Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
»Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, dass das Leben rückwärts verstanden werden muss. Aber darüber vergisst man den andern Satz, dass vorwärts gelebt werden muss.«
Søren Kierkegaard
Die Abenteuer sind irgendwo da draußen, und sie warten nur auf mich - habe ich immer gedacht. Mit großen Augen saß ich am Fenster und schaute voller Sehnsucht hinaus in die Welt. Eine Welt, die mich lockte, vor der ich aber auch Angst hatte. War sie nicht riesig und gefährlich, unvorhersehbar und furchteinflößend? Zwar wollte ich raus, dahin, wo das Leben lockte, aber ich war überzeugt: Dort draußen würde ich Angst haben, Panik schieben, mich gar nicht mehr wohlfühlen. Im Grunde hielt mich die Angst vor der Angst fest hinter meinem Fenster. Nicht die Welt da draußen machte mir Schwierigkeiten, sondern die Welt in meinem Innern. Ich war gefangen in mir. Ich war angstgestört.
Diese Sehnsucht nach dem Reisen habe ich trotzdem über all die Jahre niemals verloren. Für mich war Reisen ein Symbol für Mut, Freiheit und Unabhängigkeit. Würde ich endlich wieder reisen, wäre das der Beweis, dass ich meine Angsterkrankung überwunden hätte. So dachte ich zumindest. Schrittweise lernte ich, mich wieder dem Leben zuzuwenden, mir mehr zuzutrauen, und meine Angststörung ließ langsam nach. Gleichzeitig musste ich feststellen, dass es bei dieser Sache mit der Angst nicht nur Schwarz oder Weiß gibt, auch wenn ich das gern gehabt hätte. Jedes Mal, wenn ich zögerliche Schritte in Richtung Freiheit und Reisen unternahm, suchten mich auch wieder die Ängste heim. Darum schreibe ich dieses Buch - für alle, die das tiefe Tal der Angst kennen und die nun allmählich wieder bereit sind, sich die Welt und das bunte Leben zurückzuerobern.
Die Angst ist zwar noch da, aber du bist über die Phase hinaus, dass sie dich total lähmt. Mit diesem Buch möchte ich dir Mut machen. Mut, dich aufzumachen und deine Sehnsüchte zu leben - auch wenn du jetzt noch Ängste hast. Warte nicht auf den Moment, bis du endlich wieder »total angstfrei« bist. Gehe los, mit der Angst im Gepäck! Lass dich auf die Erfahrungen ein, ganz gleich, was da kommen mag. Ich möchte dir mit meinem in vierzehn Jahren gesammelten Erfahrungsschatz hilfreich zur Seite stehen und dir mit diesem Buch einen kleinen Begleiter an die Hand geben, der dich auch in schwierigen Situationen versteht und trägt. Sag Ja zu dem Abenteuer, das sich Leben nennt!
Durch meine Zeit mit der Angststörung habe ich enorm viele Bücher gelesen, die sich mit Selbsthilfe bei Angst und Panik, aber auch dem ganzen Rattenschwanz an dazugehörigen psychologischen Themen beschäftigten. Dabei griffen mir die meisten Autoren einfach zu kurz. Entweder wurde eine schnelle Lösung propagiert: simple Lach-doch-mal-wieder-Techniken, beschrieben von Leuten, die das volle Ausmaß körperlicher Angst gar nicht erfassen konnten und die unter Angst lediglich »Bammel« und subtiles Unwohlsein verstanden. Oder ich stieß auf zentnerschwere, komplizierte Fachliteratur, die im Bemühen, die Psychologie der Angst zu ergründen, kalt und teilnahmslos wirkte. Viele Ratgeber stammen von Therapeuten, also »Menschen vom Fach«. Wer nun allerdings die körperlich spürbare Form von Angst nur aus dem Studium und von Erzählungen der Patienten kennt, der neigt möglicherweise dazu, Angst als etwas abzutun, was nur im Kopf beginnt und dementsprechend auch dort wieder ganz leicht beendet werden kann.
Ich wollte mehr von einem Buch. Ich wollte eines, das mir hilft! Ein Buch, das mich begleitet, dessen Worte mir guttun, auch in unmittelbaren Momenten der Angst, das mich versteht, aufbaut und mir Hoffnung macht. Da ich so ein Buch nicht fand, schreibe ich es nun selbst. Ich schreibe es für dich, um dich zu unterstützen, gleichzeitig aber auch für mich. Denn das Schreiben hilft mir, mich immer wieder an meine innere Weisheit zu erinnern. Ich komme dabei mir selbst auf die Schliche und finde zu größerer Klarheit.
Meine Ratschläge laufen am Ende vielleicht sogar auf dieselben Tipps wie die der »Menschen vom Fach« hinaus. Ich hoffe jedoch, dass ich vermitteln kann, wie gut vertraut mir Ängste sind. Über viele Jahre musste ich lernen, dass eine Angststörung (wie jede andere Krankheit auch) nicht auf magische Weise durch ein Fingerschnippen verschwindet. Natürlich gibt es Atem-, Klopf- und Entspannungstechniken. Es gibt auch Medikamente und Spritzen. Und sicherlich entfaltet jede Methode ihre Wirkung, besonders, wenn du wirklich daran glaubst. Die Angst ist jedoch kein gebrochenes Bein, das zurechtgerückt, geschient, geschont und trainiert werden muss, bis es wieder funktionstüchtig ist. Angst kann Teil deiner Wesensart und dein ganz persönliches Ventil sein, um innere Belange auszudrücken, sichtbar zu machen. Angst ist so viel mehr als ein ärgerlicher Störfaktor! Vielleicht hast du mehr Glück, und deine Angst hat dich nicht so tief gepackt wie meine mich all die Jahre. Aber im Grunde ist das egal. Tatsache ist, dass ein Übermaß an Ängsten deine Lebensqualität gewaltig einschränkt. Auch dir scheinen die friedvolle Leichtigkeit und die fröhliche Lebendigkeit abhandengekommen zu sein.
