1 Physikalische und technische Grundlagen
F. A. Flachskampf und J.-U. Voigt
Dem praktisch orientierten Charakter dieses Handbuches entsprechend, handelt es sich im Folgenden um einen kurz gefassten Überblick über die wichtigsten physikalischen und technischen Prinzipien, die zum gründlichen Verständnis der Methode notwendig sind. Die moderne Echokardiografie ist ein technisch sehr anspruchsvolles Verfahren und die Geräte sind ingenieurstechnische Monumente fortgeschrittenster Technik. Eine erschöpfende Darstellung würde den Verfasser bei Weitem überfordern und den Rahmen dieses Buches sprengen; deshalb wird hierzu auf die existierende Literatur verwiesen ? [13], ? [36]. Darüber hinaus handelt es sich, gerade bei angewandter Akustik und Strömungsdynamik, durchaus nicht um vollständig theoretisch ausgeleuchtete, glasklare Gebiete der Physik.
Zu einigen speziellen Techniken sind die Grundlagen den entsprechenden Kapiteln zu entnehmen (harmonische Bildgebung, Gewebedoppler, Kontrastechokardiografie, 3D-Echokardiografie).
1.1 Schall
Schall kann als an Materie gebundene Schwingung aufgefasst werden, die in Form einer periodischen Vermehrung und Verminderung der Dichte von Materie, d.h. einer periodischen Verdichtung und Verdünnung des Mediums abläuft und sich wellenförmig im Raum ausbreitet ( ? Abb. 1.1). Der Schall kann demgemäß sowohl in Gasen als auch in flüssiger und fester Materie, jedoch nicht im Vakuum auftreten. Es entsteht eine Druckwelle, die eine bestimmte Ausbreitungsgeschwindigkeit (c), eine Frequenz (f) und eine Wellenlänge (?) besitzt, wobei gilt:
Schema einer Ultraschallwelle.
Abb. 1.1 Oben ist die Verdichtung und Rarefaktion der beteiligten Partikel (z.B. Gasmoleküle) dargestellt. Zonen von Verdichtung (hoher Druck) und Rarefaktion (niedriger Druck) wechseln einander im Abstand einer Wellenlänge (?) ab. Unten ist der entlang der Ausbreitung der Welle aufgezeichnete Druck (p) dargestellt. Zwischen den Druckmaxima bzw. -minima liegt jeweils eine Wellenlänge. Eine solche Sinuskurve könnte auch durch Registrierung des Drucks an einem festen Ort, der einer Schallwelle ausgesetzt ist, über die Zeit aufgezeichnet werden ? [36].
Schallgeschwindigkeit und -leistung Die Schallgeschwindigkeit hängt von Material und Temperatur ab; sie ist in Luft (330m/s) fast 5-mal langsamer als in Wasser (1480m/s). Echokardiografiegeräte sind auf eine Schallgeschwindigkeit von 1540m/s in Gewebe geeicht. Der Einfluss des Trägermediums auf die Schallgeschwindigkeit wird als akustische Impedanz bezeichnet und ist definiert als Produkt der Schallgeschwindigkeit eines Materials und dessen Dichte.
Die Schallwelle transportiert keine Materie; stattdessen vollführen die schwingenden Materieteilchen nur kleinste Verschiebungen von Bruchteilen von Nanometern um ihre Ruheposition, und zwar mit Geschwindigkeiten, die weit niedriger als die Ausbreitungsgeschwindigkeit sind. Dagegen wird von der Schallwelle Energie transportiert. Parameter dieser Energie ist die Schallleistung oder Schallintensität, die als Leistung pro Flächeneinheit des Schallfeldes orthogonal zur Schallausbreitungsrichtung definiert wird (Einheit W/cm2).
Interaktionsformen mit Materie Bei der Ausbreitung der Schallwelle treten 4 prinzipielle Interaktionsformen mit den durchquerten Medien auf ( ? Abb. 1.2).
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Attenuation (Abschwächung). Diese ist eine Materialeigenschaft und direkt proportional zur Laufstrecke der Welle. Die Energie wird hierbei in Wärme umgewandelt. Die Attenuation steigt bei höheren Frequenzen an, was die mangelhafte Penetration hoher Ultraschallfrequenzen in die Tiefe des Gewebes erklärt.
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Reflexion. Bei der Reflexion (Spiegelung) an Grenzflächen von Materialien verschiedener akustischer Impedanz bzw. Schallgeschwindigkeit wird die reflektierte Welle in einem Ausfallwinkel, der dem Einfallwinkel gleich ist, zurückgeworfen.
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Refraktion. Bei Refraktion (Brechung) an Grenzflächen von Materialien verschiedener akustischer Impedanz bzw. Schallgeschwindigkeit wird die gebrochene Welle weitergeleitet, jedoch unter Änderung ihrer Richtung. Das Verhältnis von Einfall- und Ausfallwinkel hängt vom Verhältnis der akustischen Impedanzen der beteiligten Medien ab.
