In dieser Studie wurde mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) beim Deutschen Schäferhund unter Isofluran Anästhesie die funktionelle Konnektivität des Hundegehirns untersucht. Aufgrund des evolutionären Prozesses finden sich gleiche oder ähnliche funktionell verknüpfte Gehirnregionen, von der Maus über den Hund bis hin zum Menschen. Die in Ruhe detektierbaren Netzwerke (Resting-state Netzwerke) sind Gehirnareale, in denen ohne Ausführung einer spezifischen Aufgabe spontane niederfrequente BOLD-Fluktuationen gemessen werden können, welche die zugrundeliegende neuronale Aktivität wiedergeben.
Für diese Studie wurden 14 reinrassige Deutsche Schäferhunde ohne makromorphologische Veränderungen und unter Anwendung einer Isofluran Anästhesie in einem 3 Tesla Magnetresonanztomographen untersucht. Diese veterinärmedizinische Studie verwendet zudem erstmals erfolgreich bei Durchführung einer Resting-state Untersuchung die MP2RAGE als anatomische MRT-Sequenz. Zudem wurde zur Minimierung des Signalausfalles ("drop out") im Bereich des Sinus frontalis eine spezielle Schnittführung der epi-BOLD-Sequenz angewendet. Des Weiteren wurde das Pre-Processing studienspezifisch modifiziert. Dafür wurden die Softwares FSL (FMRIB Software Library), ANTs (Advanced Normalization Tool), SPM12 (Statistical Parametric Mapping), FreeSurfer und GIFT Toolbox (Group ICA of fMRI Toolbox) kombiniert und im Anschluss die Ergebnisse der detektierten funktionellen Aktivitätsareale in ihrer Lokalisation und Ausdehnung beim Deutschen Schäferhund im Resting-state ausführlich beschrieben.
Die publizierten Ergebnisse der group-ICA (Gruppen-independet component analysis) weisen unter Anwendung von 20 Komponenten insgesamt auf 14 mögliche Ruhenetzwerke beim Deutschen Schäferhund hin. Hierbei konnten insgesamt 106 funktionell verknüpfte Aktivitätsareale in der grauen Substanz des Neocortex detektiert werden. Erstmals konnte beim Hund ein konnektiertes Default-mode-Netzwerkes (Komponente 8), eine frontales (Komponente 13) und orbitofrontales Netzwerk (Komponente 4) sowie ein dissoziiertes rechtes (Komponente 17) und linkes auditives (Komponente 14) Netzwerk dargestellt werden. Zudem konnte ein "zweites" dissoziiertes Default-mode-Netzwerk (Komponente 0 und Komponente 11) sowie ein visuelles Netzwerk (Komponente 19), zwei lateralisierte striatale Netzwerke (Komponente 6 und Komponente 7), ein cerebelläres Netzwerk (Komponente 10), ein olfaktorisches Netzwerk (Komponente 15) und möglicherweise ein subkortikales Netzwerk (Komponente 18) detektiert werden. Außerdem bestehen Hinweise für das Vorliegen eines thalamokortikalen Netzwerkes (Komponente 3, Komponente 5, Komponente 12) sowie eines Formatio reticularis-Netzwerkes (Komponente 1, Komponente 9).
Ein weiteres Ergebnis ist, dass es in multiplen Komponenten zu einer Aktivierung des Bulbus olfactorius, der Amygdala sowie des Hippocampus kommt. Dieses Überlappen von funktionellen Aktivitätsarealen in verschiedenen Komponenten deutet auf wichtige Gehirnregionen hin, welche für die kognitive Leistungsfähigkeit verantwortlich sind. Zudem werfen die hier detektierten Aktivitätsareale die Frage auf, wie unsere Hunde ihre Umwelt wahrnehmen und ob sich diese Wahrnehmung möglicherweise mit dem Phänomen der Synästhesie beim Menschen deckt. So ist es anhand der hier erhobenen Daten denkbar, dass Hunde Gerüche regelrecht "sehen" (siehe Komponente 15 und 19 mit Aktivierung von visuellem Cortex und Bulbus olfactorius sowie Lobus piriformis beidseits). Dies stellt aber zum aktuellen Zeitpunkt lediglich eine Hypothese dar, die es zukünftig weiterführend zu untersuchen gilt.
Die hier erhobenen funktionellen Daten im Resting-state sollen zukünftig helfen das Verhalten unserer Hunde besser zu verstehen und individuelle Charaktereigenschaften von Hunden zu detektieren, welche besonders für spezifische Aufgaben (z.B. Assistenzhunde) geeignet sind. Des Weiteren kann diese Arbeit einen Beitrag leisten zukünftig neurodegenerative Erkrankungen wie z.B. die canine cognitive Dysfunktion intra vitam mittels fMRT zu diagnostizieren und im weitesten Sinne die Basis für die Etablierung neuer Therapieoptionen für vergleichbare humanmedizinische Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) darstellen.
Reihe
Thesis
Dissertationsschrift
2024
Justus-Liebig-Universität Gießen
Sprache
Verlagsort
Maße
Höhe: 21.5 cm
Breite: 15.5 cm
Gewicht
ISBN-13
978-3-8359-7193-6 (9783835971936)
Schweitzer Klassifikation