchen es?
Ganz klar: Antwort 2 offenbart dich als Nerd. Willkommen im Club! Kot ist zwar ohne jeden Zweifel ekelhaft, aber genauso zweifellos birgt er ein hohes Potenzial an Erkenntnissen. In ihm befinden sich zahlreiche Bakterien, an denen sich nicht nur ablesen lässt, was jemand gegessen hat, sondern auch, wie es einem gesundheitlich geht. Und im speziellen Fall des Mondstuhls oder Lunarkots (zwei Vorschläge von mir für einen künftigen Fachterminus) fragt sich: Wie halten sich diese Bakterien über Jahrzehnte da oben? Da der Mond anders als die Erde keine Atmosphäre hat, bietet er keine Luft zum Atmen und ist massiven Temperaturunterschieden sowie höherer UV-Strahlung ausgesetzt. Können unsere kleinen Mikroben im jett bag als einzigem Schutz gegen die Widrigkeiten des Universums das überleben? Darüber lässt sich nur spekulieren. Aber Bakterien haben uns schon oft damit überrascht, mit welchen Bedingungen sie klarkommen. Als sich auf der Erde das früheste mikroskopisch kleine Leben regte, gab es schließlich auch noch keine Atmosphäre. Daher könnten uns extraterrestrische Stuhlproben Auskunft über unseren eigenen Ursprung geben. Wenn es nach mir ginge, sollten wir da noch mal hoch und die Kotbeutel untersuchen. Und noch extra Kot mitnehmen, um ihn dort zu lassen, für den Forscherdrang künftiger Generationen.
Es ist irgendwie typisch, dass da ganz egoistisch bislang nur menschlicher Kot abgeladen wurde. Warum nicht auch der vom Alpaka? Dem Alpaka-Kot gebührt schließlich ein Ehrenplatz in der Welt der Wissenschafts-Nerds. Das hat vor allem mit dem österreichischen Physiker Heinz Oberhummer zu tun: Bis zu seinem Tod 2015 engagierte der sich dafür, Menschen für die Wissenschaft zu begeistern. Zu diesem Zweck trug er gerne ein Glas Alpaka-Kot1 mit sich herum, in dem ein besonderes Bakterium zu finden ist: Deinococcus radiodurans ist, wie im zweiten Teil des Namens anklingt, extrem beständig gegenüber radioaktiver Strahlung. Was bedeutet das konkret? Radioaktive Strahlung, genauer gesagt ionisierende Strahlung wie Gamma- oder Röntgenstrahlen, kann Fehler in der DNA verursachen. Leichtere Schäden können wir Lebewesen ausgleichen, aber tritt die Strahlung zu intensiv auf oder über einen zu langen Zeitraum, lassen sich die Schäden nicht mehr alle beheben, und das führt mitunter zum Zelltod, zu Mutationen oder Veränderungen wie Tumoren. Bei Deinococcus radiodurans funktionieren diese Reparaturmechanismen außergewöhnlich gut - Humangenetiker:innen auf der Suche nach neuen medizinischen Therapieansätzen horchen hier natürlich auf.
Zunächst aber gönnte sich die Forschung mit dem Bakterium einen Spaß. Zum experimentellen Nachweis seiner Resistenz schrieb ein Forschungsteam in den USA einen Liedtext in seine DNA. Nicht als lesbare Worte, sondern als Code: DNA besteht aus einer langen Kette, die eine Kombination aus nur vier verschiedenen Bausteinen ist. Diese Bausteine werden mit A, C, G und T gekennzeichnet (für Adenosin, Cytosin, Guanin und Thymin), daher kommen die Buchstabenketten, die man zum Beispiel aus Filmen kennt: CCTATGCGTATC und so weiter. Das Team dachte sich jetzt eine Tabelle aus, um Buchstaben und Zahlen in eine Kombination aus diesen vier Zeichen zu übertragen; nach ihrem System stellt die eben genannte Sequenz aus zwölf Zeichen das Wort NERD dar. Das Ziel dieser Spielerei war es, einen Text in die DNA des Bakteriums zu schreiben, das Bakterium Bedingungen auszusetzen, bei denen man Veränderungen im DNA-Code erwarten würde, und dann zu schauen, ob man den Text hinterher noch auslesen kann. Als Text wählte man die Lyrics des allseits beliebten Disney-Songs It's a Small World.
