Schweitzer Fachinformationen
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Aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund ist der Eindruck entstanden, ich sei ein abgebrühter Reiseprofi. Eine ausgebuffte Outdoorheldin, nervenstark und wettergegerbt. Aber das stimmt nicht. Ich kann versichern: Falls überhaupt, sieht das von außen anders aus, als es sich von innen anfühlt. Möglicherweise kommt dieses Bild von meiner langjährigen Filmtätigkeit für diese eher unkonventionelle Reisesendung namens Ostwärts oder von meinen Besuchen in der ein oder anderen Talksendung mit Anekdoten aus Osteuropa und schlauen Tipps im Gepäck.
Offen gesagt fühle ich mich kein bisschen outdooresk gestählt. Ich gerate vor jeder Abreise in . ja, in den totalen Endstress. Ich lege Gepäckhäufchen, packe ein, packe um, packe aus. Frage mich, was ich diesmal Wichtiges vergessen könnte, wie sich die Temperaturen vor Ort womöglich entwickeln werden, ob ich die richtige Ausrüstung dabeihabe, ob dies oder das nicht doch eine Nummer zu übertrieben ist. Ich hadere, zweifle, zerdenke und will alles richtig machen. Schlechtes Rezept. Dabei müsste ich nach all meinen Reisen wissen, dass das Kölsche Grundgesetz noch immer gegriffen hat: Et es, wie et es, et kütt, wie et kütt, un et hätt noch immer jot jejange. (Es ist, wie es ist, es kommt, wie es kommt, und bisher ist es immer gut gegangen.)
Unabhängig von meiner Innensicht kann ich für mich in Anspruch nehmen, dass ich weitreichende Selbstversuche unternommen habe und mein Erfahrungskonto in punkto Reisen ganz fett auf Haben steht. Neulich rief mich eine aufgeregte Freundin an und bat dringend um Rat, weil sie in ZEHN Monaten in die Antarktis zu reisen gedenke und daher unbedingt - dringlich und wichtig - mit mir sprechen müsse. Vordergründig ging es um Gesundheits- und sonstige Risiken. Bei genauem Hinhören waren diverse Ängste verschiedener Schattierungen in den Fragen nach Ausrüstung (Kälte), Umgang mit Krisen (unbekannte Reisegruppe), Landschaftsstrukturen (Höhenangst?) und generell Unvorhersehbarem verpackt. Kurz davor hatte mich eine andere Freundin um Tipps gebeten, was sie auf eine Postschiffkreuzfahrt nach Norwegen einpacken müsse. Ich wüsste das doch bestimmt.
Die Wahrheit ist: Weder war ich bereits am Südpol, noch habe ich jemals eine Kreuzfahrt unternommen. Doch mit Reisen ins Unbekannte, in die Kälte und auf dem Wasser kenne ich mich aus. Hier kommt also von Herzen mein gesammeltes Wissen in Form von Listen, Anekdoten und Besser-nicht-machen-Tipps. Damit lassen sich Reisefieber, kalte Füße oder klappernde Zähne vor einer großen Reise prima auf ein annehmbares Maß verkleinern.
Spulen wir mal ganz weit zur ersten größeren Reise in meinem Leben zurück (abgesehen von den Besuchen bei Omas und Opa). Dann sehen wir mich mit meinen Eltern und meiner älteren Schwester an einem verregneten Strand in Katwijk. Es gibt ein Foto von mir, wie ich in Gummistiefeln und Regenjacke die Niederlande zusammenbrülle. Offenbar hatte mich jemand oder etwas aus meiner noch kleinen, gut einjährigen Komfortzone geholt. Das Wetter? Die Mama, der Papa, die Schwester? Hunger? Das Laufen-müssen-und-nicht-in-den-Kinderwagen-dürfen? Die Gesamtsituation? Dem Foto nach zu urteilen ging es mir außerordentlich elend - ich war ein armes, armes Kind, und das arme, arme Kind fand: Reisen ist ganz großer Mist.
Macht ihr bitte in Zukunft ohne mich.
Doch ich wurde nicht erhört und meine Komfortzone kontinuierlich weiter ausgereizt: Mit sechs war ich mit Oma Grete im Schwarzwald zur Kur. Drei Wochen ohne Mama (sie hatte gerade Tochter Nummer drei bekommen), in denen nichts so schmeckte wie zu Hause, obwohl das Küchenpersonal sich äußerste Mühe gab, Gerichte für den schluchzenden Zwerg zu fabrizieren, die nicht zum Drama im Speisesaal führen würden. Ich habe sie mit meinem Weltschmerz so weit gebracht, dass ich mir was wünschen durfte. Ich sagte: »Apfelpfannekuchen.« Und dachte: »Wie bei der Mama.« Meine Mutter kann Äpfel freihändig über der Pfanne mit der brutzelnden Masse in Scheiben schneiden und in einem fächerförmigen Muster in den noch flüssigen Teig gleiten lassen, während er von unten bereits bräunt. Ich stand als Kind oft bewundernd (und ungeduldig) neben dem Herd. Sobald die Apfelschnitze angebacken waren, wurde der Pfannkuchen (meine Berliner Kollegen höre ich bis hierhin »Eierkuchen!« rufen) noch kurz gewendet, um auch die oben liegenden Apfelfächer zu bräunen, bevor das Kunstwerk wieder richtig herum auf den Teller glitt. Zimt und Zucker drauf, glücklich war das Kind. Meine tiefe Verzweiflung, als im Schwarzwald der so genannte »Apfelpfannkuchen« (beidseitig Teig und die Äpfel quasi unsichtbar, das geht wirklich überhaupt nicht) an unserem Tisch ankam, war - glaubt man den Berichten meiner Oma - weder zu übersehen noch zu überhören.
