Teil 1
Die Messe
1. Die Messe, eine Theurgie
2. Das Kreuz, ein kosmisches Symbol
3. Das Betreten eines heiligen Raums
4. Gegenstände, Gesten und Worte des Rituals
5. »Dies ist mein Fleisch. Dies ist mein Blut«
6. Lieder und Gebete
7. Die wahren Tempel Gottes
Teil 2
Die Sakramente
1. Das Sakrament: eine Einprägung, ein Samenkorn
2. Die Taufe
3. Die Eucharistie
4. Die Buße
5. Die letzte Ölung (Krankensalbung)
6. Die Ordination (Weihe zum geistlichen Amt)
7. Die Ehe
8. Die Macht der Sakramente ist in uns
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Die Messe, eine Theurgie
Selbst unter den Personen, die sich als katholisch bezeichnen, gehen viele nicht mehr zur Messe. Warum? Und wie viele unter denen, die noch zur Messe gehen, verstehen deren Sinn nicht wirklich! Sie sehen zu, sie hören zu, sie sprechen die Gebete, sie singen die Lieder. Doch wenn man sie fragen würde, weshalb sie zur Messe gehen, könnten sie nicht sagen, was diese für sie bedeutet. Wo liegt also der Nutzen? Sie können natürlich gerne zur Messe und zu den anderen Gottesdiensten gehen, das ist sehr gut. Aber sie sollten doch ein bisschen besser verstehen, was sie hören und was sich vor ihren Augen abspielt. Andernfalls braucht man sich nicht zu wundern, wenn sogar die Gläubigen die Kirchen verlassen. Und man sollte auch nicht davon ausgehen, dass es genüge, die Gottesdienste zu »modernisieren«, um die Gläubigen zu halten.
Über Jahrhunderte ist es dem Klerus gelungen, die Christen davon zu überzeugen, dass der Glaube allein genüge, und so strömten sie in großen Scharen in die Kirchen. Heutzutage hat sich die Mentalität der Menschen dank der Bildung weiterentwickelt, und die Gläubigen haben nun das Bedürfnis, mehr zu verstehen. Wenn ich hin und wieder Kirchen betrete, in denen man überall Bilder und Symbole sieht, oder wenn ich der Übertragung einer Messe im Fernsehen zusehe, frage ich mich, was dies für die Kirchgänger und selbst für die Priester wirklich bedeutet. Tatsache ist, dass diese Bilder, Symbole und Riten einen sehr, sehr tiefen Sinn haben! Ich wünsche mir, dass die ganze Welt die Größe und den einzigartigen Charakter des Christentums und der Riten, durch die es sich ausdrückt, erkennt. Doch dafür muss zuerst einmal ein Verständnis dafür vorhanden sein, und dies ist noch nicht der Fall.
Dabei gibt es Mitglieder des Klerus, die über die tiefgründige esoterische Seite ihrer Religion Bescheid wissen. Warum erheben sie nicht ihre Stimme? Fürchten sie durch die Kirche verurteilt zu werden, die sich weigert, bestimmte Kenntnisse zu veröffentlichen, aus Angst, dass dies die Entheiligung sakraler Dinge nach sich ziehen würde? Tatsächlich gibt es in allen Religionen eine der Elite vorbehaltene esoterische Lehre sowie eine exoterische Lehre für die anderen! Doch diese Trennung darf nicht ewig aufrechterhalten werden. Gewiss gibt es Enthüllungen, die man im Moment besser verschweigt, da sie nicht verstanden und deshalb falsch angewendet werden würden. Auch ich enthülle euch nicht alles. Doch selbst wenn die Dinge nicht entheiligt werden, werden derartige verfrühte Enthüllungen nicht geschätzt, und das ist für die, die sie empfangen, nicht gut.
Heutzutage sind aber immer mehr Menschen in der Lage, viele Dinge zu verstehen. Warum also weiterhin Dogmen präsentieren, die keinerlei realistische Grundlage haben oder deren Bedeutung verloren gegangen ist? Warum weiterhin von Mysterien wie der Heiligen Dreieinigkeit, der Eucharistie, der Inkarnation, der Auferstehung sprechen? Für denjenigen, der das Buch der Natur, das von Gott selbst geschriebene Buch der Schöpfung, zu entschlüsseln weiß, finden sich dort nicht viele Mysterien.
