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Nach einer langen Klausur unter strenger Beachtung der Nahrungseinschränkungen, die mit der Trauer verbunden waren, und nachdem sie den Körper von Katsuro mit Hilfe eines heiligen Stoffs, der dazu diente, die Unreinheiten aufzusaugen, blank gerieben hatte, hatte Amakusa Miyuki sich dem Ritual unterworfen, das sie von der durch den Tod ihres Mannes herbeigeführten Beschmutzung reinigen sollte. Doch da es undenkbar war, dass die junge Frau in denselben Fluss eintauchte, in dem Katsuro ertrunken war, hatte der Shinto-Priester sich mit zusammengekniffenen Lippen damit begnügt, einen Kiefernzweig über ihr zu schütteln, dessen unterste Verästelungen mit dem Wasser des Kusagawa befeuchtet worden waren. Danach hatte er ihr versichert, dass sie jetzt wieder ins Leben zurückkehren und den Göttern ihren Dank bezeugen könne; diese würden es nicht versäumen, ihr Mut und Stärke zu verleihen.
Miyuki hatte nur allzu gut begriffen, was hinter den tröstenden Worten des Priesters steckte: Er hoffte, dass die junge Frau ihm trotz ihrer durch Katsuros Tod erschwerten Situation einen konkreten Ausdruck ihrer Dankbarkeit aushändigen würde, den sie den kami1 schuldete.
Aber wenn Miyuki den Göttern gegenüber auch eine große Dankbarkeit empfand, weil sie sie von ihren Beschmutzungen reingewaschen hatten, konnte sie ihnen doch nicht verzeihen, dass sie zugelassen hatten, dass der Fluss Kusagawa, der letztlich selbst nichts weniger als ein Gott war, ihr ihren Mann genommen hatte.
Sie hatte sich daher auf eine bescheidene Gabe beschränkt, die aus weißem Rettich, einem Strauß Knoblauchknollen und einigen Kuchen aus Klebreis bestand. Geschickt in ein Tuch eingewickelt, wirkte die Gabe vor allem wegen der Riesenhaftigkeit mancher Rettiche viel größer, was auf ein sehr viel bedeutsameres Geschenk schließen ließ. Der Priester hatte sich täuschen lassen und war befriedigt gegangen.
Danach hatte Miyuki sich gezwungen, das Haus zu putzen und aufzuräumen, obwohl es nicht zu ihren Gewohnheiten gehörte, Ordnung zu machen. Sie war eher jemand, der die Gegenstände herumliegen ließ, ja sie sogar bewusst verstreute. Aber Katsuro und sie besaßen ohnehin nur sehr wenig. Diese Dinge hier oder dort wiederzufinden, bevorzugt dort, wo sie nichts zu suchen hatten, gab ihnen eine flüchtige Illusion von Überfluss. »Ist diese Reisschale neu?«, fragte Katsuro. »Hast du sie vor kurzem gekauft?« Miyuki führte ihre Hand zum Mund, um ein Lächeln zu verbergen. »Sie hat immer schon auf dem Regal gestanden, die sechste Schale von hinten - du hast sie von deiner Mutter bekommen, erinnerst du dich nicht mehr?« Die Schale war einfach nur über die Matte, auf die Miyuki sie hatte fallen lassen (und sie hatte es versäumt, sie sofort wieder aufzuheben), gerollt und hatte, als sie stehen geblieben und umgefallen war, in einem Sonnenstrahl anders geschimmert als sonst, so dass Katsuro sie nicht sofort wiedererkannt hatte.
Miyuki stellte sich vor, dass die wohlhabenden Leute in einem ständigen Durcheinander lebten, nach dem Beispiel der Landschaften, deren Schönheit gerade in ihrer Unordnung bestand. Daher war der Anblick des Flusses Kusagawa niemals aufregender als nach einem starken Schauer, wenn die Wildbäche, die ihn nährten, ihm braunes, erdiges Wasser zuführten, in dem Bruchstücke von Rinde, Moos, Kresseblüten und verfaulende, schwarze, verschrumpelte Blätter herumwirbelten; der Kusagawa verlor dann sein schimmerndes Aussehen und bedeckte sich mit konzentrischen Kreisen und Schaumspiralen, wodurch er Ähnlichkeit mit den Strudeln der Naruto-Meerenge im Seto-Binnenmeer bekam. Die Reichen, dachte Miyuki, wurden vermutlich auf die gleiche Weise von den zahllosen Strudeln von Geschenken überschwemmt, die ihre Freunde (zwangsläufig ebenso zahllos) ihnen machten, und von all diesen blendenden Nichtigkeiten, die sie unbekümmert bei den Straßenhändlern kauften, ohne sich zu fragen, ob sie jemals irgendetwas damit anfangen könnten. Sie brauchten immer mehr Platz, um ihren Nippes aufzustellen, ihre Küchengeräte unterzubringen, ihre Stoffe aufzuhängen, ihre Salben aufzureihen und all diese Reichtümer einzulagern, deren Namen Miyuki manchmal nicht einmal kannte.