Wer den Song kennt, weiß, dass das »allseits beliebt« nicht ganz ernst gemeint war: Kinder lieben ihn, aber vielen Erwachsenen bleibt er als unerwünschter Ohrwurm für alle Zeit in den tiefsten Tiefen der Gehirnmasse stecken. Geschrieben wurde er für eine Attraktion, die sich in Disney-Vergnügungsparks weltweit findet, wo es in einem kleinen Boot einmal durch die ganze Welt geht. Wahrscheinlich ist es der am häufigsten gespielte2 Song der Menschheitsgeschichte. Während einer Tagesschicht wird er nämlich etwa 1200 Mal abgespielt, und die Attraktion ist bereits seit Jahrzehnten in mehreren Disney-Parks aktiv, die fast nie auch nur einen Tag geschlossen sind. Daher belaufen sich Schätzungen auf etwa 50 Millionen Plays. It's a Small World ist damit auf seine Art der erfolgreichste Song aller Zeiten.
Ob das der Grund dafür war, gerade dieses Lied in die DNA zu schreiben, lässt der Forschungsartikel aus dem Jahr 2003 unbeantwortet. Er beschreibt, wie das Team dem Bakterium etwa 100 Generationen Zeit gab, damit man schauen konnte, ob diese vielen Kopiervorgänge der DNA irgendwann zu dauerhaften Fehlern führen würden. Verstrahlt wurden sie dabei nicht noch zusätzlich, denn schon das normale Kopieren der DNA kann zu Fehlern führen. Am Ende machte man einen PCR-Test. Was das ist, war damals absolutes Nerd-Wissen, aber heute wissen wir es alle: Damit wird nach dem Erbgut von Viren gesucht. Nur dass hier mit demselben Verfahren ein Teil der Lyrics gesucht wurde: AND THE OCEANS ARE WIDE. Dieser Text konnte fehlerfrei ausgelesen werden, damit war die Beständigkeit der bakteriellen DNA eindrücklich belegt.
Inzwischen hat man diese Bakterien mal außen an der Internationalen Raumstation ISS angebracht, um zu schauen, ob sie das überstehen. Die nur einen Millimeter dicke Schicht Bakterien war auch nach drei Jahren noch lebendig, allen Widrigkeiten zum Trotz. Allerdings blieb sie nicht ohne Schaden, sodass sie nicht für immer auf der ISS oder, sagen wir, einem Asteroiden, durch den Weltraum schwirren könnten. Die Ergebnisse führten zu der Schätzung, dass die Einzeller im interstellaren Raum zwei bis acht Jahre überleben dürften: viel zu wenig, um ein anderes Sonnensystem zu erreichen, aber wahrscheinlich genug, um die Strecke zwischen Erde und Mars zu überleben. Daher Obacht: Sollten wir irgendwann Mikroben auf dem Mars entdecken (also welche, die wir nicht selbst dort hochgeflogen haben), wäre erst sicherzustellen, dass sie nicht eigenständig von der Erde dorthin gekommen sind. Schließlich gibt es einen regen Austausch an Material: Von den 60000 Gesteinsbrocken auf der Erde, die aus dem Weltall stammen - besser bekannt als Meteoriten -, wurden bislang mindestens 175 als ursprünglich marsianisch identifiziert: Sie wurden irgendwann durch einen starken Einschlag von ihrem Heimatplaneten ins All geschleudert und von der Schwerkraft der Erde eingefangen. Wahrscheinlich sind es sogar noch viel mehr. Wenn wir Menschen irgendwann den Mars ernsthaft besiedeln werden, sind wir also nach den Bakterien vielleicht erst die zweite Gruppe irdischer Kolonisten.
In der Astro-Community wird immer wieder kritisch gesehen, dass überhaupt Leute in den Weltraum geschossen werden: Viele Aufgaben können von Maschinen übernommen werden, zum Beispiel vom menschenähnlich aussehenden Roboter Robonaut R2, der 2011 auf die Internationale Raumstation gebracht wurde. Menschen eignen sich einfach nicht sehr gut für den Weltraum, weil sie so überhaupt nicht...
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