Schweitzer Fachinformationen
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In den Tagen vor dem Start bin ich indes alles andere als einsam. So vielen verschiedenen Menschen begegne ich: Ein Mann und eine Frau, die an mir vorübergehen, unterhalten sich auf Deutsch. Ich spreche sie an und erzähle, dass ich ebenfalls aus Deutschland komme. Der Mann stammt aus Hamburg und wohnt gar nicht weit weg von der Straße, in der ich gelebt habe. Wir unterhalten uns lange über mein Projekt, in den kommenden Wochen Peru zu durchqueren. Die Dame vermittelt mir einen Kontakt im Dschungel, der mir später auf meiner Reise möglicherweise helfen kann. Die beiden möchten meinen Fortschritt jedenfalls auf Instagram mitverfolgen.
Mit Uwe und Jonny von ravir film, die meinen Lauf in eindrücklichen Bildern festhalten, bespreche ich die wichtigsten Details. Sie mieten einen Pick-up und ein Fahrrad, um mich ein Stück begleiten zu können. Außerdem treffe ich Luis Felipe, einen jungen Läufer, den ich über Social Media kennengelernt habe. Wir verabreden uns zum Laufen durch den Park in Miraflores - eine willkommene Abwechslung nach so viel Herumsitzen im Flieger.
Am Nachmittag ruft mich José Miguel an, der Vater eines Freundes aus Bremen, den ich durch meine Vorbereitung auf mein Projekt kennengelernt habe. José ist über 70, aber wir verstehen uns so gut, dass im Nu eine Art Freundschaft zwischen uns entsteht. Er ist immens hilfsbereit und fährt mich durch die halbe Stadt, um eine peruanische SIM-Karte zu besorgen. Danach besuchen wir spontan Josés Vater, der bereits stolze 99 Jahre alt ist. Zum 100. Geburtstag im März nächsten Jahres wird groß gefeiert. Auch sein Enkel, mein Kumpel aus Bremen, wird dabei sein.
Sie alle lauschen mit Spannung meinen Plänen. Ich kann endlich meine Spanischkenntnisse einbringen und bekomme sogar Komplimente dafür. Ich werde aber auch gewarnt: Peru sei ein gefährliches Reiseland, und ich solle vor allem nachts und in einsamen Gegenden vorsichtig sein. Ich bin dankbar für jeden Hinweis und weiß zugleich, dass ich gar nicht werde verhindern können, in der Dunkelheit in der Wildnis unterwegs zu sein. Ich möchte auch nicht groß darüber nachdenken, ändern kann ich es ohnehin nicht.
Der Tag bietet das volle Programm, denn José Miguel kennt noch jemanden, den er mir vorstellen will: Gonzalo Rodriguez Larrain, den Gründer der Peru Runners. Diese Vereinigung von Laufbegeisterten nimmt seit 1984 das Land unter die Füße.
Mit Gonzalo Rodriguez Larrain von Peru Runners
Und sie befindet sich damit in einer alten Tradition: Bereits die Inka nutzten extreme Ausdauersportler, um auf schnellstem Wege wichtige Botschaften in alle Winkel ihres riesigen Reiches zu transportieren, das ja weit größer war als das heutige Peru. Die Boten, Chasqui genannt, rannten kreuz und quer über die Inka-Straßen, durch Wüsten, Regenwald und Gebirge. Dabei wechselten sie sich etwa alle 20 Kilometer an speziell dafür eingerichteten Stationen ab und übergaben in diesem frühmittelalterlichen Staffellauf die Nachrichten jeweils an einen frischen Läufer. So erreichten die Botschaften in beeindruckender Geschwindigkeit ihr Ziel.
Von den ursprünglich 30.000 Kilometern des Inka-Wegenetzes im Westen Südamerikas sind heute noch weite Strecken erhalten. Steingepflasterte Straßen führen in Peru in großer Höhe durchs Gebirge oder in den tiefsten Dschungel. Der berühmte Inka-Pfad nach Machu Picchu ist ein Teil davon. Und überall dort wandern und laufen noch heute Sportbegeisterte und halten damit einen Teil der Kultur am Leben, die Peru geprägt hat.
Als Gonzalo mir mit leuchtenden Augen davon erzählt, wird mir noch einmal bewusst, wie sich das, was ich vorhabe, immer mehr zu einem Mosaik zusammenfügt.
Gonzalo schenkt mir zwei Laufshirts seines Vereins und eine peruanische Flagge. Das freut mich besonders, denn ich möchte in drei Monaten mit einer solchen Flagge wieder in Lima einlaufen. Sie bekommt einen Ehrenplatz in meinem Rucksack und muss einfach noch reinpassen, da gibt es gar keine Diskussion.
Am Samstag stehe ich zum ersten Mal auf dem Platz, den ich als Startpunkt auserkoren habe: die Plaza de Armas, auch Plaza Mayor genannt - der älteste Platz Limas und Mittelpunkt der Altstadt. Der beeindruckende Regierungspalast sowie eine prachtvolle Kirche und andere Kolonialbauten reihen sich um diesen herrschaftlich anmutenden Ort. Und das Beste: Er ist vollständig autofrei, was in einer Stadt wie Lima, die von dauerndem Verkehrschaos geprägt ist, etwas heißt.
Hier, am historischen Springbrunnen in der Mitte des Platzes, werde ich morgen früh anfangen zu laufen. Und hier möchte ich in drei Monaten wieder ankommen.
Auf der Plaza Mayor zu stehen lässt mir die Tränen in die Augen steigen. Es war wahrlich ein sehr weiter Weg bis hierher.
