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Um das Jahr 1770 herrschte Ludwig XV. von Frankreich von Versailles aus über das mächtigste Land Europas.
Der Urenkel des Sonnenkönigs, geboren 1710, war nach dem Tod seiner Eltern, des Dauphins Louis Herzog von Burgund und der Marie Adelaïde von Savoyen, die an den Masern gestorben waren, fünfjährig zum König geworden. Für ihn führten bis zu seiner Krönung in Reims mehrere Regenten die Staatsgeschäfte. Ludwig betörte schon als Knabe durch seine Schönheit und wurde zusätzlich durch seine Macht einer der attraktivsten Männer nicht nur Frankreichs. Dabei übersah man oft, dass er zeitlebens ein scheuer und oft melancholischer Mensch war, der, vielleicht als Waisenkind, nur selten und zu wenigen Menschen Vertrauen fasste. Aus politisch-dynastischen Gründen war der Fünfzehnjährige mit der acht Jahre älteren polnischen Königstochter Maria Leszczinka verheiratet worden. Das Paar bekam schließlich zehn Kinder. Von ihnen überlebten, nachdem Philippe Louis schon 1733 gestorben war, der Thronfolger Louis Ferdinand bis 1765 und mehrere Töchter mit wohlklingenden Namen, die aber gemeinhin und der Einfachheit halber durchnummeriert wurden: «Madame Première . Madame Quatrième . Madame Dernière». Auch aus Anhänglichkeit zu ihrem Vater blieben sie - bis auf Louise Elisabeth, Madame Première, die den Herzog von Parma ehelichte - unverheiratet. Der Titel dieser Königstöchter lautete Mesdames de France, später gingen sie schlichter als Die Tanten in die Geschichte ein.
Die Königin selbst, Maria Leszczinka, war Jahre ihres Lebens schwanger, folglich auf Ruhe angewiesen, sie war außergewöhnlich fromm und galt als ebenso langweilig. Auch bei ihren Mahlzeiten in Gesellschaft sprach sie selten ein Wort, stickte gerne und spielte bisweilen die Drehleier. Anwesende applaudierten höflich.
In den Armen anderer Frauen und bei leidenschaftlichen Liebesverhältnissen entrann Ludwig XV. vorübergehend seiner Schwermut. Die Gebräuche gestatteten es den Mächtigen - sowie den Geschickten -, außerhalb von meist machtpolitisch arrangierten Ehen, sich Mätressen zu erwählen. Diese Frauen konnten, solange sie in Gunst standen, zu strahlenden, klugen, bewunderten und beneideten Repräsentantinnen einer Herrschaft werden. Von solcher freien Sitte machte der König mit dem Beinamen «der Vielgeliebte» souverän Gebrauch. Ludwigs frühe Favoritinnen waren der Reihe nach die fünf Töchter des Marschalls de Nesle. Dessen Familie wurde durch die einträglichen Beziehungen zum gottgesalbten Monarchen, dem Frankreich gehörte, saniert und reich. Eine der Lebensgefährtinnen starb früh - wie so oft am Kindbettfieber -, ihre Schwestern erwiesen sich als zu machthungrig und anmaßend und büßten bald an Charme ein.
Während einer fast tödlichen Erkrankung Ludwigs besann sich die Kirche auf ihre Rechte und die ehelichen Gebote. Der anscheinend todgeweihte Monarch hatte der Mätressenwirtschaft abzuschwören, um als Allerchristlichster König allen Christen ein Vorbild an Tugend zu sein.
Doch Ludwig genas. Nach seiner Erniedrigung durch die Geistlichkeit suchte er vielleicht umso inständiger Freude, Verständnis und seelische Geborgenheit bei einer Geliebten. Und die Damen drängten sich, oft angestachelt von ihren Familien. Der Stern Madame de Pompadours ging auf. Für über zwanzig Jahre wurde die schöne, intelligente Pariserin zur Gefährtin Ludwigs und zu einer tonangebenden Frau Europas, zur offiziellen Mätresse, die sich schließlich sogar mit der Königin gut verstand. Bei all diesen komplexen Konstellationen glich die wirkliche Welt oft einer Romanwelt, die sich farbiger schattiert kaum erfinden ließe. Glück, Glanz, Ruhm und Tragödien reihten und verbanden sich. Die einflussreiche Jeanne de Pompadour mischte sich intensiv in die Politik ein. Sie favorisierte den Duc de Choiseul, der als leitender Minister die Aussöhnung Frankreichs mit seinem Erzfeind Österreich betrieb. Diese Annäherung veränderte die Machtverhältnisse in Europa. Wie zum Pfand des neuen Bündnisses wurde in jahrelangen Verhandlungen zwischen Versailles und Wien die Vermählung des ältesten Enkels und möglichen übernächsten Thronfolgers Ludwigs XV., nämlich Louis Auguste, mit einer Tochter Kaiserin Maria Theresias, mit der Erzherzogin Marie Antoinette, vereinbart.
