Schweitzer Fachinformationen
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David Kapetanidis
Es sollte wieder einmal einer dieser langweiligen Sommerurlaube werden, in denen wir uns wie jedes Jahr in einer der griechischen touristischen Hochburgen tummeln, um uns die Tage durchzuschlagen. Bilder, wie unsere Kinder früh morgens aus ihren Betten, gequält von der Hitze, zum Frühstücksbuffet in die Lobby laufen, um sich stumm etwas zum Frühstück holen zu dürfen, am Tisch gar nicht mehr reden und dabei nur das Tassenklirren der genervten Urlauber hören würden, gingen mir schon durch den Kopf. Darüber hinaus müsste ich die erdrückende Hitze aushalten und dabei versuchen, jeden Morgen als Erster den Pool oder den Strand zu erreichen, um die beste Sonnenliege einschließlich Badetuch zu ergattern. Dann vor dem Meer in der Sonne liegen, ab und zu zum Abkühlen ins Wasser springen, damit man die Hitze übersteht, und dann am Nachmittag die gleiche Prozedur, um am Abend durch die lebhaften, aber doch sehr trostlosen Gassen des Dorfes zu schlendern und darüber nachzudenken, wie schön es doch im Urlaub ist. Natürlich gehört zu so einem unromantischen Urlaub auch der alljährliche Routinekontakt zu den Einheimischen, die man in den Souvenirläden trifft und dabei das eine oder andere Souvenir ins Visier nimmt, um es eventuell aus dem schönen Urlaub den Freunden und Verwandten mitzubringen.
Das kann es doch nicht sein, dachte ich mir und bewegte mich Richtung Büroausgang. Ich wollte meinen Wagen vom Parkplatz holen, um noch kurz vor Ladenschluss im gewohnten Reisebüro am Rathausplatz die Flüge für unseren Griechenlandurlaub zu buchen. Griechenland musste es sein! Das war bei uns Tradition. Mein Vater war ein Griechenlandfreund, meine Mutter besuchte das Land seit ihrer Kindheit bis zu ihrem Tode. Warum sollte es nun anders sein? Griechenland kannte ich wie meine Westentasche. Ja, ich liebte dieses Land, aber irgendwie hatte ich den touristischen Einheitsbrei der letzten Jahre auch satt. Auf dem Weg zum Auto kamen mir Gedanken der Trostlosigkeit und der Langeweile und ich musste seufzen. Ich seufzte laut …
»Das kann es doch nicht sein«, sagte ich mir bei jedem Schritt, der mich dem Urlaub näher brachte. Meine Gedanken pendelten zwischen schwarz und weiß, zwischen gut und böse. Bilder in meinem Kopf von den Schönheiten des unendlich weiten Meeres mit seinen Kähnen und Fischerbooten darauf. Und dann solche von der flirrenden Hitze und von den nervtötend zirpenden Zikaden. Ich weigerte mich ins Auto zu steigen. »Nein, das kann es nicht sein!«
Zum Glück hatte ich noch etwas im Büro vergessen. Der Weg ins Reisebüro, in den Urlaub, war aufgeschoben. Zunächst. Ich kehrte gerade zurück ins ordentlich geheizte Firmengebäude, als ich im Eingangsbereich den Kollegen Steiner aus der Managementabteilung traf.
»Einen flotten Sommer, wünsche ich Ihnen, Herr Maler«, sagte er mit einem zufriedenen Lächeln und ich war erstaunt, woher dieser Mann seine ständig gute Laune nahm.
»Ebenso, Herr Steiner«, erwiderte ich und war sogleich fassungslos und auch ein wenig neidisch, dass ich mich von solchen Gefühlsduseleien beeinflussen ließ. Mein Blick wanderte auf ein Buch, das Herr Steiner unter seinem Arm trug. Die Bilder auf dem Deckblatt waren mir nicht unbekannt. Ich erblickte die Figuren zweier byzantinischer Ikonen, die ich schon sehr oft während meiner Griechenlandurlaube gesehen hatte. Ich hatte aber nie einen Gedanken daran verschwendet, mich genauer mit der Ikonenmalerei zu beschäftigen. Klar, als überzeugter Atheist. Ich zeigte eher ein leidenschaftsloses touristisches Interesse wie jeder Urlauber, wenn er zur Abwechslung vom Strand mal durch eine Kirche schlendert und dabei Aufmerksamkeit heuchelt und hier und da bemerkt: »aha …, schön …, sehr interessant …«.
»Fahren Sie auch nach Griechenland, Herr Steiner?«, kam es aus mir heraus, als ob es für mich wichtig wäre, als ob ich das Gefühl der Langeweile mit ihm teilen wollte, wenn es möglich wäre. Vielleicht aber tat ich es aus der Gewissheit heraus, dass ich ihn anrufen könnte, wenn mich diese schlimmen Gedanken erdrücken würden.