Ich bin in Bremen aufgewachsen. Mein Vater lebte schon nicht mehr bei uns, als ich geboren wurde. Meine Mutter stammt aus der Türkei und kam mit der Heirat nach Deutschland, wo alle ihre Kinder geboren wurden: meine große Schwester Hülya, mein Bruder Baris und ich. Von Beginn an musste meine Mutter hart arbeiten, um uns durchzubringen. Aber sie wollte uns ein gutes Leben in Deutschland ermöglichen, uns die Voraussetzungen mitgeben, es in diesem Land zu etwas zu bringen. Dafür tat sie alles.
Als Kinder hatten wir gute und weniger gute Zeiten. Ich spürte vor allem, dass ich, im Unterschied zu vielen anderen, die ich kannte, keinen vermeintlich einfachen Weg einschlagen wollte. Als wir mit der Schule fertig wurden, erlernten die meisten meiner Freunde und Bekannten das, was man als »solide Berufe« bezeichnet. Doch ich fühlte mich in dieser Welt der Büros und geregelten Arbeitszeiten, der vorgezeichneten Karrieren immer außen vor. Es war nicht so, dass ich es nicht versuchte, mich für einen »normalen« Job zu begeistern. Ich saß sogar am PC und scrollte mich durch alle denkbaren Tätigkeitsbereiche von A bis Z, in der Hoffnung, etwas zu finden, das zu mir passte. Ich sah mich nirgendwo.
Ich wusste, ich wollte mich verwirklichen. Sport war von Beginn an ein extrem wichtiger Teil in meinem Leben, und der Traum, daraus einen Beruf zu machen, spukte in meinem Hinterkopf wie eine ferne Sehnsucht. Doch ich konnte sie noch nicht ganz fassen.
Es war ein langer Weg, bis ich hier in Lima stehen konnte, bereit für den Start.
Wenn ich gefragt wurde: »Was willst du eigentlich, Savas?«, hatte ich keine Antwort darauf. Ich wusste nur, dass ich es eines Tages vor Augen haben würde, klar und deutlich, und dass ich diesen Weg dann gehen würde, egal wie schwierig er wäre. Ich war bereit, alles auszuprobieren und Dinge anzugehen, die mich möglicherweise weiterbrachten. Das brachte mir bei meinen Freunden den Ruf ein, ein Macher zu sein.
Bis ich erkannte, wohin mich meine Beharrlichkeit führen würde, musste ich vor allem geduldig sein. Das war mir noch nie schwergefallen: Geduld haben, warten, verzichten. Diese Dinge haben mich seit meiner Kindheit geprägt. Ich hatte mich längst an sie gewöhnt und erkannt: Es macht mich stärker, dass ich die Fähigkeit dazu besitze.
Sportverrückt war ich schon immer. Schon der Kinderarzt und eine Erzieherin im Kindergarten hatten meiner Mutter nahegelegt, mich in Sportvereinen anzumelden, damit ich meine Energie loswerde. Dieser Savas, das sahen alle, war ein äußerst aktiver Junge. Das Training im Verein allein reichte mir nicht, und so nutzte ich jede Gelegenheit, mich auch sonst draußen auszupowern, selbst wenn ich eigentlich Stubenarrest hatte. Ich begann, mit Leidenschaft Fußball zu spielen, später auch Krafttraining und Mixed Martial Arts (MMA) zu betreiben. Inzwischen, mit Anfang 20, war ich nach Hamburg gezogen und trat regelmäßig in Wettkämpfen an. Ich bildete meinen Körper und Geist immer mehr aus, härtete mich innerlich und äußerlich ab und spürte längst, dass Hochleistungssport mir etwas gab, nach dem ich lange gesucht hatte.
Zudem wollte ich schon immer viel von der Welt sehen. Mit 23 Jahren beschloss ich spontan, mich für einen achtmonatigen Auslandsaufenthalt bei einer Gastfamilie im Sevilla zu bewerben. Es war eine großartige Zeit dort, in der ich nicht nur das Land, sondern auch die Sprache kennenlernte. Spanisch zu können sollte mir im Leben noch sehr nützlich werden.
Später besuchte ich spontan mit einem One-Way-Ticket ein MMA-Trainingscamp auf Phuket in Thailand. Drei Monate unter tropischen Bedingungen zu trainieren und mich mit anderen zu messen war eine besondere Erfahrung. Es trieb mich aus der Komfortzone und war gleichzeitig ein Riesenspaß.
Doch bald zeigte mir der Kampfsport etwas auf, das ich noch nie leiden konnte - Grenzen. Die Trainer und anderen Sportler mischten sich immer mehr ein: Ich müsse dies so und das auf jene Weise machen, dies ginge nicht und das andere ohnehin nicht. Das war jedoch genau das, was ich nicht wollte: von anderen Menschen limitiert zu werden. Ich war sehr ehrgeizig und wollte eigene Entscheidungen treffen. Ich verlor die Liebe zu diesem Sport.
Und entdeckte dafür einen neuen.
Der Wendepunkt kam pünktlich mit Corona. Im Nachhinein muss ich sagen, dass diese Zeit auch in positiver Hinsicht zum Schicksal für mich wurde. Denn noch mehr als sonst war ich nun allein mit meinen Gedanken: Was wollte ich aus meinem Leben machen? Was war möglich? Alles, sagte ich mir dann. Es gibt so viele Faktoren, die dich ausbremsen wollen, auch die Pandemie, aber sie können dir nur schaden, wenn du es zulässt.
Die Lust am Kampfsport...
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