Schweitzer Fachinformationen
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"Es ist das besondere Gefühl von Glück, für etwas selbst verantwortlich zu sein."
Dass Bewegung unsere Herzgesundheit fördert, unsere Muskeln stärkt und uns hilft, überflüssige Pfunde loszuwerden, weiß wahrscheinlich jeder. Dass Bewegung allerdings eine medikamentenähnliche Wirkung bei Verstimmungen oder Depression hat, ist vielen vermutlich weniger bekannt (Dinas et al., 2011).
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden psychische Erkrankungen bis 2030 die Liste der häufigsten Krankheiten weltweit anführen. Schon heute sind viele Menschen von Depressionen betroffen - eine Krankheit, die Menschen Lebensqualität und -zeit kostet. Je nach Schweregrad und Ausprägung kann eine Depression von negativen Gefühlen über Antriebslosigkeit bis zu Zwangsgedanken reichen. Meist werden Betroffene mit Medikamenten und Psychotherapie behandelt. Allerdings drängt sich zunehmend ein Baustein in den Vordergrund, der nicht nur Menschen mit Depressionen hilft, sondern auch eine generelle Entlastung für die Psyche im Sinne einer Vorsorge ist: Bewegung.
Der besondere Vorteil körperlicher bzw. sportlicher Aktivität besteht darin, dass sie selbstständig umgesetzt werden kann und anders als Medikamente keine negativen Nebenwirkungen mit sich bringt. Die Aussagen über die Wirksamkeit von Bewegung auf den verschiedenen Ebenen biologischer und psychologischer Mechanismen sind inzwischen vielfach belegt (Kandola et al., 2019). Darüber hinaus legt ein jüngst veröffentlichter systematischer Übersichtsartikel über die positive Wirkung von Bewegung nahe, dass deutlich geringere Umfänge im Vergleich zu den allgemeinen Gesundheitsempfehlungen bereits eine Verbesserung hervorrufen (Pearce et al., 2022).
Depressionen verändern das Gehirn in mehrfacher Hinsicht (Bremner et al., 2002; Pandya et al., 2012; Rigucci et al., 2010). Untersuchungen zeigen, dass die Aktivität im präfrontalen Kortex zunimmt, der im vorderen Bereich des Gehirns hinter der Stirn liegt (Drevets et al., 1997; W. Liu et al., 2017). Dieser Teil des Gehirns dient der Steuerung und Verarbeitung des Verhaltens. Kommt es selbst im Ruhezustand und außerhalb geistiger Denkaufgaben zu einer Überaktivität, können dies Anzeichen einer Depression sein. Dann kommen Betroffene oft zunehmend ins Grübeln, haben negative Gedanken oder sind von Angst- und Zwangsgedanken beherrscht. Auch kann beobachtet werden, dass das Gehirn von depressiven Menschen eine geringere Neuroplastizität aufweist (W. Liu et al., 2017). Das bedeutet, dass die Areale und Netzwerke im Gehirn bei Depression schlechter neuformiert werden. Die Fähigkeit zur Neuroplastizität ist eine wichtige Eigenschaft, die es dem Gehirn ermöglicht, flexibel auf veränderte Lebensbedingungen zu reagieren.
Bewegung kann direkt in mehreren Hinsichten bei Depression und affektiven Störungen helfen oder ihnen erfolgreich vorbeugen (Zhao et al., 2020). Zum einen, indem die neuronale Aktivität im Gehirn vom präfrontalen Kortex hin zum motorischen Kortex verlagert wird. Mit anderen Worten, das Gehirn verschiebt seine Aktivität dorthin, wo sie dringender gebraucht wird, nämlich in den Bereich, der für die Steuerung der Bewegung verantwortlich ist. Damit wird der Grübelei oder dem Gedankenkreisen der "Nährboden entzogen". Untersuchungen der Universität Basel belegen, dass die Wirkung von Sport dabei der von Antidepressiva gleichwertig ist (Brand, 2017). Deshalb ist Sport heute oft eine Ergänzung zur Psychotherapie und einer medikamentösen Behandlung. Zum anderen kommen Untersuchungen der Ruhr-Uni Bochum zu dem Ergebnis, dass Bewegung die durch Depression eingeschränkte Neuroplastizität positiv verändert. In dem Maße, in dem die Plastizität im Gehirn zunimmt, reduzieren sich die klinischen Symptome einer Depression (Brüchle et al., 2021).
Darüber hinaus wird das Gehirn bei körperlicher Aktivität besser durchblutet und die Neubildung von Verbindungen zwischen Nervenzellen wird angeregt. Die Reaktionen des Körpers selbst auf Bewegung, wie die Produktion und Ausschüttung bestimmter Botenstoffe in Form von Opioiden, Endocannabinoiden und Endorphinen, können im Gehirn stimmungsaufhellend wirken, die geistige Leistungsfähigkeit verbessern und die Schmerzwahrnehmung reduzieren.
