William Clair saß im goldenen Licht der untergehenden Sonne und betrachtete nachdenklich die lehmigen, träge dahinziehenden Fluten des Darling. Der wettergebräunte Mann war hager, hatte blaue Augen und einen pechschwarzen, struppig herabhängenden Schnauzbart.
Es war Anfang März, und der Fluss führte nur wenig Wasser. Auf den angeschwemmten Baumstämmen hatten sich die Vögel zu ihrem Abendtrunk niedergelassen. Das Kreischen und Schwatzen der Galahs und Kakadus vermengte sich mit dem kollernden Gelächter der Kookaburras und dem traurigen Gekrächze der Krähen. Kein Windhauch bewegte die schimmernden Blätter der riesigen Eukalyptusbäume, die das Ufer säumten.
Das Herrenhaus von Barrakee stand inmitten grüner Rasenflächen, die von Orangenbäumen eingerahmt wurden. Weiter unten an einer Flussbiegung lagen die Arbeiterunterkünfte, der Küchengarten und die Pumpen, die das Wasser aus dem tiefen Wasserloch in die beiden großen Vorratstanks auf den zehn Meter hohen Gerüsten pumpten. Noch weiter flussabwärts waren der riesige Schurschuppen mit dem Blechdach und die Baracke für die Scherer, die zur Zeit leer stand. Im Schurschuppen lagen Clairs Wanderbündel und der Proviantsack.
Eine halbe Meile stromaufwärts machte der Fluss eine scharfe Linksbiegung. Dort stieg eine Rauchsäule auf, für die sich der hagere Mann sehr zu interessieren schien. Sie verriet die Stelle, an der am gegenüberliegenden Ufer einige Eingeborene lagerten.
Die Schatten der Eukalyptusbäume wurden dunkler; der scheidende Tag überzog den Fluss wie mit einem roten Tuch, das sich wenige Minuten später in flüssiges Silber verwandelte. Ein Kookaburra brach mitten im Gelächter ab und schlief ein.
Reglos wartete Clair, bis es völlig dunkel war. Dann glitt er leise das Steilufer hinab zu der Stelle, an der drei Boote festgemacht waren. Er löste eins und legte sacht die Kette im Bug zusammen. Dann schob er die Riemen in die Dollen und stieß ab. Alles geschah so geräuschlos, dass der Fuchs, der am gegenüberliegenden Ufer seinen Durst stillte, nicht einmal den Kopf hob. Lautlos tauchten die Riemen ins Wasser. Wie ein Schatten glitt das Boot unter den überhängenden Zweigen der Eukalyptusbäume dahin.
Bei der Flussbiegung lagerten einige nur mangelhaft bekleidete Gestalten und bemühten sich um ein kleines Feuer - nicht, weil die Flammen Wärme spendeten, sondern weil sie die bösen Geister vertrieben. Clair ruderte noch zweihundert Meter weiter, dann überquerte er den Fluss und legte am anderen Ufer an. Mit der Routine des geborenen Buschmannes vermied er es trotz der Dunkelheit, auf trockene Zweige zu treten oder in Wassergräben zu stolpern. Sechs Meter vom Lagerfeuer entfernt, blieb er stehen.
'Ahoi! Pontius Pilatus!', rief er.
Die Schwarzen sprangen erschrocken auf.
'Ich möchte mit dir sprechen, Pontius Pilatus', fuhr Clair fort.
Ein grauhaariger, dicker Eingeborener starrte misstrauisch in Clairs Richtung. Er erteilte einen leisen Befehl, und drei Frauen verschwanden in einer aus Zweigen errichteten Hütte. Dann wandte sich der Schwarze wieder Clair zu.
'Du mit mir sprechen wollen', sagte er betont gleichgültig. 'Du kommen zum Feuer.'
Als Clair ans Lagerfeuer trat, musterten ihn der grauhaarige Eingeborene und ein junger Mann von neunzehn Jahren feindselig. Nach einem kurzen, abschätzenden Blick hockte sich Clair ans Feuer und schnitt einige Scheiben von einer Rolle Tabak. Die Eingeborenen beobachteten ihn gespannt; als der Fremde schwieg, rückten sie näher.
'Ihr möchtet etwas Tabak?', brummte Clair.
Der grauhaarige Eingeborene fing die zugeworfene Tabakscheibe auf, biss ein Stück ab und reichte den Rest dem jungen Australneger, der lediglich eine Hose aus Moleskin trug, während der Alte nur ein blaues Hemd anhatte.
