Schweitzer Fachinformationen
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Halogenalkane (Alkylhalogenide) sind Verbindungen R-X, in denen ein Halogen-Atom X (X = F, Cl, Br, I) an einem Alkyl-Rest R gebunden ist. Ihre Nomenklatur folgt den IUPAC Regeln der Alkane (Kap. 7.1, Tab. 301). Man unterscheidet primäre, sekundäre und tertiäre Halogenalkane entsprechend der Anzahl von Alkyl-Gruppen, die an das mit Halogen verknüpfte C-Atom gebunden sind. Tab. 30.1 zeigt dies für die regioisomeren Bromalkane der Summenformel C4H9Br.
Tab. 30.1. Primäre, sekundäre und tertiäre Halogenalkane (Beispiele mit der Summenformel C4H9Br)
Halogenalkane lassen sich durch den BEILSTEIN-Test nachweisen: Ein mit Halogenalkan benetzter Kupfer-Draht färbt die Flamme eines Bunsenbrenners infolge der Bildung flüchtiger Kupferhalogenide grün. Tertiäre und manche sekundäre Halogenalkane geben mit Silbernitrat Silberhalogenid-Niederschläge.
Die Photohalogenierung von Alkanen oder der Alkyl-Gruppen von Alkylbenzenen wie Toluen liefert die entsprechenden Halogenalkane. Die Reaktion ist eine radikalische Substitution (Kap. 13).
Als Brom-Reservoir nutzbar bromiert N-Bromsuccinimid Alkene in der Allyl-Stellung (a zur Doppelbindung) und nicht an der Doppelbindung (WOHL-ZIEGLER Reaktion, Kap. 15.3.1). So bildet sich Allylbromid aus Propen (Kap. 15.3.1) und 3-Bromcyclohexen aus Cyclohexen.
Halogenalkane sind durch elektrophile Addition von Halogenwasserstoffen (HCl, HBr, HI) an Alkene zugänglich. Nach der MARKOVNIKOV-Regel verläuft diese Hydrohalogenierung über das stabilste intermediäre Carbenium-Ion (Kap. 16.3).
Daher werden terminale Alkene wie 1-Buten (R = CH2-CH3) regioselektiv zu den 2-Halogenalkanen hydrohalogeniert.
Halogene (Cl2 und Br2) addieren an Alkene unter Bildung von a,ß-Dihalogenalkanen (Halogenierung von Alkenen und Cycloalkenen, Kap. 16.2, 22.3.1).
Iod- und Bromalkane bilden sich durch Substitution der OH-Funktion in Alkoholen (R-OH) durch Halogenid aus Phosphortrihalogeniden. Thionylchlorid überführt Alkohole in Chloralkane.
Das Methylierungs-Reagenz Methyliodid (Iodmethan) wird aus dem hochtoxischen Dimethylester der Schwefelsäure (Dimethylsulfat, Kap. 35.4) und Kaliumiodid hergestellt.
Die Fluorierung von Alkanen mit elementarem Fluor verläuft unkontrollierbar heftig unter Bildung mehrfach fluorierter Alkane sowie CC-Spaltungen. Fluorkohlenwasserstoffe und Fluorchlorkohlenwasserstoffe wie Dichlordifluormethan sind durch Fluorierung der Chloralkane mit Antimontrifluorid zugänglich.
Sonnenlicht spaltet die biologisch schwer abbaubaren Fluorchlorkohlenwasserstoffe (Abkürzung: FCKWs) in der Stratosphäre in Chlor-Atome (Chlor-Radikale), die mit Ozon weiterreagieren. Diese Reaktion vermindert die Ozon-Konzentration in der Stratosphäre ("Ozonloch") über Arktis und Antarktis. Deshalb werden die früher als Treibgase und Kühlflüssigkeiten verwendeten FCKWs seit etwa 1980 nicht mehr produziert.
Die nucleophile Substitution (Kap. 31) von Chlorid oder Bromid in Halogenalkanen durch Iodid ergibt Iodalkane (FINKELSTEIN-Reaktion).
Sind zwei gleiche Atome durch eine kovalente Bindung verknüpft ( H-H, Cl-Cl, H3C-CH3 ), so konzentriert sich das Bindungselektronenpaar im Zentrum der Bindung beider Atome. Sind die verknüpften Atome verschieden (H-Cl, H3C-Cl), so wird die Elektronenwolke unsymmetrisch, da eines der Atome (Cl) die Bindungselektronen stärker anzieht als das andere. Man nennt das Bestreben eines Atoms, Bindungselektronen anzuziehen, Elektronegativität. Die Bindungselektronen konzentrieren sich nicht mehr im Zentrum der kovalenten C-X-Bindung wie bei einer HH- oder CC-Verknüpfung, sondern näher beim elektronegativeren Atom X. Im Periodensystem nimmt die Elektronegativität von "links nach rechts" und von "unten nach oben" zu (Tab. 30.2). Die von PAULING definierten Elektronegativitäten (Tab. 30.2) beziehen sich auf das elektronegativste Atom Fluor, dem konventionsgemäß der Wert 4 zugeordnet wird.