Madame de Pompadour starb mit dreiundvierzig Jahren 1764. Der König hatte seinen Halt verloren, flüchtige Liebschaften trösteten ihn kaum. Um seine Schwermut aufzuhellen und nun über eine andere Frau Einfluss auf ihn zu nehmen, wurde ihm eine neue Gefährtin schmackhaft gemacht. Sie entstammte den unteren Schichten des Volks und hatte als Modistin und wohl auch als Prostituierte gewirkt. Marie Jeanne Bécu war von sinnlicher Natur; aus eigener Karrierelust und auf Betreiben von Hofkreisen wurde sie mit einem geschäftstüchtigen Adligen verheiratet und durfte jetzt als Madame du Barry in Versailles öffentlich in Erscheinung treten. Der alternde König verfiel ihr. Jeanne du Barry interessierte sich wenig für Politik, aber verstand es, ohne sonderliche Skrupel Posten und Geldströme für ihre Vertrauten abzuzweigen. Zu dieser Clique zählte auch der Duc d'Aiguillon, der als nunmehr einflussreicher Minister das Bündnis mit Österreich zu verhindern suchte. Solche Allianz, so d'Aiguillon, würde Frankreich militärpolitisch binden und Unglück heraufbeschwören.
Doch die Ehe des möglichen Thronfolgers mit der Habsburgerin, mit Marie Antoinette von Österreich-Lothringen, war längst beschlossene Sache.
Und ein weltgeschichtliches Drama nahm seinen Lauf.
Zu den ungefähr viertausend Bewohnern und Beschäftigten in Versailles - Hochadel, Minister, Dienstboten und Militärs - gehörte zu dieser Zeit auch Jeanne Louise Henriette Genet, geboren 1752 in Paris. Ihr Vater Jacques Genet war Beamter und Dolmetscher im Außenministerium. Da es absehbar war, dass er für seine drei Töchter und deren gute Verheiratung keine verlockende Mitgift würde aufbringen können, sollten sie zumindest eine vorzügliche Erziehung genießen, um später, wenn nötig, sogar selbstständig ihr Leben bestreiten zu können. Die älteste Tochter Jeanne Louise Henriette schien die begabteste zu sein. Henriette wurde in Musik unterrichtet, sie beherrschte bald mehrere Instrumente und schauspielerte schon in jungen Jahren im Familienkreis. Italienisch erlernte sie beim venezianischen Dichter Carlo Goldoni, eine Gouvernante aus London unterrichtete sie im Englischen und schließlich beherrschte sie auch Spanisch fließend. In Versailles, wo die Familie Genet wohnte, hatten auch die Kinder stets Kontakt zu Angestellten des Hofs. Sie erlebten Fremde aus aller Herren Länder, die in den rund dreihundert Gasthöfen und Herbergen logierten und die Residenz bunt mitbevölkerten. Auch die Kinder waren, im Schatten des Palasts, an das Gepränge der größten Hofhaltung der Welt gewöhnt. Aber selbstverständlich war hier nicht alles Glanz. Um die Wasserversorgung des Schlosses und der wachsenden Stadt Versailles stand es schlecht. Ungezählte Bettler belagerten die Zufahrten der Reichen und Mächtigen. Findige Krämer, Quacksalber, Wahrsager, Kuchenbäcker und Lotterieverkäufer bauten ihre Buden rund um das Palastarreal auf und bis in die Treppenaufgänge hinein. Denn das Schloss war, bis auf die Privatgemächer, zugänglich für jedermann, der anständig gekleidet war und keine Waffe bei sich trug. Arme Leute, Bürger, Bürgerinnen und Adel streiften durch die Anlagen und Korridore und vermischten sich vor und in den Gebäuden, wo sogar Grafen und Herzoginnen, die ein Hofamt innehatten, sich glücklich schätzten, von der Palastverwaltung ein paar Quadratmeter Dachstube in der königlichen Residenz zugewiesen bekommen zu haben, derweil ihre Burgen und Schlösser in der Normandie, in Burgund, der Touraine verödeten.
In Versailles machte man sein Glück - oder ging unter - und nicht woanders, im namenlosen Irgendwo.
Durch Kontakte zur Comtesse de Choiseul, der Gattin des Ersten Ministers, gelang es Jacques Genet, die Töchter Ludwigs XV., Mesdames de France, auf seine Tochter Henriette aufmerksam zu machen. Die erhabenen Prinzessinnen königlichen Geblüts, Madame Marie Adelaïde, Madame Victoire und Madame Louise Marie, lebten unverheiratet im Palast. Als Königstöchter hätten sie nur ausländische ...
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