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Streuung. Dieses Phänomen bezeichnet die Ablenkung der Schallwelle in alle Richtungen (d.h. auch in Richtung auf die Schallquelle) beim Auftreffen der Schallwelle auf Reflektoren (Streuer, d.h. Grenzflächen unterschiedlicher akustischer Impedanz), die etwa gleich groß oder kleiner als die Wellenlänge des Schalls sind.
Reflexion, Brechung, Streuung.
Abb. 1.2
Abb. 1.2a Trifft eine Schallwelle auf eine Grenzfläche zweier Medien unterschiedlicher akustischer Impedanz, so kommt es zur Reflexion. Die zurückgeworfene Energie ist umso höher, je unterschiedlicher die Impedanzen sind. Ein- und Ausfallwinkel sind gleich. Bei senkrechtem Auftreffen wird ein Teil der Energie des Schallstrahls zurück zur Schallquelle geworfen. Ein Teil der Schallstrahlenergie wird nicht reflektiert, sondern gebrochen, d.h. pflanzt sich unter Richtungsänderung (die vom Impedanzverhältnis abhängt) fort.
Abb. 1.2b Wenn die Reflektoren kleiner als die Wellenlänge des Ultraschalls sind oder die Schallwelle auf eine "raue" Oberfläche auftrifft (links), tritt eine Streuung von Energie in alle Richtungen auf, d.h. auch zurück zum Schallkopf (allerdings wesentlich weniger als bei Reflexion an einer zur Schallstrahlrichtung senkrechten, großen Grenzfläche). Vgl. dazu die Situation rechts, wo von einer glatten, schräg getroffenen Oberfläche keine Energie zum Schallkopf zurückkehrt.
In der Echokardiografie wird der kleine Bruchteil der ausgesandten Schallenergie analysiert, der durch Reflexion oder Streuung zum Schallkopf zurückgestrahlt wird. Sehr starke Reflexionen findet man v.a. an der Grenze von Gewebe zu Luft; hierbei wird praktisch die gesamte Energie der Schallwelle reflektiert, sodass diese Grenzflächen akustisch "undurchsichtig" sind. Ähnliche Totalreflexionen gibt es an verkalkten Strukturen, die im echokardiografischen Bild durch den dorsalen Schallschatten gekennzeichnet sind, da distal der Struktur keine akustische Energie mehr verfügbar ist.
Als Ultraschall bezeichnet man Schallwellen, deren Frequenz oberhalb des hörbaren Bereichs, d.h. oberhalb von 20000Hz (20kHz) liegt. Typische Frequenzen diagnostischen Ultraschalls liegen zwischen 2 und 7MHz (1MHz=1000kHz=1000000Hz), beim intravaskulären Ultraschall 40MHz. Die Wellenlänge in Gewebe liegt demnach für 2MHz bei 0,8mm, für 7MHz bei 0,2mm.
1.2 Echokardiografie
1.2.1 Prinzip der Methode
Das Prinzip der Echokardiografie besteht in der Analyse reflektierter Schallwellen. Prinzipiell sind auch andere ultraschallgestützte Diagnoseverfahren denkbar, z.B. die Anfang der 1950er-Jahre ansatzweise erprobte und nicht weiter verfolgte Transmission von Schallwellen, bei der die untersuchte Struktur, z.B. das Herz, zwischen Sende- und Empfangsteil des Gerätes liegt, analog zur Röntgenaufnahme.
1.2.1.1 Messung der Laufzeit
Die Fähigkeit der Echokardiografie zur morphologischen Diagnostik beruht auf der Ortung von akustischen Grenzflächen durch Messung der Laufzeit der Schallwellen. Dazu ist es notwendig, dass Senden und Empfangen zeitlich getrennt und mit geeigneter Dauer stattfinden. Würde kontinuierlich gesendet und empfangen, könnte die Laufzeit zum Ort der Reflexion nicht bestimmt werden (so ist es tatsächlich beim kontinuierlichen Doppler). Daher beruht die echokardiografische Bildgebung auf dem Prinzip des gepulsten Ultraschalls: Weniger als 1% der Zeit sendet der Schallkopf einen "Puls" oder ein "Wellenpaket" von endlicher Länge aus, während der restlichen 99% empfängt er ( ? Abb. 1.3, ? Abb. 1.4). Um eindeutig feststellen zu können, aus welcher Tiefe ein empfangenes Wellenpaket zurückkehrt, muss mindestens doppelt so lange empfangen werden, wie die Laufzeit des Wellenpaketes zum Reflektor beträgt. Wenn beispielsweise im M-Mode-Betrieb die maximale Eindringtiefe 20cm beträgt, muss prinzipiell wenigstens 2×20cm/1540m/s=0,26ms gewartet werden, um einen Reflektor in dieser Tiefe noch eindeutig orten zu können.
Ultraschallpuls.
Abb. 1.3 Erst der "gepulste" Betrieb des Schallkopfs erlaubt die Zuordnung der empfangenen Schallwellen zu einer Reflexion in einer bestimmten Tiefe, die durch die Laufzeit...