Tab. 30.2. PAULING-Elektronegativitäten einiger Elemente
Die Polarisierung einer s-Bindung durch ein elektronegatives Atom wird als induktiver Effekt [(-)-I-Effekt] bezeichnet. Das Halogen in einem Halogenalkan R-X polarisiert z.B. die Kohlenstoff-Halogen-s-Bindung. Am Halogen wird eine negative Partialladung (d- oder d-), am gebunden Alkyl-C-Atom eine entsprechend positive (d+ oder d+) formuliert:
Moleküle mit diesem Merkmal sind Dipole. Da sie einen negativen und einen positiven "Pol" haben, erfahren sie im elektrischen Feld ein als Dipolmoment bezeichnetes Drehmoment µ.
Der induktive Effekt [(-)-I-Effekt] des Halogens in einem Halogenalkan polarisiert das gebundene C-Atom zum Elektrophil (Kap. 30.3) und befähigt es zur Reaktion mit einem Nucleophil. Die nucleophile Substitution (SN, Kap. 11.5, 31) ist daher eine typische Reaktion der Halogenalkane: Dabei bindet das Nucleophil INu (:Nu) an das elektrophile C-Atom und substituiert das Halogen, welches als Halogenid-Anion abgeht. Die zu substituierende Verbindung nennt man das Substrat, das Halogenid-Anion als austretende Gruppe das Nucleofug.
Nucleophile sind Anionen (Hydroxid, Cyanid) oder Neutralmoleküle (Ammoniak). Alle Nucleophile enthalten (mindestens) ein nichtbindendes Elektronenpaar, das im Produkt die neue Bindung knüpft, z.B.:
Die nucleophile Substitution der Halogenalkane, die aus Alkanen und Alkenen zugänglich sind (Kap. 30.2), führt neue Substituenten in eine Alkylkette ein und hat insofern präparative Bedeutung.
Die ß-Eliminierung von Halogenwasserstoff aus einem Halogenalkan in Gegenwart einer Base (Dehydrohalogenierung) findet zur Herstellung von Alkenen Anwendung (Kap. 15.1). Diese Eliminierungen konkurrieren mit nucleophilen Substitutionen der Alkylhalogenide. Welche der beiden Reaktionen dominiert, hängt nach dem HSAB-Prinzip (hard soft acid base, soft mit soft, hard mit hard) von der Basizität des Nucleophils ab. Harte Basen (Nucleophile) sind kompakte Anionen mit hoher Ladungsdichte, z.B. das Hydroxid-Anion. Weiche Basen (Nucleophile) sind voluminös wie z.B. das Iodid-Anion oder polarisierbare Ionen mit Mehrfachbindungen wie z.B. das Cyanid-Anion (?IC=NI). Halogenalkane sind schwache Elektrophile. Daher werden Halogenalkane durch weiche Basen wie Iodid und Cyanid bevorzugt substituiert, während mit stark basischen Nucleophilen wie Hydroxid als harten Basen überwiegend Eliminierungen stattfinden:
Halogenalkane reagieren mit metallischem Magnesium (Magnesium-Späne) in Ether-Lösung. Reaktionsprodukte sind die als GRIGNARD-Verbindungen bezeichneten Alkylmagnesiumhalogenide. Diese enthalten eine Kohlenstoff-Metall-Bindung und gehören zu den Organometall-Verbindungen (Kap. 32). Die gebildeten Alkylmagnesiumhalogenide (GRIGNARD-Verbindungen) äquilibrieren mit Dialkylmagnesium und Magnesiumhalogenid (SCHLENK-Gleichgewicht).
Die Reaktion wird als Metallierung bezeichnet. Magnesium metalliert Iodmethan (Methyliodid) zu Methylmagnesiumiodid, 2-Brompropan (Isopropylbromid) zu Isopropylmagnesiumbromid:
Wie es die Partialladungen d- und d+ andeuten, polt die Metallierung das elektrophile a-C-Atom (d+) des Halogenalkans in der Organometall-Verbindung zum Kohlenstoff-Nucleophil (d-) um. Hierauf beruhen die...
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