Schweitzer Fachinformationen
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Neurozentriertes Training ist eine moderne, wissenschaftlich fundierte Herangehensweise an Bewegungstraining, Leistungsoptimierung und Sporttherapie, die den Einfluss des Nervensystems auf unsere Bewegungen, unsere Wahrnehmung und unser Wohlbefinden betont. Es basiert auf den Erkenntnissen der Neurowissenschaften und der funktionellen Neurologie. Anders als traditionelle Trainingsansätze, die primär auf Muskeln, Gelenke oder das Herz-Kreislauf-System abzielen, wird das Nervensystem im neurozentrierten Training als zentrale Steuerinstanz des Körpers in den Fokus gerückt. So geht es im neurozentrierten Training darum, die Funktionalität und Effizienz der neuronalen Prozesse zu verbessern und die sensorischen und motorischen Systeme des Körpers zu trainieren. Als Schaltzentrale erhält unser Gehirn ständig Informationen über den eigenen Körper und über die Umgebung und verarbeitet diese, um Bewegungen zu planen und zu steuern. Wenn solche Informationen ungenau oder fehlerhaft sind oder deren Verarbeitung nicht effizient erfolgt, kann dies zu kompensatorischen Bewegungsmustern, Schmerzen oder Leistungseinbußen führen. Der Gedanke des neurozentrierten Trainings ist, dass wir das Zusammenspiel zwischen unseren Sinnen, dem Gehirn, den Nerven und Muskeln optimieren und damit unsere Leistung steigern oder auch Schmerzen minimieren. Klassischerweise wird im neurozentrierten Training insbesondere das visuelle System, das Gleichgewichtssystem und die Propriozeption (Körperwahrnehmung) trainiert, da diese Systeme uns wesentliche Informationen über die Umgebung und unseren Körper liefern und damit positiv auf unser Gefühl der Sicherheit einwirken. Wie du im weiteren Verlauf sehen wirst, ist das eigene Sicherheitsgefühl nicht nur essenziell für unser Überleben, sondern auch für das Wohlbefinden. Mit diesem Ansatz stellt das neurozentrierte Training im sportlichen und therapeutischen Bereich einen Paradigmenwechsel dar, denn es wird direkt dort angesetzt, wo Bewegung, Bewusstsein und Schmerz entstehen, nämlich im Gehirn.
Ein Paradigmenwechsel durch neurozentriertes Yoga
Als ich vor zehn Jahren begonnen habe, mich mit der Verknüpfung der Neurowissenschaften und Yoga zu beschäftigen, war dies ein völlig unbekanntes Terrain. Wenn ich anderen Yogalehrenden davon erzählte, stieß ich oft auf Neugier, aber durchaus auch auf Verwunderung. Warum sollte ich das, was im Gehirn passiert, in meiner Yogapraxis berücksichtigen? Heute gelangt das neurozentrierte Training immer mehr ins Bewusstsein vieler Sportler und die Neurowissenschaften verbreiten sich auch in der Arbeitswelt und im Alltag ständig weiter und finden manchmal sogar ihren Weg auf die Yogamatte.
Wenn wir mal ehrlich sind, wirkt Yoga sowieso ganzheitlich und das merken wir jedes Mal, wenn wir Yoga praktizieren: Wir beeinflussen nicht nur unseren Körper und Atem, sondern auch unseren Geist. Wenn wir aufgewühlt sind, kann uns die Yogapraxis helfen, uns zu beruhigen und Akzeptanz mit unserer jetzigen Situation zu finden. Genauso aber kann sie uns auch aus einer Lethargie heraushelfen, uns Freude in der Bewegung und dadurch wieder mehr Energie finden lassen. Nun steht unser Geist klassischerweise für all das, was in unserem Gehirn verarbeitet wird. Aber natürlich können wir auch unseren Körper nur durch unser Nervensystem bewegen und spüren, den Atem nur durch unser Nervensystem bewusst wahrnehmen und verändern. Alles, was wir tun und bewusst erleben, verdanken wir unserem Nervensystem. Dieses Bewusstsein und Verständnis, dass wir Yoga nicht praktizieren können, ohne dabei unser Nervensystem zu beeinflussen, ist essenziell.