Schön wäre, könnte man zum Abschluss dieses Kapitels schreiben, dass Bewegung und Sport immer und zuverlässig glücklicher machen. Leider lassen die wissenschaftlichen Erkenntnisse eine so pauschale Aussage nicht zu. Der bei körperlicher Aktivität gebildete Hormoncocktail muss nämlich nicht zwingend zu einer positiven Stimmung führen. Bestimmte Hormone werden bei großer Freude und unter Angst ausgeschüttet. Denn Hormone wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin, die die Voraussetzungen für eine höhere körperliche Leistungsfähigkeit sicherstellen, werden nicht nur als Konsequenz glücklich machenden Sporttreibens ausgeschüttet, sondern können auch immer im Kontext belastender Lebensumstände produziert werden.
Einige wichtige Erkenntnisse geben allerdings Anlass, sich auf das Bewegungsglück einzulassen. Zum einen lässt sich sagen, dass Bewegung und Sport bei niedriger Intensität häufiger dazu beitragen, dass das Wohlbefinden bei den meisten Menschen zunimmt, weil der Zustand der Überforderung vermieden werden kann. Möglicherweise deswegen kommt eine japanische Studie zu dem Ergebnis, dass spontanes Laufen bei moderater Aktivität die Stimmung verbessert und sich positiv auf exekutive Funktionen auswirkt (Damrongthai et al., 2021). Zudem können Menschen lernen, intensivere körperliche Belastungen als wohltuend und glückssteigernd zu empfinden. Es ist eben immer auch eine Frage der Einstellung und der Beweggründe, die aus einer Anstrengung glückliche Momente werden lassen.
Eine Übersichtsarbeit eines Forscherteams der Shenzhen Universität unterstreicht hingegen, dass vor allem anaerobe, d. h. intensivere und kürzere Einheiten sich stimmungsaufhellend auswirken können (Chan et al., 2019). Kurze und starke Belastungen wie bei einem Krafttraining beispielsweise. Bei aerober Belastung, also eher moderatem und andauerndem Training, wie es häufig in den Ausdauersportarten vorkommt, sind die Ergebnisse der 38 zugrundeliegenden Einzelstudien uneinheitlich. Hier sind sowohl Anstiege in der Stimmung bei den Probanden als auch keine Veränderungen aufgezeigt worden. Eine klare Aussage zur Intensität lässt sich nicht machen, zumal diese bei Menschen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Im Hinblick auf die Dauer der Belastung scheinen 15-30 Minuten auszureichen. Längere Einheiten konnten nicht mit einem verbesserten Effekt bestätigt werden.
Wer es schafft, den eigenen Schweinehund zu überwinden, fördert wahrscheinlich dadurch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Darüber hinaus können die Interaktionen mit anderen Menschen neben den förderlichen Eigenschaften von Bewegung auf den Hormonhaushalt weitere positive Effekte für die Stimmung bringen. Dies zeigt sich eben auch in dem oben erwähnten geförderten Wachstum von Nervenzellen. Das sind wichtige Bausteine, um Lebensmut zu fassen und Glücksgefühle zu empfinden.
WICHTIGE GRUNDSÄTZE FÜR BEWEGUNG
Wer sich entscheidet, mehr Bewegung in sein Leben zu integrieren, darf sich gerne vorher mit den damit verbundenen Zielen und Wünschen beschäftigen. Allein sie haben schon einen großen Einfluss auf die Stimmung und den inneren Antrieb.
Wer anfängt, mehr Sport zu treiben, sollte ruhig starten. Es ist wenig motivationsfördernd, nach einer Einheit völlig fertig zu sein und möglicherweise in den Folgetagen sogar Schmerzen zu haben. Es ist nachvollziehbar, wenn der Körper sich dann vor dem nächsten Mal sträubt.
Es sollte immer geschaut werden, welche Art von Bewegung Freude bereitet. Hier spielen soziale Aspekte eine Rolle. Bin ich lieber in dieser Zeit für mich allein oder in einer Gruppe aktiv? Lieber draußen in der Natur oder drinnen? Brauche ich eine Art Spiel oder reicht mir die "asketische Form" der Bewegung? Brauche ich Wettkampfcharakter und Leistungsanforderungen oder bewege ich mich um meiner selbst willen?
Wer sich mit den eigenen Bedürfnissen, mit den persönlichen Voraussetzungen des Bewegungstyps und der eigenen Reaktion auf Bewegung beschäftigt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wohltuende Wirkung des Hormoncocktails erfahren und sich glücklicher fühlen.
Kurz zusammengefasst
1. Depressionen sind eine ernstzunehmende Erkrankung, bei der es wichtig ist, professionelle Hilfe aufzusuchen. In Deutschland leiden etwa 5 Millionen Menschen an Depressionen.
2. Im Rahmen einer Therapie und als Vorsorge spielt Bewegung eine wesentliche Rolle, da sie die Plastizität im Gehirn fördert. Allein zur regelmäßigen Gedankenhygiene und zum optimalen Abschalten nach anstrengenden Themen hilft Bewegung, weil die Gehirnbereiche entlastet werden, die bei Gedankenkreisen, schlechter Stimmung und Grübelei involviert sind.
3. Bewegung sorgt...
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