»Ja, Herr Maler, mein Bruder ist vor zehn Jahren nach Griechenland gezogen und hat sich auf dem Berg Athos in einer Einsiedelei niedergelassen. Ich besuche ihn jedes Jahr.«
Der Berg Athos, der zur dreifingrigen Chalkidiki-Halbinsel gehört, bildet zusammen mit den beiden anderen Fingern Kassandra und Sithonia drei schmale Landzungen ins Ägäische Meer. Der Athos ist die östlichste und gebirgigste von ihnen. Die Form der Chalkidiki kannte ich gut. Während meiner unzähligen Besuche in Griechenland hatte ich die drei Landzungen jedes Jahr vom Fenster des Fliegers aus gesehen, wenn der Himmel über Nordgriechenland wolkenfrei war. Ich war allerdings nie auf den Gedanken gekommen, dass auf dem Berg Athos Menschen leben, geschweige denn Eremiten oder Asketen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Menschen ihr Hab und Gut hinter sich lassen, um auf den vom Wasser umgebenen rauen Felswänden zu leben.
»Ich besuche ihn übernächste Woche und wollte gerade meinen Flug buchen. Hätten Sie nicht Lust, mich auf diese Reise zu begleiten? Soviel ich weiß, sind Sie doch auch Griechenlandfan? Und Ihr richtiger Sommerurlaub beginnt doch bestimmt erst später«, sagte er.
Ich wollte mich schon bedanken und mich verabschieden, doch der Gedanke an einen Urlaub ganz ohne Touristen war verlockend. Und da ich ja auch ins Reisebüro wollte … Die Flüge für den Familienurlaub würde ich erst für Mitte August buchen. Ich hatte also noch genug Zeit für einen kurzen Ausflug mit Herrn Steiner. Finanziell ging es uns immer ganz gut und in der Firma war gerade auch nicht viel zu tun. So fuhren wir also gemeinsam ins Reisebüro und buchten Flüge nach Thessaloniki.
Warum ich mitgefahren war, konnte ich mir eigentlich auch dann noch nicht erklären, als ich mit Herrn Steiner in der Maschine saß. Wahrscheinlich war es schlicht die Freude auf das Meer, auf die Düfte der Bäume und Sträucher und die Freude auf die trillernden Schwalben und Zikaden.
Da waren wir nun im Flieger Richtung Mittelmeer. In der Hoffnung etwas Neues zu erleben, saß ich da und war völlig begeistert, als das Flugzeug kurz vor der Landung in Thessaloniki eine Runde um die Bucht des Thermaischen Golfs drehte. Ich schaute aufs Meer und wollte wie ein kleines Kind danach greifen. An den Stränden tummelten sich die Menschen. Einige Fischer waren mit ihren kleinen Booten auf das türkisblaue Wasser hinausgefahren, um zu fischen. Kaum hatte ich diesen tollen Anblick auf mich wirken lassen, da landete die Maschine bereits auf dem Flughafen der zweitgrößten Stadt Griechenlands. Im Hintergrund erkannte ich den großen Vulk, den ich als Student einmal erklommen hatte.
Die Fluggäste standen auf und die Türen öffneten sich. Der warme Nachmittagswind und die Meeresbrise drangen wie ein herzlicher Willkommensgruß in die Maschine ein, noch ehe wir ausgestiegen waren. Wie ein kleines Kind freute ich mich jetzt, wieder in meiner zweiten Heimat zu sein. Griechenland war für mich eben doch wie ein Zuhause. Das Land, in das ich mich verliebt hatte und in dem ich die schönsten Momente meines Lebens erlebt hatte.
Nach ein paar Formalitäten an der Passkontrolle und einem kurzen Warten an der Gepäckausgabe stiegen wir in das Taxi und erreichten nach wenigen Fahrminuten unser Hotel, in dem wir an diesem Abend übernachten wollten. Von hier aus sollte es am frühen Morgen des nächsten Tages nach Ouranoupolis gehen, in die »Himmelsstadt« vor dem Heiligen Berg Athos. Am Abend bummelte ich durch Thessaloniki. Am Platz nahe dem Hafenbecken schlendern tagein, tagaus so viele Menschen, doch an diesem Tag fühlte ich eine andere Stimmung als sonst. Der Juli-Mond schimmerte auf dem Wasser und es überkam mich ein Gefühl von Vertrautheit, aber vor allem von Wärme und Freude. Das Meer, die Ägäis, auch wenn man ihr hier einen anderen Namen gibt, der Thermaikos, glitzerte erhellt vom Licht des Mondes. Von Herrn Steiner erfuhr ich, dass es in Griechenland für das Meer gleich fünf Bezeichnungen gibt. Pelagos, Thalassa, Als, Pontos und Okeanos. In mir bekam das Meer eine vielseitige Gestalt.
Wir schliefen gut in dieser Nacht und traten noch vor Sonnenaufgang den Weg nach Ouranoupolis an, von wo aus wir auf das tägliche Boot in Richtung der Mönchsrepublik stiegen. Neben mir saß ein Mönch, der sein Haupt gesenkt hatte und demutsvoll das Meer betrachtete. In seiner Hand hielt er eine schwarze Gebetsschnur aus Baumwolle und sprach ein Gebet, das ich unmöglich verstehen konnte, und trotzdem erschien es mir sehr nahe. Den Mönch begleiteten zwei Möwen. Sie krächzten nicht wie ihre Artgenossen auf dem Oberdeck, sondern flogen neben ihm her, als würden sie ihn bei seinen Gebeten begleiten. Ab und zu legten sie eine Pause ein und tauchten ins Wasser. Sie kamen immer wieder mit einem Fisch im Schnabel heraus und sahen sehr dankbar aus. Auf dem Oberdeck wurde es sehr...
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