Schweitzer Fachinformationen
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Die letzten Tage waren verregnet, Wind kam auf, der Sommer schien sich zu verabschieden. Es wurde kälter, nahezu ungemütlich. So wollte er die Zeit nutzen, um im Haus ein wenig aufzuräumen, Papiere zu sortieren, Platz zu schaffen für Neues. Dabei fiel ihm ein Reiseprospekt in die Hände. Das Reiseunternehmen warb mit dem Slogan "Komfortabel - familiär - freundlich". Er wurde neugierig, kannte er doch dieses Unternehmen, seine Erwartungen waren bisher immer erfüllt worden.
Neugierig blätterte er ein wenig, eigentlich ohne Ziel, als ihm die Ankündigung "SÜDTIROLS FÜNFTE JAHRESZEIT" ins Auge fiel. Landläufig gesprochen, denn sie fiel ja nicht, sondern sie wurde von ihm erblickt. Was sollte sich dahinter wohl verbergen. Im Prospekt war keine weitere Erläuterung zu finden, nur noch der Begriff Törggelen. Also war Törggelen das Ziel, der Bestimmungsort. Schnell waren seine Frau und er sich einig und buchten.
Als sie in den folgenden Tagen von Freunden und Bekannten gefragt wurden, wohin denn die Reise gehe, sagten sie stets, nach Törggelen, was von den Fragenden mit Schulterzucken beantwortet wurde, ihnen also nicht bekannt war. Törggelen, wo liegt denn das, war oft die Frage. Bei Bozen oder Brixen, eben irgendwo dazwischen. Man beruhigte sich. In der Tat konnten schließlich auch die anderen nicht alles wissen, auch wenn sie zuweilen weit gereist waren. Vielleicht hatten sie es auch vergessen. Überdies fielen auch ihm manches Mal die richtigen Begriffe oder besonders die Namen von Personen nicht gleich ein.
Er hatte seinen Hausarzt befragt. Dieser wollte ihn beruhigen: "Nicht alles ist Demenz, nicht alles ist Alzheimer", war die Antwort. Der Arzt hatte nachfolgend mit einem Beispiel seine Antwort untermauern wollen, es ihm so anschaulich wie möglich erläutert: "Sie müssen sich das Gehirn wie eine Schublade vorstellen, etwa die, wo sie ihre Unterhosen unterbringen. Wenn sie immer neue kaufen, müsen sie gelegentlich Platz für diese schaffen, also aussortieren. Vielleicht die alten zuerst, die grauen, gerippten oder neuere, weil sie mit den Trageeigenschaften nicht zufrieden waren oder so. Sie können mir folgen? Genauso ist das mit Ihrem Gehirn. Wenn neue Informationen erfolgen, müssen alte weichen, werden gewissermaßen aussortiert. Die neuen Gedanken finden mitunter oberflächlich Platz, manche auch in der Tiefe, je nach Bekanntheit oder Interesse. Beim Erinnern finden sie dann das eine sofort, etwa das, was sie besonders interessiert, oder anderes erst Tage später, weil es für sie weniger wichtig war." Bei den Unterhosen - wie kam sein Hausarzt eigentlich auf Unterhosen, er war doch heute gar nicht von ihm untersucht worden - konnte er folgen, aber beim Gehirn? Es war also noch keine Demenz und nur das war ihm wichtig. Sollte die Reise doch Klarheit schaffen.
Mit dem Bus ging es alsbald in den Süden. Vorbei an Suhl, Bamberg, Ingolstadt, München und weiter über den Brenner in die Berge, die höher und höher wurden, imposant wirkten und Ehrfurcht auslösten. "Oh Täler weit, oh Höhen", fiel ihm ein; andere waren sicher auch so beeindruckt gewesen wie er jetzt.
Das Hotel war eines mit vielen Superlativen, mit allem, was eben ein Fünf-Sterne-Hotel so bieten kann. Der Busfahrer, gleichzeitig Chef des Reiseunternehmens, nach dem Motto, hier ist der Chef noch vor Ort, wurde vom Chef des Hotels freundlich umarmt, man kannte sich also gut, was auf alle Reiseteilnehmer gewissermaßen als Funke der Freundschaft und Herzlichkeit übersprang. Später sollte er auch das Essen nicht nur köstlich finden, sondern es auch in Superlativen loben können. Auch hier war der Chef eben vor Ort.
Die folgenden Tage waren angefüllt mit Sehenswertem, Großartigem, Erstaunlichem, Unbeschreiblichem, Phänomenalem. Es ging zum Klarer See mit seinem smaragdgrünen Wasser, anschließend weiter ins Etschtal zum Kalterer See und weiter zur Weinverkostung. Hier hatte er Glück - seine Frau nippte nur an den köstlichen Weinen der wohl bekannten Kellerei - immer ein wenig mehr als die anderen trinken zu können, was seiner Stimmung nicht unbedingt abträglich war.
Am folgenden Tag fuhr man aus dem Pustertal hinaus über eine sich nach oben schlängelnde, mit 33 Kehren gespickte Straße zum Grödnerjoch über einen der schönsten Dolomitenpässe und weiter zum Törggelen. Jetzt endlich kam die Auflösung des geheimnisvollen Wortes. Nicht nach Törggelen sondern zum Törggelen ging es in eine Buschenschenke.