'Ihr müsst euch wohl die Kleidung teilen?', Clair grinste. 'Na, ihr werdet euch deshalb keinen Sonnenbrand holen! Stammt ihr aus dieser Gegend?'
'Wir kamen letzte Woche von Wilcannia', antwortete der Alte. 'Wo du lagern, Boss?'
'Ein Stück weiter oben. Ist Old Mokie noch weiter unten am Fluss?'
'Ja. Old Mokie, er geheiratet Sarah Wanting. Du kennen Sarah?'
'Ich denke schon. Sarah muss langsam alt werden', erwiderte Clair, obwohl er keine Ahnung hatte, welche der vielen Sarahs Pontius Pilatus meinte. Die Eingeborenen heirateten und trennten sich mit einer Schnelligkeit, die einen Weißen verwirren musste.
'Ich komme aus Dunlop. Ted Rogers reitet dort oben Pferde zu.'
'Er ist immer noch dort?' Der junge Mann machte zum ersten Mal den Mund auf.
'Ich habe es doch wohl gesagt, oder?', meinte Clair nachdenklich.
Die Unterhaltung schleppte sich dahin. Clair und der junge Eingeborene rauchten, der Alte kaute den Tabak. Schließlich stellte Clair die Frage, die er im Laufe vieler Jahre in zahllosen Camps gestellt hatte. Niemand, auch nicht der misstrauischste Eingeborene, hätte gemerkt, dass der Weiße nur deshalb gekommen war.
'Ich kannte mal einen Eingeborenen. Er war ein außergewöhnlich guter Reiter. Hieß Prinz Henry. Moment, nicht Prinz - aber so ähnlich. Ein großer, kräftiger Kerl. Kennt ihr einen Eingeborenen, der so ähnlich heißt?'
'Nicht Prinz Henry', antwortete Pontius Pilatus, und sein ebenholzfarbenes Gesicht nahm die Würde eines Häuptlings an. 'Du vielleicht meinen König Henry?'
Kein Muskel in Clairs Gesicht zuckte, keine Regung verriet sein Interesse.
'Vielleicht ist er es', sagte er betont gleichgültig. 'Er arbeitete mal hier auf Barrakee.'
'Das ist er, Boss', bestätigte der Alte. 'König Henry, Neds Vater. Das hier ist Ned - der Sohn von König Henry.'
'Oh!', Clair musterte den jungen Mann. 'Und wie heißt deine Mutter, Ned?'
'Sarah Wanting.'
'Hm! Sarah scheint die Abwechslung zu lieben.'
'Ach, Sarah verlassen Old Mokie wieder, weil König Henry zurück', erklärte Pontius Pilatus, stolz ob dieses Wissens.
'Aha!' Der Hagere seufzte. 'Dann ist dein Vater also in der Nähe, Ned?'
'Ja. Er gekommen aus North Queensland.'
'Was hat er denn dort oben gemacht? Ich dachte, er stammt vom Darling?'
'Weiß nicht', antwortete der Alte, doch im nächsten Moment widersprach er sich selbst. 'Er auf Flucht vor weißem Mann. Weißer Mann ihn wollte töten. Aber nun weißer Mann tot.'
'Oh! Dann hat er also wieder freie Bahn, wie?' Und nun kam die Frage, die Clair vor allem interessierte. 'Und wo ist König Henry jetzt?'
'Er unten in Menindee. König Henry kam Fluss herauf mit Sarah. Wohnen jetzt hier im Camp.'
Regelmäßig quoll der Tabakrauch aus dem Mund des hageren Mannes. Er hatte die Lider gesenkt, und keiner der beiden Eingeborenen bemerkte das triumphierende Aufleuchten seiner Augen. Nach kurzem Schweigen wandte er sich einem anderen Thema zu. Zehn Minuten später erhob er sich und verließ das Camp.
Lautlos ließ er das Boot ins Wasser gleiten und kletterte hinein. Er ruderte zum gegenüberliegenden Ufer und ließ sich von der Strömung im Schatten der Eukalyptusbäume zur Anlegestelle zurücktreiben.
Eine halbe Stunde später saß er vor dem Schurschuppen an seinem Lagerfeuer, trank schwarzen Tee und aß eine Scheibe Kuchen. Und dabei summte er eine Melodie - das blutrünstige Kriegslied eines Eingeborenenstammes.
