Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Das Nervensystem ist aus erregbaren Zellen, den Neuronen, aufgebaut, die der Informationsübertragung dienen. Neurone stehen über besondere Zellkontakte, die Synapsen, untereinander in Verbindung. An den Synapsen werden Informationen mithilfe chemischer Botenstoffe, den Transmittern, von einer Zelle auf die nächste übertragen. Funktionell lassen sich zwei Klassen von Neuronen unterscheiden: erregende und hemmende. Darüber hinaus werden die Neurone nach den von ihnen freigesetzten Transmittern klassifiziert.
Ein Schlüssel zum Verständnis der Organisation des Nervensystems ergibt sich aus der Betrachtung seiner Entwicklung von einfachen zu komplexeren Strukturen.
Aus praktischen Gründen wird das zentrale Nervensystem (ZNS) vom peripheren Nervensystem (PNS) unterschieden; funktionell wird das vegetative Nervensystem (Steuerung der Eingeweidefunktionen) dem animalischen Nervensystem (bewusste Wahrnehmung sowie Steuerung der Motorik der quergestreiften Skelettmuskulatur) gegenübergestellt.
Der Informationsfluss im Nervensystem beinhaltet im Wesentlichen drei Schritte ( ? Abb. 1.1): über die Sinnesorgane werden Umweltreize zum ZNS geleitet (afferenter Schenkel), in einem zweiten Schritt werden sie dort auf unterschiedlich komplexe Art verarbeitet (Verarbeitungsprozess). Als Ergebnis folgt oft eine (motorische) Reaktion des Organismus (efferenter Schenkel): Erblicken wir als Fußgänger eine grüne Ampel, wird über das visuelle System zunächst die Wahrnehmung einer spezifischen Farbe signalisiert. Im ZNS wird dieser Reiz interpretiert und die ihm zugehörige Bedeutung ermittelt (grüne Verkehrsampel = losgehen). Als motorische Reaktion erfolgt das Überqueren der Straße.
Im einfachsten Fall entfällt ein komplexer Verarbeitungsprozess im ZNS, d. h. die Information geht direkt vom afferenten auf den efferenten Schenkel über. Diese Art der Informationsübertragung findet sich beispielsweise beim Eigenreflex.
Abb. 1.1 Prinzip der Informationsverarbeitung im Nervensystem.
Grundelemente der Informationsübertragung im Nervensystem sind die Neurone mit ihren Fortsätzen (s. u.) und den ? Synapsen. An den Synapsen wird die Information mithilfe eines chemischen Botenstoffes (Transmitter) auf die nächste Zelle übertragen.
Dendriten und Axone Für die Informationsweiterleitung ist eine Bipolarität der Neurone zu fordern: sie müssen Informationen von anderen Nervenzellen aufnehmen und Informationen an andere Nervenzellen weitergeben können.
Rezeptive Strukturen eines Neurons sind die Dendriten, verzweigte Fortsätze des Zellleibs. Anzahl und Verzweigungsmuster der Dendriten variieren bei den verschiedenen Nervenzelltypen erheblich. Das fortleitende Element ist das Axon, das beim Menschen eine Länge von bis zu einem Meter erreichen kann. Jede Nervenzelle besitzt im Gegensatz zur stark variablen Dendritenzahl nur ein Axon. An seinem distalen Ende teilt sich das Axon in mehrere Äste, die mit Endknöpfchen (Boutons) an anderen Neuronen enden ( ? Abb. 1.2).
Abb. 1.2 Aufbau eines Neurons.
(aus Kahle, W., Frotscher, M., Schmitz F., Taschenatlas der Anatomie, Nervensystem und Sinnesorgane, Thieme 2018)
Eine Besonderheit stellen die langen peripheren Fortsätze der pseudounipolaren Neurone der Spinalganglien dar, die Informationen von der Körperoberfläche zum ZNS leiten (z. B. Schmerz, Druck, Temperatur), in dieser Hinsicht also Dendriten sind. Die Fortsätze sind aber wie Axone myelinisiert (s.u.) und werden deshalb als dendritische Axone bezeichnet.