Ihm fiel eine Begebenheit, kürzlich erlebt, ein. Ein Migrant - er wohnte einige Straßen weiter - kam schnell des Weges, als er seinen Rasen vor dem Haus mähte. Er war schon öfter vorbeigekommen, natürlich auch dann, wenn er keinen Rasen mähte, wer mäht schon ständig Rasen? Man grüßte immer freundlich, so auch an besagtem Tag. Auf die Frage: "Wo willst du denn so schnell hin", antwortete Hassan: "Bei Lidl." Er hielt beim Mähen inne und verbesserte Hassan: "Zu Lidl." - "Wieso hat Lidl zu, war doch vorhin noch auf", entfuhr es Hassan. Warum fiel ihm diese Begebenheit jetzt ein? Auf die Präposition kam es an, wie bei den Worten zum oder nach Törggelen.
Die Südtiroler Reiseführerin erklärte der Reisegruppe die Bedeutung und Herkunft des Törggelen. Seit vielen Jahren, früher wie auch heute, sind die Hofbesitzer, also die Bergbauern auf Hilfe angewiesen, etwa beim Ernten der Äpfel oder bei der Weinlese. Auch heute noch sind in Südtirol circa 20 000 Hilfskräfte im Einsatz, aber das nur am Rande bemerkt. Der Hofbauer bedankt sich nach Saisonabschluss mit einem kleinen Fest zu dem neben dem jungen Hauswein auch Schlachtware, süße Backwaren und geröstete Maronen gereicht werden. Heute nun wird diese schöne Sitte erweitert, natürlich zeitlich begrenzt und behördlich genehmigt, und so kommen auch Touristen, einzeln und in Gruppen, in den Genuss des Törggelen. Man wird verwöhnt mit Köstlichkeiten aus der Heimat der Hofbauern, mit Gebratenem, Fleisch und Wurst vom Schwein, mit Sauerkraut, Hauswein, gebrannten Maronen und abschließendem Obstler, der natürlich nur der besseren Verdauung dienen soll. Zur Freude aller gehört auch zünftige Musik zum Törggelen.
Selbstredend stand auch Bozen auf dem Programm als ein Muss dieser Reise. Vom Waltherplatz, nach Walther von der Vogelweide benannt - er soll hier aus der Nähe stammen - ging es weiter über die Laubengasse mit den arkadenförmig überbauten Fußwegen und den dreigeteilten, von einem zum anderen Straßenzug reichenden Häusern zum Marktplatz. Hier gab es alles, was Südtirol zu bieten hat, frisch vom Baum oder Strauch, frisch aus der Käse- oder Metzgerei, also alles, was Herz und Bauch begehrten. Natürlich wurde auch dem Dom und dessen Besichtigung großes Interesse gewidmet. Über den Bahnhof führte dann der Weg später zur Rittner-Seilbahn und mit dieser hinauf nach Oberbozen.
In nur 15 Minuten war man von 200 auf 1200 Meter emporgehoben. Nach dem Verlassen der oberen Seilbahnstation erschloss sich ein Plateau unbeschreiblichen Ausmaßes. Hell erstrahlte der Bahnhofsvorplatz in der Sonne. Ein in Tiroler Tracht gekleideter Musiker spielte mit Zitter und Glockenspiel zu Herzen gehende Heimatlieder und begleitete diese mit seiner wohlklingenden Stimme. Er verkürzte den Wartenden die Zeit, bis sie schließlich die Schmalspurbahn besteigen konnten, um für etwa 20 Minuten das Plateau entlangzufahren. Zwischen den die Gleise umsäumenden Bäumen hindurch erblickte man moderne Häuser, Sportstätten und immer wieder einzelne Bauernhöfe mit auf den Wiesen weidenden Kühen.
Nach einem köstlichen Mahl schloss sich fußläufig ein Besuch der Erdpyramiden an, die wohl nicht nur einmalig und selten, sondern auch erdgeschichtlich bedeutsam, vor allem aber sehr schön anzusehen sind. Beim Blick in die Ferne zeigten sich die Dolomiten in ihrer ganzen Schönheit. Besonders das langgezogene Massiv des sogenannten Rosengartens fiel ins Auge. Der Name kam wohl einer Sage nach von einer jungen Schönheit, die vor ihrer Verwandlung in Stein Rosen gestreut haben soll. Bei entsprechender Sonneneinstrahlung leuchten die Felsen in den Morgen- und Abendstunden rötlich, eben wie die Farbe von Rosen. Auf die Schilderung von deren Entstehung soll aber hier verzichtet werden.
Unterhalb der Felsen, im dunklen Grün erstreckten sich hohe Tannen und weiter darunter, schon im Tal, hellgrün leuchtende Wiesen mit weidenden Kühen und Ziegen. Kleine Dörfer belebten den Blick mit ihren weißen Fassaden. Meist etwas oberhalb, höher erblickte man schmucke Kirchen mit ihren spitzen Türmen. Die Dächer schimmerten entweder rot, dem Bistum Bozen oder grün, dem Bistum Salzburg zugehörend. Eine kleine Geschichte, von der Reiseführerin vorgetragen, regte zum Schmunzeln an: Zwei Pfarrer kehrten nach einem Seminar in ihre Gemeinden zurück und verabredeten sich für den nächsten Tag zur...
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