'Well!', murmelte er. 'Dann bin ich nach jahrelanger Jagd meinem Wild doch noch auf die Spur gekommen.' Er beschloss, gleich am Morgen zu Mr Thornton zu gehen und um Arbeit zu bitten.
Mrs Thornton war klein; sie wirkte zart und zerbrechlich, was allerdings nicht recht zutraf. Mit dreiundvierzig Jahren strahlte ihre ganze Erscheinung immer noch jugendliche Frische und Energie aus.
An dem Morgen, der auf William Clairs Besuch im Eingeborenencamp folgte, saß sie auf der breiten Veranda des Herrenhauses von Barrakee. Tiere und Pflanzen schienen in der Hitze zu schlummern, lediglich das Stampfen der Pumpen unterbrach die tiefe Stille.
Immer wieder blickte Mrs Thornton durch die Blätter der Purpurwinden, die der Veranda kühlen Schatten spendeten, und beobachtete den Mann im blauen Hemd, der am anderen Ende der Rasenfläche mit einem Spaten die Erde der Orangenbäume auflockerte. Sie konnte nicht erkennen, wer es war, und das machte sie nervös.
Als der Personalkoch das zweite Frühstück ankündigte, indem er gegen den schweren Eisentriangel schlug, verschwand der Mann. Die Herrin von Barrakee ließ das Nähzeug in den Schoß sinken, und ihre braunen Augen nahmen einen nachdenklichen Ausdruck an.
Kurz darauf ertönte der Hausgong, und Mrs Thornton wandte sich seufzend wieder der Näharbeit zu. Schwere Schritte näherten sich auf dem Holzfußboden der Veranda, und um die Ecke bog eine unglaublich fette Eingeborene. Sie walzte auf die zierliche Farmersfrau zu und setzte das Tablett auf einem kleinen Tisch ab.
Missbilligend blickte Mrs Thornton in das strahlende Gesicht der Eingeborenen, der >Gin<, wie man sie in Australien nennt. Sie musterte die leuchtend bunte Baumwollbluse, den dunkelblauen Rock, und schließlich die nackten Füße. Ostentativ starrte sie auf die nackten Füße, und die schwarzen Zehen begannen nervös zu zucken. Die Gin rollte mit den Augen, das strahlende Lächeln war verschwunden.
'Martha, wo sind deine Hausschuhe?', fragte die Herrin von Barrakee vorwurfsvoll.
'Missis, ich nicht wissen', murmelte Martha verlegen. 'Hausschuhe sind weg.'
'Martha, seit zwanzig Jahren gebe ich mir Mühe, deine Füße an Schuhe zu gewöhnen', sagte Mrs Thornton grimmig. 'Ich habe dir Stiefel gekauft, Straßenschuhe und Pantoffel. Ich werde sehr böse, wenn du nicht sofort deine Hausschuhe suchst. Bei uns geht nichts verloren.'
'Gewiss, Missis. Ich suchen', versicherte die dicke Negerin. Dann beugte sie sich mit einer in Anbetracht ihrer Körperfülle erstaunlichen Behändigkeit zu ihrer Herrin nieder. 'König Henry!', flüsterte sie erregt. 'Er zurück. Sie sich erinnern an König Henry?'
Volle dreißig Sekunden starrten sich die beiden an. Die Farmersfrau wollte gerade etwas sagen, als das Geräusch der zufallenden Gartentür ankündigte, dass ihr Mann zurückgekommen war. Die Eingeborene richtete sich auf und trottete davon. Nur mit halbem Ohr hörte Mrs Thornton, wie ihr Mann die Gin wegen der nackten Füße ausschimpfte, und Martha verlegen antwortete. Mit einiger Mühe gewann sie die Fassung zurück, und als der Schafzüchter neben ihr Platz nahm, schenkte sie den Tee ein.
'Martha hat wieder mal die Schuhe verloren!' Er lachte.
John Thornton war fünfzig Jahre alt, groß und kräftig. Sein glatt rasiertes, braun gebranntes Gesicht verriet, dass er sich viel im Freien aufhielt. Den klaren, dunkelgrauen Augen entging nichts.
'Napoleon hat sich auch alle Mühe gegeben, Frankreich zu einer großen Nation zu machen', meinte die Farmersfrau.
'Ganz recht', pflichtete ihr Mann bei und nahm sich etwas Kuchen. Er wusste, dass seine Frau von dem großen Korsen schwärmte. 'Aber wie kommst du gerade jetzt darauf?'