Die Trennung zwischen Gehirn, Körper, Atem und Emotionen findet rein auf der sprachlichen und konzeptuellen Ebene statt. In uns aber ist all das verbunden und steht in jedem Moment in Wechselwirkung miteinander. Ein Beispiel hierfür: Aus einem vorherigen Gespräch fühle ich mich demotiviert, da einige Äußerungen meines Kollegen alte Glaubenssätze in mir aktiviert haben (mentale Ebene), die mir nicht guttun und meine Stimmung dämpfen. Das Erlebte lässt mich traurig und allein fühlen (emotionale Ebene). Mein Körper sinkt etwas in sich zusammen, entwickelt eine gewisse Schwere (körperliche Ebene) und mein Atem wird gleichzeitig flacher und schwerfälliger. Es scheint, dass meine Energie ganz plötzlich aus meinem Körper herausgeflossen ist. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass die verschiedenen Ebenen zu einem verbundenen System gehören und die jeweiligen Empfindungen und Zustände in Abhängigkeit miteinander stehen. Tatsächlich gibt es auch einen sehr engen Zusammenhang zwischen unserem Körper und unseren Emotionen. Oftmals fühlen wir Emotionen sogar direkt in unserem Körper. Wahrscheinlich kennst du ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch, das durch Freude hervorgerufen wird, oder auch ein Gefühl, als wenn dir die Brust durchbohrt wird bei Enttäuschung und Traurigkeit. Auch unsere Sprache spiegelt diese enge Verbindung wider, wenn wir beispielsweise sagen, dass wir eine große Last auf den Schultern tragen oder uns etwas quer im Magen liegt. Daher kann man auch von einem »verkörperten« Denken und Fühlen sprechen. So entstand der Begriff des »Embodiment« (aus dem Englischen übersetzt: Verkörperung). Er beschreibt die beidseitigen, engen Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist. Darüber hinaus umfasst der Begriff des Embodiment auch noch die Umgebung, die wiederum Einfluss auf unseren Körper und unser Gehirn ausübt und auf die wir genauso einwirken und sie beeinflussen. Wenn ich entsprechend meiner Stimmung eine aufrechte Körperhaltung habe und motivierend auf meine Umgebung wirke, dann kann es mir viel eher gelingen, meine Mitmenschen mitzureißen und aufzumuntern, als wenn ich energielos oder zurückgezogen bin. Das Prinzip des Embodiment steht im Zentrum der neurozentrierten Yogapraxis, da es die Grundlage dafür bildet, dass wir durch Anpassung einer Komponente eine andere wiederum beeinflussen können. Also durch Anpassung unseres Atems oder der Körperhaltung können wir beeinflussen, wie wir uns mental oder emotional fühlen.
Das Ziel von Yoga ist, wie es in den alten Schriften von Patanjali steht, den Geist zur Ruhe zu bringen und unser Leiden zu reduzieren.5 Weiter vereinfachend können wir sagen, dass viele von uns wahrscheinlich Yoga praktizieren, um mehr Wohlbefinden zu erlangen. Die genauen Gründe unterscheiden sich vermutlich individuell. Aber ob es nun das bessere Körpergefühl ist, eine stärkere innere Verbindung, das Ausgleichen der alltäglichen Stressbelastung oder die spirituelle Verbindung - am Ende hilft es unserer mentalen und körperlichen Gesundheit. Und wenn wir uns wohler fühlen, sind wir selbstbewusster, offener für Herausforderungen und bereit, uns auf zwischenmenschliche Kommunikation und Beziehungen einzulassen. All das wiederum zieht oft eine positive Entwicklung nach sich. Wenn es also um unser Wohlbefinden geht, ist die Berücksichtigung unseres Nervensystems nicht nur eine hilfreiche Ergänzung. Vielmehr ist es sinnvoll, es in den Vordergrund unserer Praxis zu stellen. Warum das so ist, wirst du im Laufe dieses Kapitels noch besser nachvollziehen können.
Yoga wirkt auf alle unsere Körpersysteme, die eng miteinander in Wechselwirkung stehen. Sie werden von unserem Nervensystem überwacht und gesteuert.
Einige Elemente der klassischen Yogapraxis rücken durch den neurozentrierten Ansatz weiter in den Vordergrund, gleichzeitig werden neue ergänzt. Ein zentraler Aspekt des Yoga ist die Achtsamkeit, also die bewusste Wahrnehmung von Bewegung, Atmung und inneren Zuständen. Neurozentriertes Yoga baut hierauf auf und schult gezielt die neuronalen Systeme für die Bewegungssteuerung sowie für unsere Sinneswahrnehmungen - beispielsweise das visuelle und vestibuläre System -, was nicht nur die Balance, Stabilität und die Qualität von Bewegungsabläufen in der Yogapraxis selbst verbessert, sondern auch das eigene Wohlbefinden. Wichtig ist vor allem zu wissen, wie die entsprechende Praxis auf das Nervensystem wirkt, um die individuell passenden Übungen auswählen zu können.
Yoga war schon immer ein ganzheitlicher Ansatz. Nun ist es an der Zeit für einen entscheidenden Entwicklungsschritt, um Yoga an unsere gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen und unsere Praxis entsprechend der Bedürfnisse unseres Nervensystems auszurichten. Vor allem aber: den Menschen in seiner gesamten Komplexität zu betrachten - als ein Wesen, dessen Bewegungen, Emotionen und geistige Klarheit untrennbar mit dem Nervensystem verbunden sind. Dieses Zusammenspiel eröffnet nicht nur neue Perspektiven auf die Yogapraxis, sondern auch auf die persönliche Entwicklung und unsere Gesundheit insgesamt.
Yoga für die Bedürfnisse der heutigen Zeit
In einer Welt, die von Informationsflut, Multitasking und ständiger Reizüberflutung geprägt ist, leiden immer mehr Menschen unter Stress, chronischen Schmerzen, Erschöpfung und einer eingeschränkten Körperwahrnehmung. Jeder kennt die Herausforderungen, eine geeignete Umgangsweise mit digitalen Medien, Apps, Push-Nachrichten und der ständigen Erreichbarkeit zu finden. Aufgrund von ständigen technologischen Neuerungen und Software-Updates muss immer wieder überprüft werden, welche Einstellungen tatsächlich im Alltag unterstützend sind und welche dauernd ablenken und stressen. Achtsamkeit ist dabei die Grundlage, um überhaupt Bewusstsein für sich selbst zu schaffen und zu bemerken, was uns ablenkt und was uns Energie schenkt. Die wenigsten von uns schaffen es, diese Achtsamkeit im...
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