Mit zwölf beziehungsweise dreizehn wurden meine Schwester und ich von unseren wohlmeinenden Eltern in den ersten Sprachurlaub geschickt. (»Sprachen kann euch keiner mehr nehmen.«) Mit dem FLUGZEUG! ALLEINE!! Mein Vater hatte uns eingebläut, was wir in Heathrow zu irgendeinem Mann in brauner Uniform sagen sollten: »Would you mind taking us to the bus to Bournemouth?« Meine Schwester, obwohl ein Jahr älter als ich und mit dem Englischen bereits vertraut, fand, das sollte doch lieber ich machen. Dienstbeflissen steuerte ich auf einen braunlivrierten Mann zu und trug artig den auswendig gelernten Satz vor. Die Antwort warf mich völlig aus der Bahn: »NO! Not at all!«
Jetzt war guter Rat teuer, denn für mich war klar: Der macht das nicht. Offenbar hatte der freundliche Brite aber ein Herz mit uns. Er lachte (was mich noch ein bisschen mehr verunsicherte - irgendwas konnte mit dem nicht stimmen) und machte eine einladende Geste zum Mitkommen. Ratlos und gehörig eingeschüchtert folgten wir dem Fremden über den gesamten Londoner Flughafen bis zu einer Bushaltestelle, wo es tatsächlich einen Bus nach Bournemouth gab. Erst da konnten meine Schwester und ich aufatmen, und später habe ich erfahren, was ich ihn da überhaupt gefragt hatte: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns zu dem Bus nach Bournemouth zu bringen?« - »Nein, natürlich nicht!« (lies: »Macht mir gar nichts, im Gegenteil, dafür werde ich bezahlt, ihr goldigen verunsicherten Mädchen am Rande der Pubertät. Seid ihr nicht eigentlich viel zu jung, um allein zu reisen? Wo sind eure Eltern? NICHT DABEI? Ihr Deutschen habt eindeutig 'ne Macke, jetzt ist es amtlich.« All das hätte er sagen können. Wir hätten es nicht verstanden.)
Was ist da passiert? (Fragt der Coach mit wissender Miene und rückt sich die Brille zurecht. »Schauen wir uns mal die Metaebene an, wenn sich das gerade stimmig anfühlt .«) Mein Vater hatte dafür gesorgt, dass seine Kinder, zugegebenermaßen recht früh, ihre Komfortzone verlassen sollten. Hat uns aus dem Nest gestoßen, damit wir fliegen lernen. (Mit British Airways.) Das mag man aus erzieherischer (und vor allem heutiger) Sicht fragwürdig finden, hat aber dazu geführt, dass wir eine recht frühe positive Referenzerfahrung gemacht haben. HAT UNS DOCH NICHT GESCHADET! (Hätte nie gedacht, dass ich den Augenroller mal selber raushaue. Ebenso wie den hier: Wir sind ja nicht daran gestorben!) Im Gegenteil: Wir sind a) gemeinsam und b) unversehrt am Zielort unserer Sprachferien angekommen, und unser Selbstvertrauen ist ein kleines Stück gewachsen. (Was uns im späteren Reiseverlauf unseres Lebens zugutekommen sollte.) Wie wir das dann vor Ort in Südengland fanden und wie mein Pfannekuchenseelchen auf Egg Pie und Fish Sausage reagiert hat, lasse ich aus dramaturgischen Gründen jetzt außer Acht.
Mir hat es jedenfalls Sicherheit gegeben, dass meine große Schwester dabei war. Ihr hat es Sicherheit gegeben, dass ihre kleine Schwester mit der vorwitzigen Klappe das schon regeln wird. Eindeutige Win-win-Situation.
Und so sammeln wir alle auf jeder Reise Referenzerfahrungen. Am liebsten natürlich die guten und schönen. Die ohne großen Erklärungsbedarf unser positives Grundgefühl stärken. Von denen zehren wir noch lange danach, wenn's mal nicht so gut läuft oder der Februarblues in der Luft liegt. Aber eben auch die unschönen, die - vermeintlich - negativen. Ich sage deshalb vermeintlich, weil man ja gerade durch negative Erfahrungen viel lernen und an ihnen besonders gut wachsen kann. Langfristig betrachtet sind also auch das gute Referenzerfahrungen, selbst wenn sie sich nicht unmittelbar so anfühlen.
Je nach Glas-halb-voll- oder Glas-halb-leer-Gemüt wird die eine oder der andere jetzt vielleicht einwenden: »Ach so, ja? Dass mir mein Brustbeutel mit Pass, Tickets und Bargeld geklaut wurde, soll also gut sein. Ein Scheiß ist daran...
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