1 - Vorwort [Seite 8]
2 - Inhaltsverzeichnis [Seite 10]
3 - Die Vorläufer der Volkswirtschaftslehre [Seite 12]
4 - Der Merkantilismus [Seite 22]
5 - Der Physiokratismus [Seite 32]
6 - Der klassische Liberalismus [Seite 42]
7 - Der Sozialismus [Seite 54]
8 - Der Historismus [Seite 64]
9 - Die Grenznutzenlehre [Seite 74]
10 - Die Neoklassik [Seite 86]
11 - Der Keynesianismus [Seite 96]
12 - Der Monetarismus [Seite 108]
13 - Der Neoliberalismus [Seite 118]
14 - Die Evolutorische Wirtschaftstheorie [Seite 128]
15 - Sachverzeichnis [Seite 140]
16 - Personenverzeichnis [Seite 146]
"Frühsozialismus (S. 45-47)
Die Gegenmodelle zu den bürgerlichen bzw. kapitalistischen Auffassungen, die auf Missstände der bestehenden Ordnung abheben und meist mit der Beschreibung eines Idealzustandes enden, bezeichnet man als Produkt frühsozialistischen Denkens, das während der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert begann.
Häufig handelt es sich bei diesen Konzeptionen einer besseren Ordnung um weltverbessernde Utopien, die mit dem Appell an die Vernunft verbunden wurden. Deshalb wird auch gelegentlich vom utopischen Sozialismus gesprochen. Nach einer Definition von Zimmerman versteht man unter Utopisten Personen, ?die das gedankliche Modell einer besseren und idealen Gesellschaftsordnung entwerfen, die sie dann entweder in Büchern beschreiben oder in einer Musterkolonie zu verwirklichen versuchen, wobei sie ? weil sie ihre Argumentation für so überzeugend und das Beispiel, das sie geben, für so nachahmenswert halten ? in der Regel davon ausgehen, dass die Durchsetzung ihrer gesellschaftlichen Ideale keinerlei politischer Macht bedürfe"" (1961, S. 87). Dabei liegt die Bedeutung frühsozialistischer Ideen nicht so sehr darin, dass sie ? trotz des abschätzigen Urteils von Karl Marx ? zu einem gewissen Teil Eingang in marxistisches Denken gefunden haben. Wichtiger ist, dass diese Kritik an der kapitalistischen Ordnung zu ihrer allmählichen und sozialeren Umgestaltung beigetragen hat (vgl. Ramm 1968, S. IX f.).
Kritiker im Vorfeld, bzw. zu Beginn der industriewirtschaftlichen Entwicklung, ist der Schweizer Jean Charles Leonard Simonde de Sismondi (1773? 1842), der eher dem Präsozialismus zuzuordnen ist. Er forderte u.a. das Koalitionsrecht für die Arbeiter, ein Verbot der Kinder- und Sonntagsarbeit und eine Beschränkung der Arbeitszeit. In seinem 1819 erschienenen Hauptwerk ?Nouveaux principes d?économie politique, ou de la richesse dans ses rapports avec la population"" stellte er fest, dass der freie Wettbewerb in Verbindung mit dem Bestreben nach Kostensenkung zwar zu einem Maximum an Produktion, aber eben auch zu wachsenden sozialen Problemen bei der Verteilung führt. Da die Arbeiter nur das zum Lebensunterhalt nötige Entgelt erhalten, komme es, auch im Zuge einer Konzentration zu Großbetrieben, zur Proletarisierung der Arbeiter, zu Absatzstockungen, Arbeitslosigkeit und immer wiederkehrenden Krisen. Die Disproportionalität zwischen dem zunehmenden Angebot und der zurückbleibenden Nachfrage ? Sismondis Krisentheorie ist eine Unterkonsumtionstheorie ? wird als ein Strukturfehler der kapitalistischen Wirtschaft angesehen, der eine Intervention des Staates nach sich ziehen müsse. Als wenig hilfreich beurteilte er dagegen eine sozialistische Änderung der Eigentumsordnung. Er sah vielmehr in der Existenz möglichst vieler selbständiger landwirtschaftlicher und gewerblicher Betriebe die ideale Eigentumsstruktur der Wirtschaftsordnung.
Die soziale Verantwortung des Unternehmers gegenüber den von ihm als ?sociétaires"" bezeichneten Arbeitern betonte der bewusst auf seine Adelsprivilegien verzichtende Claude-Henri de Rouvray, Comte Saint-Simon- Sandricourt (1760?1825). ?Nicht die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erscheint ihm problematisch. Das soziale Problem liegt für ihn vielmehr in der Eingliederung der Unproduktiven in den Arbeitsprozess und in der Versorgung der Arbeitsunfähigen."" (Ramm 1968, S. XVII f.) Das Privateigentum an Produktionsmitteln und auch das individuelle Erbrecht sollten nach Saint-Simon nicht angetastet werden, es müsse aber dafür gesorgt werden, dass sich das Kapital der Nation stets in den Händen der besten ?Wirte"" befindet. Der Staat ist nach seiner und der Auffassung der Saint- Simonisten als Vereinigung der Werktätigen (?industriels"") zu organisieren. Dabei kommt bereits der kollektivistische Gesichtspunkt der Vergesellschaftung zumVorschein."