Das trophische Zentrum des Neurons ist der Zellleib (Soma oder Perikaryon); er enthält den Zellkern und zahlreiche Zellorganellen.
Axonaler Transport Die Transmitter oder die ihrer Synthese dienenden Enzyme werden im Perikaryon gebildet und dann via axoplasmatischen Transport entlang der axonalen Mikrotubuli ans Axonende transportiert. Dort werden sie in den Endauftreibungen des Axons (Boutons) in synaptischen Vesikeln gespeichert. Man unterscheidet einen anterograden Transport in Richtung auf das Axonende und einen retrograden Transport zurück zum Perikaryon. Für den schnellen Axontransport wurde eine Geschwindigkeit von 200-400 mm pro Tag ermittelt. Daneben gibt es noch den Axoplasmastrom mit einer Geschwindigkeit von 1-5 mm pro Tag. Der axonale Transport ist Grundlage für anterograde bzw. retrograde Tracer(Färbe)-Techniken, mit denen neuronale Projektionen nachgewiesen werden ( ? Abb. 1.3). Die funktionelle Bedeutung definierter Projektionen lässt sich heute am lebenden Versuchstier darstellen. Dazu werden lichtgesteuerte Ionenkanäle aktiviert, deren Expression über genetische Manipulation experimentell induziert werden kann (Optogenetik).
Abb. 1.3 Darstellung neuronaler Projektionen mittels retrograd bzw. anterograd transportierter Tracer-Substanzen. Tracer-Substanzen (z. B. Fluoreszenzfarbstoffe) werden entweder in die Ziel- oder Ursprungsregion einer Neuronenpopulation injiziert. Vom Ort der Injektion aus wandern die Farbstoffe: beim anterograden Transport vom Zellleib zum Axonende, beim retrograden Transport vom Axonende zum Zellleib. Auf diese Weise ist es möglich, die Projektionen der Neuronenpopulation nachzuverfolgen.
Axonmyelinisierung Das Axon ist von einer Hülle umgeben, der Myelinscheide oder Markscheide ( ? Abb. 1.4). Im Zentralnervensystem wird diese Markscheide von Oligodendrozyten gebildet, spezialisierten Gliazellen, im peripheren Nervensystem von den Schwann-Zellen. Oligodendrozyten bzw. Schwann-Zellen besitzen platte Fortsätze, die sich um das Axon wickeln, wodurch die Myelinscheide entsteht. Viele Oligodendrozyten bzw. Schwann-Zellen nehmen an der Umhüllung eines Axons teil. Zwischen den einzelnen Hüllzellen finden sich unbemarkte Axonabschnitte, die sog. Ranvier-Schnürringe. Da die Myelinhülle den elektrischen Widerstand des Axons stark erhöht und die für die Erregungsausbreitung verantwortlichen spannungsabhängigen Natriumkanäle in den Schnürringen stark gehäuft auftreten, kommt es bei Eintreffen eines Aktionspotenzials nur im Bereich der Schnürringe zur Depolarisation; die Erregung springt von einem Schnürring zum nächsten, man spricht von saltatorischer Erregungsleitung. Daraus folgt, dass Axone mit dicker (isolierender) Markhülle und weit auseinanderliegenden Ranvier-Schnürringen die Erregung schnell weiterleiten. Bei Axonen, denen die Markscheide fehlt, kriecht die Erregung hingegen die gesamte Axonmembran entlang. Zwischen diesen beiden Extremvarianten kommen Axone mit dünner Myelinscheide vor. Man spricht von markreichen, markarmen und marklosen Nervenfasern, die auch als A-, B- und C-Fasern bezeichnet werden. Nach Erlanger und Gasser werden je nach Faserquerschnitt und Leitungsgeschwindigkeit die in ? Tab. 1.1 aufgeführten Fasertypen unterschieden.
Fasertyp
Querschnitt in µm
Leitungsgeschwindigkeit in m/s
Aa
10-20
60-120
Aß
7-15
40-90
A?
4-8
15-30
Ad
3-5
5-25
B
1-3
3-15
C
0,3-1
0,5-2
Abb. 1.4 Zentrale Nervenfaser mit...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.