Damit du dir ein Bild von meinen Erfahrungen mit Angst und Panik machen kannst, möchte ich ein bisschen ausholen und meine Geschichte erzählen.
Ich war noch keine zwölf Monate von zu Hause fort und absolvierte mein freiwilliges Jahr in einem Filmzentrum, denn ich wollte unbedingt Regisseurin werden und Dokumentarfilme drehen. Gerade zwanzig geworden, reiste ich gern in der Weltgeschichte herum, lud oft Freunde zu mir nach Hause ein und war bereit, die Welt zu erobern. Ich hatte viel vor im Leben und ahnte nicht, dass ich bald total ausgebremst werden würde. Jetzt im Nachhinein sehe ich die Vorboten meiner Angststörung ganz deutlich. So hatte ich mich ein paar Monate vorher intensiv mit dem Thema »Sterben« auseinandergesetzt. Die aufkommende Verzweiflung über die eigene Endlichkeit hatte ich jedoch einfach weggedrückt. In Wahrheit rumorte aber ein lang anhaltendes Trauma in mir, das sich in meiner Kindheit durch meine gesundheitlichen Erfahrungen und zahlreiche Krankenhausaufenthalte entwickelt hatte.
An einem Tag im September saß ich ahnungslos bei der Arbeit, war am Computer beschäftigt, als ich plötzlich spürte, wie mein Herz stolperte. Das Blut begann in meinen Ohren zu rauschen, und mir war auf einmal ganz seltsam und benommen zumute. Instinktiv legte ich mich neben dem Schreibtisch auf den Fußboden, zittrig und verwirrt. Ich dachte, meine letzte Stunde sei gekommen. Mein Chef sah mich da liegen und meinte etwas ungehalten, dass ich doch im Ruheraum das Sofa nehmen solle, wenn ich mich nicht gut fühlte. Keine Ahnung, wie ich es dorthin geschafft habe. Da lag ich dann, vollkommen fertig mit der Welt - zutiefst aufgewühlt und unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Ein guter Freund hatte sich neben mich gesetzt. Er schaute mich mit großen traurigen Augen an, weil er vielleicht ähnlich erschrocken und besorgt war wie ich. Wie man sieht, bin ich damals nicht gestorben. Ich wurde noch zum Arzt gefahren, der nur wenig einfühlsame Worte für mich übrig hatte, dann lag ich krankgeschrieben zu Hause in meinem Bett und telefonierte verheult mit meinem Freund. Das ist nun über zehn Jahre her. Inzwischen weiß ich, dass noch viel schlimmere und stärkere Panikattacken auf mich warteten, und dass ich auch diese überlebt habe.
Zum Studieren zog ich mit meinem Freund zusammen. Kaum hatten die Vorlesungen begonnen, sah ich mich wieder mit Panikattacken konfrontiert.
Die ganze Zeit beobachtete ich meinen Körper skeptisch, jede Regung, jede Abweichung von einer selbst festgelegten Norm wurde von mir registriert und überdramatisch interpretiert. Ich hatte Angst, dass etwas mit mir nicht in Ordnung sei. Dass ich vielleicht eine Krankheit hätte, die gefährlich sei. Dass ich nicht mehr lange zu leben hätte. Ich hatte solche Angst, bald zu sterben, obwohl mir jeder rein äußerlich wohl nur beste Gesundheit bescheinigt hätte. Ich versuchte mit aller Macht, meine Ängste zu verdrängen, aber sie tauchten immer wieder auf - und jedes Mal fühlte sich alles bedrohlicher an als vorher. Ich verstand diesen komischen Zustand, mich selbst nicht.
Ich klapperte alle möglichen Ärzte ab, weil ich sofort von meinen Sorgen befreit werden wollte. Die »Götter in Weiß« waren zwar in der Lage, mich für kurze Zeit zu beruhigen, doch die Angst kehrte immer wieder.
In der Hoffnung auf eine Lösung ging ich zum Unipsychologen.
Der kleine Raum war muffig und wenig einladend. Der Mitarbeiter des Psychosozialen Diensts bot mir ein Glas Wasser an. »Wo drückt denn der Schuh?« Stammelnd suchte ich nach Worten. Dann beschrieb ich ihm einfach meine letzte Panikattacke: Ich sitze im Hörsaal, höre den Professor über Emile Durkheim und soziale Normen referieren, als mich plötzlich der Schlag trifft.
Meine ich zumindest. Von einem Moment auf den anderen fängt mein Herz an zu rasen, mir ist total schwindlig, und es fiept im rechten Ohr. Ich ringe um Luft. Ich kriege eine Krise! Irgendwie schaffe ich es, meine Sachen zu packen und aus der Vorlesung zu fliehen. Draußen auf dem Gang sitze ich auf einer Bank und bin mir ganz sicher, dass ich ins Krankenhaus muss. Stattdessen fange ich an zu heulen. Soziale Norm bin ich schon mal nicht!
So kam ich ins Reden, meine Gefühle sprudelten nur so hervor. Der Unipsychologe hörte sich alles wenig beeindruckt an, nickte dann, als hätte er das alles schon einmal gehört, und sagte, er wolle mir mal einen Ratschlag geben. Ich setzte mich aufrecht hin, war...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.