Nehmen wir zum Beispiel nur das Thema der Dreieinigkeit, die unter verschiedenen Namen in den meisten Religionen auftaucht. Am Anfang gibt es immer ein Wesen, das ein zweites Wesen hervorbringt, und dieses bringt seinerseits ein drittes hervor. Im Christentum nennt man sie Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der Vater ist das Leben, welches das Universum überflutet, die Quelle, aus der alle Schöpfungen hervorsprudeln. Der Sohn kann mit dem Licht gleichgesetzt werden, denn Christus sagte: »Ich bin das Licht der Welt.« Doch er kann auch die Liebe offenbaren. Der Heilige Geist, der in Form von Feuerzungen auf die Welt herabkam, stellt die Wärme, die Liebe, dar. Aber er ist ebenso das Licht, das die Intelligenz erhellt, und er verleiht die Fähigkeit, die Mysterien zu erkennen und zu durchdringen.
In Wirklichkeit ist es unwichtig, welcher Geist die Liebe und welcher die Weisheit ist. Wesentlich ist vielmehr zu verstehen, dass sich diese drei Prinzipien - Vater, Sohn und Heiliger Geist - im Leben, im Licht und in der Wärme der Sonne wiederfinden. Ihr mögt fragen: »Haben wir denn das Recht, diese hohen Wesen im Licht, der Wärme und dem Leben der Sonne zu finden?« Die Antwort ist »Ja«, und diese Entsprechung ermöglicht es uns, am Morgen* die Heilige Dreieinigkeit zu kontemplieren, uns mit ihr zu verbinden und mit ihr zu kommunizieren, um alle Segnungen zu erhalten. Dies ist das Versprechen der Auferstehung und des Lebens.
Man kann natürlich von einem Mysterium sprechen. Aber nur unter der Bedingung, den Gläubigen nicht den Eindruck zu vermitteln, sie hätten mit Dingen zu tun, deren Bedeutung ihnen für immer verborgen bleiben wird und die sie akzeptieren müssen, ohne zu versuchen, sie zu verstehen. Das wäre weder in psychologischer noch in pädagogischer Hinsicht das Richtige. Stattdessen muss man ihnen versichern, dass sie sich immer mehr an etwas unendlich Großes und Erhabenes annähern können, dessen Sinn sie immer mehr vertiefen und deren Schönheit sie immer weiter entdecken können. Manche spirituellen Wirklichkeiten bleiben für uns jedoch immer unergründlich, so dass wir beständig weitersuchen müssen. Das Bewusstsein, dass es eine noch unbekannte Welt gibt, hält die Seele wach, so dass sie Anstrengungen unternimmt, um sich immer weiter, bis hin zur wahren Erkenntnis, zu erheben.
Ich schätze die katholische Kirche sehr und würde mich gerne mit einigen ihrer Vertreter treffen, um ihnen vorzuschlagen, dass sie die Gläubigen in Zukunft besser unterrichten sollten. Es gibt viele Themen, über die wir sprechen könnten, um unsere Standpunkte auszutauschen. Ob ich sie sofort überzeugen könnte, sei dahingestellt, aber das, was ich ihnen sagen würde, würde sie gewiss nachdenklich machen. Ich weiß, dass einige von ihnen meine Bücher lesen. Der Sinn für das Heilige ist tief in jedem Menschen verwurzelt, man muss ihn nur zu erwecken wissen. Doch das geschieht nicht mit Dogmen und Glaubensartikeln, die für die meisten Christen abstrakte Realitäten darstellen, sondern indem man ihnen eine lebendige Nahrung anbietet.
