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"Amerika ist verloren! Das prächtigste Juwel in der Krone meines Vaters. Ach! Was wird nur aus meinem Bruder George? Jetzt, da das Königreich kaum noch zum Vererben wert ist."
Fiktiver Dialog zwischen Prinz William Henry und General Sir Henry Clinton aus dem Pennsylvania Journal (Oktober 1781)1
Am 24. September 1781 traf nach einer ungewöhnlich langen Überfahrt von zwei Monaten ein kleines britisches Geschwader aus dem Mutterland vor der Halbinsel Manhattan ein. Eines der drei als Verstärkung nach Amerika entsandten Linienschiffe unter dem Kommando von Rear-Admiral (Konteradmiral) Robert Digby war die Prince George, ein 100-Kanonen-Gigant, auf dem Prinz William Henry, der drittälteste Sohn von König Georg III., als Midshipman (Fähnrich) diente. Der erst 16-jährige Prinz und spätere König William (Wilhelm) IV. sollte das einzige Mitglied der königlichen Familie sein, das während des damals bereits seit sechs Jahren wütenden Krieges, den Großbritannien gegen die rebellierenden Kolonisten führte, den Boden Amerikas betrat.
Die Jubeltöne der loyalen New Yorker Presse über den unerwarteten Aufenthalt des Prinzen konnten jedoch kaum kaschieren, dass seinem Vater von Großbritanniens einstigem Imperium in Amerika inzwischen nur noch wenige Enklaven zwischen Florida und Maine geblieben waren. Auf dem Boden der ehemaligen 13 Kolonien hielten britische Truppen im Herbst 1781 nur noch Long Island und Manhattan mit New York, die südlichen Häfen Savannah und Charleston sowie Yorktown in Virginia, ein schmuckes Landstädtchen an der Mündung des gleichnamigen Flusses in die Chesapeake Bay. Ausgerechnet hier, nur wenige Kilometer von Jamestown entfernt, wo im Jahr 1607 die Geschichte von Englands amerikanischem Kolonialreich ihren Anfang genommen hatte, sollte Großbritanniens Hoffnung auf Wiederherstellung seines transatlantischen Imperiums kaum drei Wochen nach dem Eintreffen des königlichen Seekadetten ihr schmerzliches Ende finden. Yorktown wurde in diesen letzten Septembertagen des Jahres 1781 von einer kleinen britischen Armee unter Charles Cornwallis, 1. Marquess Cornwallis, gehalten, einem der tatkräftigsten und bisher erfolgreichsten britischen Generale in Nordamerika. Cornwallis' spektakuläre Verfolgung seines ärgsten Widersachers, General Nathanael Greene, durch ganz North Carolina hatte überall im britischen Mutterland Begeisterung ausgelöst und ihm in den Londoner Zeitungen den Ruf eines zweiten Hannibal eingetragen.2 Doch seit die französische Flotte unter Admiral François Joseph Paul de Grasse mit mehr als 30 Linienschiffen den Eingang zur Chesapeake Bay kontrollierte und ein halbherziger Durchbruchversuch eines britischen Geschwaders am 5. September 1781 gescheitert war, saß Cornwallis mit 8000 Mann, davon beinahe die Hälfte deutsche Truppen, in der Falle. Bereits drei Wochen später war von Williamsburg aus eine mehr als zweifach überlegene Armee der verbündeten Amerikaner und Franzosen unter George Washington und Jean-Baptiste-Donatien de Vimeur, comte de Rochambeau, auf Yorktown vorgerückt und hatte begonnen, die Briten einzuschließen. Beide Generale wollten den Gegner nach den Regeln der europäischen Belagerungskunst mit einem gewaltigen Artillerieaufgebot zur Kapitulation zwingen. Nachdem am 28. September 1781 sämtliche Zugänge zur Stadt abgeriegelt worden waren, schwanden Cornwallis' Hoffnungen auf das rechtzeitige Eintreffen der ihm zugesagten Verstärkungen aus New York mit jedem weiteren Tag.