Es war ein ewiges Rennen, ein erbitterter Wettstreit zwischen den Menschen und den Dingen. Der Gipfel des Reichtums war wohl erreicht, wenn das Haus wie eine reife Frucht unter dem Druck der Vielzahl von Nutzlosigkeiten, mit denen man es vollgestopft hatte, platzte. Miyuki war niemals Zeugin eines solchen Schauspiels geworden, doch Katsuro hatte ihr erzählt, dass er auf seinen Reisen nach Heian-kyo2 einmal gesehen hatte, wie Bettler die Trümmer stolzer Häuser durchsucht hatten, deren Mauern von innen scheinbar umgepustet worden waren.
In dem Haus, das Katsuro mit seinen eigenen Händen gebaut hatte - ein Raum mit einem Boden aus gestampfter Erde, ein weiterer mit einem Fußboden aus nacktem Holz und unter dem Strohdach ein Speicher, zu dem man über eine Sprossenleiter gelangte, das Ganze von bescheidener Größe, denn er hatte sich entscheiden müssen, entweder Mauern hochzuziehen oder Fische zu fangen -, gab es vor allem Gerätschaften für den Fischfang. Sie dienten zu so gut wie allem: Die Netze, die zum Trocknen vor die Fenster gehängt wurden, waren zugleich die Vorhänge und gestapelt ein Schlaflager, abends benutzte man die Schwimmer aus hohlem Holz als Kopfstützen, und die Utensilien, die Katsuro benötigte, um seine Fischteiche zu reinigen, waren dieselben, mit denen Miyuki ihre Mahlzeiten zubereitete.
Der einzige Luxus des Fischers und seiner Frau war der Topf, in dem sie das Salz aufbewahrten. Er war nur eine Kopie einer chinesischen Keramik der Tang-Dynastie, eine braune Glasur auf gebranntem Ton, geschmückt mit einem einfachen Muster aus Pfingstrosen und Lotusblumen, doch Miyuki schrieb ihr übernatürliche Kräfte zu; sie hatte sie von ihrer Mutter geerbt, die sie bereits von einer Vorfahrin bekommen hatte, die wiederum behauptete, sie sei schon immer in der Familie gewesen. Die Keramik hatte also mehrere Generationen auf dem Buckel, ohne eine einzige Schramme abbekommen zu haben, was in der Tat an ein Wunder grenzte.
Während das Aufräumen des Hauses innerhalb weniger Stunden erledigt war, brauchte Miyuki zwei Tage, um es gründlich zu reinigen. Das lag an dem Gewerbe, das dort betrieben wurde: das Fangen und die Aufzucht wunderschöner Fische, Karpfen in der Hauptsache. Wenn er vom Fluss zurückkam, nahm sich Katsuro nicht die Zeit, sich seiner Kleidung zu entledigen, die über und über mit klebrigem Schlamm bedeckt war, mit dem er bei jeder etwas hastigen Bewegung die Wände bespritzte, denn er konnte es kaum erwarten, so schnell wie möglich die Karpfen zu befreien, die in ihren Reusen aus Weide zappelten und Gefahr liefen, Schuppen zu verlieren oder eine ihrer Barteln (wodurch sie in den Augen der kaiserlichen Verwalter jeden Wert verlieren würden), und sie im Fischteich auszusetzen, der vor dem Haus für sie ausgehoben worden war - ein Becken in der Erde, nicht sehr tief, bis zum Rand gefüllt mit Wasser, das Miyuki während der Abwesenheit ihres Mannes mit Insektenlarven, Algen und Samen von Wasserpflanzen angereichert hatte.
Anschließend beobachtete Katsuro mehrere Tage lang ununterbrochen, auf den Fersen sitzend, das Verhalten seines Fangs, wobei er insbesondere jene überwachte, die er von Anfang an für würdig befunden hatte, in den Teichen der Kaiserstadt zu schwimmen, auf der Suche nach Anzeichen, die sie nicht nur als die Schönsten, sondern auch als die Kräftigsten auswiesen, um die lange Reise in die Hauptstadt zu überstehen.
Katsuro war nicht sehr gesprächig. Und wenn er sich äußerte, dann eher durch Anspielungen als durch Behauptungen, womit er seinem Gesprächspartner das Vergnügen überließ, die fernen Perspektiven eines unbeendeten Gedankens erraten zu dürfen.
Am Todestag ihres Mannes hatte Miyuki, als man die fünf oder sechs Karpfen seines letzten Fangs im Fischteich ausgesetzt hatte, es ihm gleichgetan, sich am Rande der Grube niedergekauert und sich von der Runde der Fische hypnotisieren lassen, die ängstliche Kreise beschrieben wie Gefangene, welche die Grenzen ihres Kerkers entdecken.
Sie war zwar imstande, die Schönheit mancher Karpfen einzuschätzen, oder zumindest die Energie und Lebhaftigkeit ihres Schwimmens, doch sie hatte nicht die geringste Ahnung von den Kriterien, nach denen Katsuro ihre Widerstandskraft beurteilt hatte. Daher hatte sie darauf verzichtet, die Dorfbewohner zu täuschen und vor allem sich selbst etwas vorzumachen, hatte sich erhoben, den Staub abgeschüttelt, sich vom Fischteich abgewandt und sich in ihrem Haus verschanzt - das letzte südlich des Weilers, erkennbar an den Muscheln, die in sein Stroh...
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