Alle Dogmen, alle Glaubensartikel und alle Riten haben einen Sinn, einen Grund, doch sie müssen belebt werden. Ich weiß nicht, von wem und zu welcher Zeit diese Symbole geschaffen und diese Zeremonien und Riten eingeführt wurden. Doch für mich ist es offensichtlich, dass sie von höheren Geistern erdacht wurden, die ein immenses Wissen besaßen. Man sollte sich nicht entrüsten, wenn man mich sagen hört, dass dieses Wissen im Wesentlichen aus dem Bereich der Magie, der göttlichen Magie, der Theurgie, stammt.
Über die Jahrhunderte hinweg hat die Kirche oft die sogenannten okkulten Wissenschaften und damit auch die Magie bekämpft. Anstatt mit einer solchen Verbissenheit diejenigen zu bekämpfen, die sie Magier oder Hexen nannten, hätte sie die Menschen besser aufklären und ihnen den Unterschied zwischen der weißen und der schwarzen Magie erklären sollen. Denn die Kirche selbst praktiziert Magie. Wie viele Riten der christlichen Religion, vor allem die Messe und die Sakramente, sind in Wirklichkeit magische Rituale! Einige haben das richtig verstanden, und zwar die Adepten der satanischen Praktiken, die seit Jahrhunderten sogenannte »schwarze Messen« abhalten, in denen sie die Symbolik dieser Zeremonien umkehren. Zahlreiche gute Christen wären schockiert zu hören, dass sie während der Messe an einem magischen Ritus teilnehmen. Dieser wird von Schwarzmagiern, die dessen Bedeutung und Wirksamkeit kennen, ganz bewusst angewendet, um dunkle Wesenheiten anzuziehen, die ihnen dabei helfen, ihre üblen Vorhaben zu realisieren. Wie kommt es, dass sich das Böse oft als intelligenter und scharfsinniger erweist als das Gute? Es ist jetzt an der Zeit, aufzuwachen und zu begreifen!
Das Wort »Magie« sollte nicht länger zu allen möglichen Hirngespinsten führen, denn in Wirklichkeit ist es ganz einfach: Magie ist die Wissenschaft und die Ausübung von Beeinflussung. Jede scheinbar noch so unbedeutende Aktivität, eine Geste, ein Wort, ein Blick, ein Gedanke, ein Wunsch, erzeugt notwendigerweise gute oder schlechte Wirkungen. Das ist also bereits eine Form von Magie. Man kann sogar sagen, die Magie ist die erste der Wissenschaften. Es genügt eine Bewegung, eine Prägung, eine Schwingung, um den Bereich der Magie zu betreten. Jedes Mal, wenn ein Wesen auf ein anderes Wesen oder auf einen Gegenstand einwirkt, führt es eine magische Handlung aus. Wenn wir die Sonne, die Sterne, die Berge, die Seen betrachten, so wirken sie auf uns und beeinflussen uns. Und auch wir beeinflussen sie in gewisser Weise. Im Universum ist alles Magie, weil alles gegenseitige Einflussnahme ist. Magie verbieten zu wollen, würde bedeuten, jegliche Manifestation des Lebens zu verbieten.
Insofern ist Magie also keineswegs diese finstere und komplizierte Praktik, die sich die meisten Menschen darunter vorstellen. Sowohl die weiße als auch die schwarze Magie beruhen auf der Wissenschaft der Schwingungen und der unterschiedlichen Eigenschaften von Schwingung. Es ist wichtig, dass der Mensch das Bewusstsein erlangt, dass in diesem lebendigen Organismus der Natur, in dem er seinen Platz hat, die kleinste seiner Offenbarungen eine Resonanz erzeugt und auf alles wirkt, was ihn umgibt. Alle, die sich darin üben, Harmonie und Licht in ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen hineinzubringen, um das Beste in jedem Wesen zu begünstigen, werden zu weißen Magiern. Dann öffnet ihnen die gesamte Natur ihre Türen. Sie empfängt sie bei ihren Festen und bekleidet sie mit ihren Gewändern, weil sie wahre Söhne und wahre Töchter des Lichtes sind.1
In der heutigen Zeit, in der man nicht mehr befürchten muss, von der Kirche verfolgt zu werden, wenden sich immer mehr Leute magischen Praktiken zu, um in ihren Unternehmungen erfolgreich zu sein. Diese Praktiken sind aber häufig weder ehrlich noch moralisch und dienen der Verführung von Männern oder Frauen, der Befriedigung des Ehrgeizes oder der Eliminierung von Konkurrenten. Es fehlt nicht an Büchern, in denen diese Leute die Mittel finden, um ihr Ziel zu erreichen. Aber sie werden leider nicht vor den psychischen Gefahren gewarnt, denen sie sich aussetzen. Wenn ihr euch von magischen Praktiken angezogen fühlt, solltet ihr euch damit begnügen, jeden Tag mithilfe eurer Gedanken eine wohltuende Arbeit auszuführen. Bemüht euch, an allen Orten, die ihr aufsucht, in alle Gegenstände, die ihr berührt, Lichtpartikel hineinzubringen, die aus eurem Herzen und eurer Seele kommen. Auf diese Weise erschafft ihr in der unsichtbaren Welt heilige Räume, die günstig auf alle Geschöpfe einwirken.
