Unlängst häuften sich Meldungen über eine sogenannte »islamische Paralleljustiz« in Deutschland. Die Arbeit untersucht das damit angesprochene Phänomen der Generierung von Subkulturen unter Migranten, die sich auch in Deutschland an ihrem traditionellen oder religiösen Recht orientieren und vor allem familien- und strafrechtliche Streitigkeiten eigenständig bzw. durch milieunahe Personen schlichten oder entscheiden lassen, während die staatliche Justiz nicht einbezogen wird. Die Autorin analysiert die bisher vorliegenden Befunde und prüft systematisch Zulässigkeit und Grenzen religiöser bzw. traditionell motivierter Streitschlichtung- und entscheidung. Nach einer Abgrenzung zu Erscheinungen religiöser Gerichtsbarkeiten in Großbritannien und Kanada und der Einordnung des Phänomens in das Konzept des Rechtspluralismus, wird der verfassungsrechtliche Schutz genuin religiös motivierter Streitschlichtung aufgezeigt. Anhand einer Analyse potentieller Gegenrechte - wie zum Beispiel dem Rechtsprechungsmonopol des Staates, der funktionstüchtigen Strafrechtspflege, des Gleichheitssatzes, der öffentlichen Ordnung, aber auch etwa dem Rechtsdienstleistungsgesetz - werden präventive und repressive Handlungsmöglichkeiten des Staates dargelegt.
Rezensionen / Stimmen
»Insgesamt bietet die Arbeit einen ausgezeichneten Überblick über eine Querschnittsmaterie, die im öffentlichen und im privaten deutschen Recht angesiedelt ist.« Prof. Dr. Stefan Schima, in: Journal der Juristischen Zeitgeschichte, 3/2020
Reihe
Thesis
Dissertationsschrift
2015
Universität Münster
Sprache
Verlagsort
Produkt-Hinweis
Broschur/Paperback
Klebebindung
Maße
Höhe: 23.3 cm
Breite: 15.7 cm
Gewicht
ISBN-13
978-3-428-14839-4 (9783428148394)
Schweitzer Klassifikation
Kathrin Bauwens ist als Rechtsanwältin in einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt am Main tätig. Von 2005 bis 2010 studierte sie Rechtswissenschaften in Münster und Barcelona. Von 2011 bis 2014 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht sowie deutsches und internationales Unternehmens-, Wirtschafts- und Kartellrecht von Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M (Yale), an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig. Ihr Referendariat absolvierte sie am Oberlandesgericht Düsseldorf.
1. Eine Abgrenzung. Staatlich anerkannte religiöse Schiedsgerichte und informelle Paralleljustiz. Einführung und Begriffserklärung, Stand der ForschungInformelle religiöse Streitschlichtung und -entscheidung in Migrantenmilieus - Informelle und formelle Scharia-Gerichte in Großbritannien - Die Scharia-Debatte in Kanada - Scharia im Westen. Rechtspopulismus als wünschenswertes Ziel einer religions-pluralistischen Gesellschaft?2. Religiöse Paralleljustiz im Familien- und ErbrechtDas islamische Recht: Entstehung, Rechtsquellen und Grundzüge des materiellen Familien- und Erbrechts - Grundrechtlicher Schutz traditioneller bzw. religiöser Schlichtungen - Rechtsprechungsmonopol des Staates oder existierender Gerichtspluralismus? Garantie und Grenzen privater Rechtsprechung - Eingriff aufgrund der Verletzung des Gleichheitssatzes - Eingriff aufgrund einer Verletzung der öffentlichen Ordnung - Unzulässige Rechtsdienstleistung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz - Eingriffe bei strafrechtlich relevantem Verhalten im Rahmen der religiösen Paralleljustiz im familienrechtlichen Bereich3. Religiöse Paralleljustiz in strafrechtlich relevanten SachverhaltenReligiös-kulturelle Motive der Beteiligten. Das islamische Strafrechtsverständnis - Islamisches Strafrechtsverständnis und Offizialprinzip - Friedensstiftende Funktion der Schlichter? - Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheitsrechten und Wahrheitsermittlungspflicht. Möglichkeiten der Unterbindung von Schlichtungen im strafrechtlich relevanten Bereich - ErgebnisErgebnisse der Arbeit in ThesenAnhang: Interview mit Frau Rechtsanwältin Nazan Simsek aus Augsburg vom 3. Dezember 2013 über ihre Erfahrungen mit religiöser ParalleljustizLiteratur- und Sachverzeichnis