Schweitzer Fachinformationen
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1 Vernehmungen sind Kommunikationsprozesse, deren Ziel es ist, möglichst umfassende Informationen über einen Sachverhalt zu gewinnen. Selbst bei optimaler Professionalität des Vernehmenden sind ihnen gewichtige Unsicherheitsfaktoren immanent: Die bewussten oder unbewussten Fehlleistungen des Faktors "Mensch" und seiner Erinnerung.1
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Praxistipp:
Die nachfolgenden Ausführungen zeigen weniger juristische Probleme auf, sondern beschäftigen sich mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen.
3 Das menschliche Gehirn speichert Informationen nicht gebündelt und unveränderbar gesichert wie ein Computer ab; die Signalverwertung ist einerseits bedeutend komplexer, andererseits aber anfälliger gegen Umgestaltungen, Änderungen, Auffüllungen, Blockaden bis hin zu Löschungen. Informationen, also Reizungen der Sinnesorgane, gelangen in das sog. limbische System und werden von dort an unterschiedlichen Stellen kurz- oder langfristig gespeichert.
4 Wissen und Wahrgenommenes sind keine Computerdateien; es werden keine historischen Vorgänge und Wahrheiten gespeichert. Vielmehr bleiben Informationen nur für kurze Zeit - maximal zwei Minuten - in einer Art "Arbeitsspeicher" und werden dann in einem "Zwischenspeicher" - dem Hippocampus - abgelegt. Die hier angehäuften Tagesreste werden in der Nacht während des Schlafes weiter verarbeitet, indem das Gehirn diese neuen (Er-)Kenntnisse mit bereits vorhandenen Informationen assoziiert, also clustert.
Beispiel:
5 Wer einen Vortrag hört, speichert die Veranstaltung nicht als Datei "Vortrag vom .". Vielmehr werden interessante Informationen an unterschiedlichen Stellen gespeichert. Das Gesamtbild "Vortrag vom ." kann nur durch Assoziationsketten - eine Auslösung durch sog. Trigger-Reize - hervorgerufen werden.
6 Diese Assoziationsketten sind von Person zu Person unterschiedlich und von einer persönlichen (emotionalen) Betroffenheit und gewissen Einmaligkeiten des Wahrgenommenen abhängig; sie funktionieren beispielsweise bei traumatisierten Zeugen nicht oder nicht vollständig.2
7 Zur Beurteilung der Qualität und Aussagekraft einer Äußerung bzw. Vernehmung ist es erforderlich, die Grundzüge der Informationsaufnahme, -speicherung und -wiedergabe zu kennen.3 Das ernüchternde Ergebnis sei vorangestellt: Etwa zwei Drittel der vorhandenen und wahrnehmbaren Informationen werden auch tatsächlich wahrgenommen und nur ein Drittel kann später noch reproduziert werden.
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(Zeugen-)Aussagen sind zwar das häufigste, aber zugleich auch das unzuverlässigste Beweismittel im Strafverfahren; ihr Zustandekommen und ihre Leistungsgrenzen muss der Vernehmende kennen und sich stets vor Augen halten. Dieser Unsicherheit muss daher - soweit wie möglich - mit einer ständigen Objektivierung der Aussage begegnet werden.4
9 Anders als bei einer Filmdokumentation, die authentisch den wahrnehmbaren, wirklichen Sachverhalt aufnimmt, abspeichert und später reproduziert, vollzieht sich menschliches Erinnern subtiler: Informationen müssen
Das Drei-Stufen-Modell zeigt anschaulich den Weg und die Hürden, die Informationen im Rahmen der menschlichen Codierung und Speicherung nehmen. Hinzu kommt noch, dass im Kurzzeitgedächtnis nur ca. 6 bis 9 Informationen für einen Zeitraum von ca. 20 bis 45 Sekunden gespeichert werden und eine Überleitung in das Langzeitgedächtnis eine noch deutlich größere Verarbeitungsintensität benötigt. Diese Fakten machen deutlich, welche Herausforderungen bereits vor einer Erinnerung und Wiedergabe im Rahmen der Vernehmung für die Aussageperson besteht. Hieran schließen sich noch weitere Hindernisse für die "Erlangung der objektiven Wahrheit" an.