Wenn sich die Kirche bis heute halten konnte, so dank der Messe, dieser magischen Zeremonie, während der das Brot und der Wein symbolisch zum Körper und Blut Christi werden. Bedauerlich ist, dass viele Priester nicht wirklich auf diese feierliche Handlung vorbereitet wurden, so wenig wie die Gläubigen. Wären sie besser unterrichtet worden, so hätte die Messe eine noch stärkere Wirkung. Was stellt eine Kirche, eine Kathedrale dar? Warum entzündet man dort Kerzen und ewige Lichter*?
Warum verbrennt man Weihrauch? Warum segnet der Priester die Menge? Warum kniet man vor Statuen nieder und richtet Gebete an sie? Warum trägt man Medaillons oder Kreuze? Alle diese Handlungen haben eine magische Funktion: Es geht darum, mit unsichtbaren Mächten zu arbeiten, die auf der physischen, aber vor allem auf der spirituellen Ebene, Wirkungen erzeugen werden.
Die beste Art und Weise, die Menschen zu erziehen und zu beschützen, besteht darin, sie über den Sinn und die Wichtigkeit dessen aufzuklären, was man sie zu tun und zu glauben heißt. Man muss den Christen zeigen, wie die religiösen Praktiken auf ihr inneres Wesen wirken und wie sie auf diese Weise nach und nach auf den Weg der göttlichen Magie, der Theurgie, geführt werden. Dann werden sie die Wichtigkeit der Arbeit verstehen, die sie an sich ausführen sollen, damit diese Zeremonien ihre Seele und ihren Geist nähren. Andernfalls braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Priester die Messe in immer leerer werdenden Kirchen zelebrieren. Einige sind schon so gut wie leer, denn fast niemand geht mehr hin.
Man gibt natürlich Erklärungen, warum das religiöse Praktizieren und der Besuch der Gottesdienste weniger werden. Da die Menschen heute aufgeklärter sind, meinen sie, verstanden zu haben, dass es sich hier um Aberglauben und falsche Überzeugungen handelt. Sie meinen, in Wirklichkeit sei es möglich, auf Religionen und Kirchen, so wie sie heute existieren, zu verzichten. Doch selbst wenn der Mensch sich dessen nicht bewusst ist, so ist die Wahrheit doch, dass der Schöpfer eine Seele und einen Geist in ihn hineingelegt hat. Deren Bedürfnisse kann er nicht über längere Zeit hinweg ignorieren. Wenn jene, die die Gläubigen unterrichten sollen, ihnen nicht die Nahrung geben können, nach denen sich deren Seele und Geist sehnen, so werden es andere tun, die mehr Klarheit besitzen. Außerhalb der Kirche wird eine große Bewegung geboren werden: Philosophen, Mystiker und geistige Meister werden dem Menschen jene Wahrheiten in Erinnerung rufen, die er nicht kennt oder die er vergessen hat. Dann wird sich allen die wahre Bedeutung der Messe und der Sakramente offenbaren.