Die fiducie von Quebec und der trust

Der trust ist eine besondere Rechtsfigur des anglo-amerikanischen Rechtskreises (common law), die keine echte Entsprechung im kontinental-europaeischen civil law hat. Bisherige Rezeptionsversuche sind stets erheblichen Schwierigkeiten begegnet. Der Gesetzgeber von Quebec hat mit der neuen fiducie einen besonders originellen Ansatz zur Einfuehrung einer trust-aehnlichen Rechtsfigur gewaehlt. Rainer Becker untersucht die fiducie in einer Gegenueberstellung mit anderen Treuhandmodellen, die er aus traditionellen und modernen Rechtsinstituten in civil law- und Mischrechtsordnungen ableitet. Die Besonderheit des neuartigen Ansatzes von Quebec liegt darin, dass das Treugut nicht einer der beteiligten Personen (Treuhaender, Treugeber und Beguenstigter) zugeordnet ist, sondern eine rechtstraegerlose zweckgewidmete Vermoegensmasse, ein patrimoine d'affectation bildet. Im Anschluss an eine Darstellung der fiducie von Quebec untersucht der Autor dogmatische Bedenken gegen subjektlose Rechte und Vermoegen. Er zeigt, dass sich von den untersuchten Treuhandmodellen mehrere als konstruktive Grundlage eignen, um die funktionalen Qualitaeten des trust im civil law erfolgreich nachzuempfinden. Der neuartige Ansatz der fiducie von Quebec ist davon, trotz seiner Ungewoehnlichkeit und des erforderlichen Anpassungsaufwands, ein besonders interessantes Modell, das durch ein im civil law bislang einzigartiges umfassendes Regelwerk ergaenzt wird. Der Autor widerlegt mit seiner Arbeit auch jene, die den trust gern als Anschauungsbeispiel fuer eine "untranslatability of legal concepts" und eine unueberbrueckbare Kluft zwischen common law und civil law heranziehen.