10 Jede der vier Phasen (Wahrnehmung, Codierung, Speicherung und Wiedergabe) ist - wenn auch in unterschiedlichem Maße - fehleranfällig. Der zuvor beschriebene Prozess weist eindrücklich auf die Herausforderungen der Aussagefähigkeit einer Vernehmungsperson hin und stellt durch die vier Phasen deren Verlauf / die Voraussetzungen gut dar. Diese können, neben den zuvor genannten, durch viele Faktoren beeinflusst werden:
Neben diese Fehlerquellen tritt das Phänomen der Lüge, einer bewusst falschen Wiedergabe vorhandener Informationen.
Begrifflich ist zwischen der Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit zu differenzieren.5 Die Glaubwürdigkeit bezieht sich dabei nur auf die Aussageperson selbst und fokussiert auf die Persönlichkeit der Aussageperson, deren moralischen und ethischen Vorstellungen bzw. Verhaltensweisen, sowie deren sozialem und beruflichem Status bzw. bei Kindern auch dem des Elternhauses. Problematisch ist hierbei jedoch ein Automatismus, der einem hohen Bildungsstand eine hohe Glaubwürdigkeit und einem Geringverdiener das Gegenteil attestiert. Die Glaubhaftigkeit hingegen stellt auf die Inhalte der Aussage der Person ab und bietet in diesem Feld der Vernehmungsperson mannigfaltige Möglichkeiten, diese im Rahmen der Vernehmung zu überprüfen.
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Der Vernehmende muss sich stets vor Augen halten, dass Fehler im Sinne von Irrtümern
auftreten können.
Er muss zudem die Möglichkeit einer Lüge einkalkulieren.
12 Bei der Wahrnehmung bedarf es zunächst eines Auslöseanreizes, der überhaupt dazu führt, dass (irgend-)etwas wahrgenommen wird. Hier sind zunächst insbesondere die biologischen Möglichkeiten unserer Sinnesorgane zu berücksichtigen, die einer Wahrnehmungsmöglichkeit natürliche Grenzen setzen. Hierzu zählen neben sensorischen, physikalischen und sozialen Wahrnehmungsbedingungen insbesondere die Wahrnehmungsdauer, die vorhandene Aufmerksamkeit und der Wahrnehmungskontext.6
13 Wird ein Zeuge mit einer Waffe bedroht oder gar angegriffen, fokussiert sich seine Wahrnehmung auf die (Mündung der) Waffe. Er wird selten in der Lage sein, eine brauchbare Personenbeschreibung abzugeben oder ein vernünftiges Phantombild erstellen zu lassen.
Aber selbst eine taugliche Beschreibung der Waffe (Pistole/Revolver/Farbe/Lauflänge) wird häufig nicht möglich sein, da sich die Wahrnehmung auf das abstrakte Bedrohungspotenzial verengt hat.
14 Darüber hinaus ist die Wahrnehmung bzw. sind die etwa 60 %, die wir von einem tatsächlichen Geschehen aufnehmen, höchst individuell und selektiv.7 Auch wenn es schwerfällt, muss man sich vor Augen führen, dass niemand etwas wahrgenommen haben muss.
15 Ein Polizeibeamter, der zu einem Verstorbenen kommt, achtet auf völlig andere Dinge - Hinweise auf ein Fremdverschulden/Tatgeschehen/Opfer/Tatwerkzeug/Täter - als etwa die trauernden Hinterbliebenen oder der später eintreffende Bestatter.
16 Bereits bei der Wahrnehmung wird die Information selektiert, interpretiert und nach gewissen Schemata aufgenommen. Der Leser sollte versuchen, sich auf den nachfolgenden Text einzulassen und ihn zu lesen:
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