Der weltgeschichtlichen Bedeutung der Schlacht schienen die vor Yorktown aufgebotenen Truppenstärken kaum zu entsprechen. Im Vergleich zu den auf europäischen Kriegsschauplätzen operierenden Armeen waren hier nicht mehr als Detachements im Einsatz. So befehligte etwa Washington nicht mehr als 5000 Reguläre seiner Kontinentalarmee. Hinzu kamen allerdings noch 3000 Milizionäre aus Virginia. Auf französischer Seite wies Rochambeaus Kontingent ebenfalls nur eine Stärke von 5000 Mann auf, die noch durch 3200 Marinesoldaten der französischen Flotte verstärkt worden waren. Anders als die prominenten Schlachten des Ancien Régime beschränkte sich der Kampf um Yorktown auch fast zur Gänze auf ein Artillerieduell, in dem die Geschütze der britischen Verteidiger erstaunlich schnell zum Schweigen gebracht werden konnten. Spektakuläre taktische Manöver, blutige Sturmangriffe oder entschlossene Gegenattacken seitens der Belagerten blieben die Ausnahme. Als schließlich nach nur einwöchigem alliierten Beschuss ganz Yorktown mit seinen gepflegten Häusern und Gärten in Schutt und Asche lag, die Briten ihre wichtigsten Schanzen verloren hatten und von der versprochenen Hilfe der New Yorker Garnison immer noch nichts zu sehen war, glaubte sich Lord Cornwallis dazu berechtigt, am 17. Oktober 1781 Washington und Rochambeau die Kapitulation seiner Armee anzubieten. Sie erfolgte fast auf den Tag genau vier Jahre nach der britischen Kapitulation von Saratoga, der ersten Entscheidungsschlacht des amerikanischen Krieges. Bereits damals hatte Großbritannien nach dem Untergang einer ganzen Armee am Hudson River, der Frankreichs Kriegseintritt aufseiten der Amerikaner zur Folge gehabt hatte, seine ursprüngliche Idee aufgeben müssen, es könne noch einmal sämtliche 13 rebellierenden Kolonien zurückgewinnen. In den auf Saratoga folgenden vier Jahren kämpften die Briten nur noch um den Erhalt ihrer vier südlichen Kolonien, deren auf Sklavenhaltung basierende Ökonomie und Gesellschaftsstruktur große Ähnlichkeit mit den der Krone loyal gebliebenen Karibikinseln aufwiesen. Diese Strategie war nicht aussichtslos, zumal sich die amerikanische Rebellion inzwischen nur noch mit massiver Hilfe der Franzosen am Leben halten konnte. Das anhaltende Unvermögen des in Philadelphia versammelten Kontinentalkongresses, eine in allen Kolonien akzeptierte Währung und ein funktionierendes Steuersystem aufzubauen, war seit Kriegsbeginn mit jedem Jahr deutlicher geworden. "Wir sind, mit einem Wort, am Ende der Fahnenstange angelangt, und unsere Befreiung wird entweder jetzt oder gar nicht kommen", schrieb ein von der ständigen Not zermürbter George Washington am 9. April 1781 an Colonel John Laurens, seinen ehemaligen Adjutanten, der sich jetzt im fernen Versailles darum bemühte, ein weiteres dringend benötigtes Darlehen von den selber in Finanznöten steckenden Franzosen zu erhalten.3
Auch die internationale Lage schien sich seit Jahresbeginn zugunsten des Vereinigten Königreichs verändert zu haben. Russland und Österreich hatten gemeinsam den Kriegsparteien eine Mediation auf der Basis des jeweiligen Besitzstandes angeboten, und Versailles war angesichts der fortgesetzten Schwäche der amerikanischen Alliierten nicht abgeneigt, darauf einzugehen. Seit dem Sommer 1778 hatte General Washingtons Kontinentalarmee vor Manhattan ausgeharrt, ohne einen ernsthaften Versuch zur Einnahme New Yorks zu wagen, und als im Winterlager von Morristown in New Jersey Hunger, Kälte und die monatelang ausbleibende Bezahlung Hunderte Soldaten aus Pennsylvania in Aufruhr versetzt hatten, schien Anfang 1781 sogar die gesamte Armee der amerikanischen Rebellen vor ihrer Auflösung zu stehen. Viele der meuternden Männer hatten zudem ihre dreijährige Dienstpflicht längst abgeleistet und verlangten jetzt vehement von ihren Befehlshabern die Entlassung. Kaum weniger dürfte der spektakuläre Verrat von Benedict Arnold, einem Apotheker aus Connecticut, der bis dahin als einer der besten Generale der Rebellen gegolten hatte, dem Ansehen der Amerikaner geschadet haben. Frankreichs Vertrauen in die Verlässlichkeit seines Verbündeten war an einem Tiefpunkt angelangt.
Nur noch eine letzte Kampagne wollte Frankreichs Außenminister Charles Gravier, comte de Vergennes, der große Architekt des Bündnisses mit den Amerikanern, führen.4 Sollte sie, wie bereits sämtliche vorangegangenen Anstrengungen, keinen Erfolg bringen, musste Frieden mit England geschlossen werden. Noch einmal veranlasste Vergennes daher im Frühjahr 1781 die Entsendung einer großen Flotte in die Karibik und erteilte zugleich General Rochambeau, der seit Monaten mit seinem Expeditionskorps ohne besondere Mission in der Hafenstadt Newport in Rhode Island verblieben war, den Auftrag, sich nunmehr mit Washingtons Kontinentalarmee vor den Toren New Yorks zu vereinigen. Doch auch für die beiden vereinigten Armeen sollten sich die Befestigungen der Stadt als zu stark erweisen, sodass Washington und Rochambeau übereinkamen, ersatzweise Cornwallis' Armee auf der Jamestown-Halbinsel in Virginia anzugreifen. Es war ein verwegener, fast schon verzweifelter Plan, dessen Gelingen von einer beängstigend langen Liste unvorhersehbarer Umstände abhing, aber es musste etwas geschehen, ehe auch dieser Sommer ergebnislos verstrich.
Zum ersten Mal seit Ausbruch des Krieges begünstigten 1781 die strategischen Vorzeichen eindeutig Großbritannien. Die Verbündeten waren jetzt zum Siegen verdammt, die britischen Befehlshaber in Amerika brauchten dagegen nur eine Niederlage zu vermeiden. An dieser lösbaren Aufgabe sollten sie jedoch mangels Entschlusskraft, wegen ihrer divergierenden Auffassungen und nicht zuletzt aufgrund einer sträflichen Unterschätzung der französischen Flotte auf bizarre Weise scheitern. Amerikas Triumph bei Yorktown war der unwahrscheinliche Sieg. Er rettete die sogenannte Glorious Cause und bewahrte so ein andernfalls wohl auf seine nördlichen Staaten reduziertes Amerika vor dem Schicksal einer Existenz als unbedeutender Klientelstaat unter französischer...
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