'Jedes Mal, wenn er glaubte, sein Ziel erreicht zu haben, brachte England eine neue Koalition zu Stande. England war für ihn das ewige Schreckgespenst. Für mich sind es Marthas nackte Füße.'
'Nun, wir dürfen nicht vergessen, dass Martha eine Eingeborene ist', gab Thornton zu bedenken. 'Hast du dich noch nie gewundert, dass sie jetzt zwanzig Jahre bei uns ist, ohne jemals den Drang verspürt zu haben, zu ihrem Stamm zurückzukehren?'
'Doch, darüber habe ich mich schon gewundert.'
'Sie ist in dieser Beziehung eine große Ausnahme.' Er zuckte die Schultern. 'Doch genug davon. Ich nehme an, du zählst bereits die Stunden?'
'Und ob! Ralph trifft um elf mit dem Zug in Bourke ein, nicht wahr?'
'Ja. Gegen drei müssten sie hier sein.'
'Inzwischen ist er ein Mann geworden', meinte sie wehmütig.
'Allerdings. Gestern war sein neunzehnter Geburtstag. In diesem Alter machen sogar fünf Monate einen gewaltigen Unterschied.'
Nachdem der Schafzüchter seinen Tee getrunken hatte, zündete er sich eine Zigarette an, während seine Frau wieder die Näharbeit zur Hand nahm. Ihr Junge kam vom College nach Hause, und sie hatte große Sehnsucht nach ihm. Es war ein großes Opfer für sie gewesen, als er die letzten Weihnachtsferien bei Freunden in Neuseeland verbracht hatte. Fünf lange Monate hatte sie ihren Jungen nun nicht mehr gesehen.
'Ich habe schon oft darüber nachgedacht', unterbrach Thornton das nachdenkliche Schweigen, 'ob es nicht besser wäre, Ralph über seine Abstammung aufzuklären.'
'Nein, John - nein!'
'Aber eines Tages wird Ralph selbst dahinter kommen, Ann', gab der Viehzüchter zu bedenken. 'Ist es nicht besser, wenn wir es ihm schonend beibringen, als wenn er plötzlich von anderen erfährt, dass er nicht unser Sohn ist, sondern das Kind einer Frau, die hier als Köchin diente?'
'Dazu besteht weder Grund noch Notwendigkeit', antwortete sie entschlossen und blickte auf die Nadel. 'Seine Mutter ist tot. Der Arzt, der ihn zur Welt gebracht hat, ist ebenfalls gestorben. Du weißt doch, wie krank ich damals war, als Ralph geboren wurde? Krank vor Kummer, weil mein eigenes Baby gestorben war. Und dann übergab Mary mir ihr Kind. Sie sah, wie ich mich darüber freute, es wie mein eigenes Kind an die Brust drückte, und sie starb mit einem Lächeln auf den Lippen.'
'Aber -'
'Nein, John - keine Widerrede', drängte sie. 'Er ist jetzt mein Sohn, und mein Sohn muss er bleiben. Sobald er erfährt, dass ich nicht seine leibliche Mutter bin, wird sofort eine Kluft zwischen uns aufgerissen, die wir nie mehr überbrücken können.'
John Thornton war damals genauso unglücklich gewesen wie seine Frau, als der so sehnlichst erwartete Erbe, nur einen Tag alt, gestorben war, und er hatte mit Freuden zugestimmt, das Kind der Köchin zu adoptieren. Aber er hasste Geheimnisse und Unwahrheiten. Ihm wäre deshalb eine große Last von der Seele genommen worden, wenn seine Frau endlich zugestimmt hätte, Ralph reinen Wein einzuschenken.
'Ralph ist sicherlich vernünftig genug; in seinem Verhalten uns gegenüber wird sich nichts ändern', versuchte es Thornton erneut. 'Mary hat uns nie verraten wollen, wer der Vater ist. Der Mann lebt vielleicht noch und kennt unser Geheimnis. Wir können niemals vor ihm sicher sein. Eines Tages taucht er womöglich auf und versucht uns zu erpressen. Dann müssten wir Ralph doch noch die Wahrheit sagen, und der Junge könnte uns mit Recht Vorwürfe machen, dass wir so lange geschwiegen haben.'
'Marys Verführer wäre längst aufgetaucht, wenn er uns hätte erpressen wollen', widersprach die Frau.
'Aber die Möglichkeit bleibt bestehen. Außerdem wird Ralph eines Tages heiraten. Vielleicht Kate, vielleicht aber auch die Tochter von Sir Walter Thorley. Bedenke einmal, welch peinliche Situation dann entstehen könnte! Kannst du nicht einsehen, dass absolute Offenheit für uns alle das Beste ist?'
'Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen, John. Ralph ist nun mein Kind. Du kannst nicht verlangen, dass ich ihn mir jetzt noch wegnehmen lasse.'
Mit einem Seufzer der Resignation stand der Mann auf. 'Na schön, wie du willst. Ich hoffe nur, dass es richtig ist.'
'Ganz bestimmt, John', murmelte sie, und damit war für sie dieses Thema erledigt. 'Wer arbeitet eigentlich bei den Orangenbäumen? Hast du einen Neuen eingestellt?'
Der Schafzüchter drehte sich um. 'Ja, heute Morgen. Zuerst glaubte ich, ihn zu kennen, aber er sagte, er habe bisher in Queensland gelebt. William Clair heißt der Mann.'
Mrs Thornton lehnte sich zurück und schloss die Augen. Ein flüchtiges Lächeln glitt um ihre Mundwinkel. Offensichtlich war eine schwere Sorge von ihr genommen worden.
Die weißen Wände und das rote Dach des Herrenhauses von Barrakee hoben sich scharf von dem leuchtend grünen Rasen und den Orangenbäumen ab, und drei Meter hoher Bambus bot Schutz vor dem Wind. Zwischen dem unteren Teil des Gartens und dem Fluss lag ein ausgetrockneter Teich von fünfzig Meter Durchmesser. An dieser Stelle des Darling waren die Boote festgemacht, mit denen man ans andere Ufer übersetzen oder zum Fischen fahren konnte.
Unmittelbar südlich des Herrenhauses standen der Bürobau und die Baracke, die dem Buchhalter und den Farmvolontären als Unterkunft diente, ferner Lagerschuppen und Werkstätten. Vor dem Büro dehnten sich der Tennisplatz und der Rasen fürs Krocketspiel.
Im Gegensatz zu den meisten Schafstationen im Westen von New South Wales stand Barrakee der unerschöpfliche Wasservorrat des Darling zur Verfügung. Mrs Thornton führte den Haushalt, ihr Mann aber herrschte über das riesige Weidegebiet, über dreißig bis vierzig Angestellte und fünfzig- bis sechzigtausend Schafe. Keiner mischte sich in die Angelegenheiten des anderen. Die Thorntons hatten nur ein gemeinsames Ziel: ihrem Ralph eine vorbildliche Schafstation zu hinterlassen.
Auf dem Gerüst eines Wassertanks war ein junger Arbeiter postiert worden. Er hatte den Auftrag, mit dem Fernglas nach dem schweren Tourenwagen Ausschau zu halten. Um Viertel nach drei gab er den vereinbarten Schuss aus der Schrotflinte ab.
Die Thorntons erwarteten ihren Sohn vor der Gartentür beim Büro. Der Wagen hielt an, und ein gut aussehender, dunkelhaariger junger Mann im eleganten grauen Tweedanzug sprang heraus. Ihm folgte weniger stürmisch ein junges Mädchen im weißen Kleid.
'Mutter!' Ralph Thornton drückte die Farmersfrau an sich.
'Ralph! Ich bin so froh, dass du wieder zu Hause bist.' Sie blickte ihm stolz, aber auch ein wenig traurig ins Gesicht. Nie würde er mich so in die Arme nehmen, wenn er wüsste, dass ich nicht seine leibhaftige Mutter bin! schoss es der Frau durch den Kopf.
'Du musst müde sein, Katie', sagte der Schafzüchter zu dem jungen Mädchen. 'Es war ein heißer Tag.'
'Tatsächlich, Onkel? Ich hatte mich so auf Ralph gefreut, dass ich es gar nicht bemerkt habe. Ist er nicht ein ganzes Stück gewachsen?'
'Bis jetzt hatte ich überhaupt noch keine Gelegenheit, ihn richtig anzuschauen', erwiderte er zwinkernd.
'Dann will ich dir Gelegenheit geben, Dad', sagte der junge Mann und reichte dem Schafzüchter die Hand. 'Unsere Little Lady sieht jünger aus als eh und je, und du ebenfalls. Und was Kate anbelangt - da bleibt mir einfach die Luft weg!' Ralph entdeckte den Buchhalter, der im Hintergrund stand. 'Hallo, Mortimore! Wie geht's?'
'Na, ich fühle mich durchaus nicht jünger, Mr Ralph', entgegnete der Mann. 'Als ich Sie zum ersten Mal sah,.