Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen (§ 1 Satz 2 TierSchG). Diese Basisregel des Tierschutzrechts ist epistemisch voraussetzungsvoll, weil sie belastbare Kenntnisse über das Empfindungsvermögen einer Tierart voraussetzt. Auch unter den Bedingungen tierexperimenteller Forschung ist dies nicht immer gewährleistet, was der normative Grenzfall der Tierversuche mit Cephalopoden (Sepien, Kalmare, Kraken) zeigt. Die vorliegende Fallstudie illustriert die Funktionen von Modellorganismen in den Life Sciences und zeichnet die Bedeutung der Cephalopoden insbesondere für die neurowissenschaftliche Forschung nach. Die unionsrechtlich induzierte Einbeziehung in das Tierschutzrecht beruht auf dem Vorsorgeprinzip, weniger auf gesicherten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Ungelöste Folgeprobleme wurden so in die Anwendung des Tierschutzrechts verlagert, das Leiden vermeiden soll, über das nur hochgradig ungesichertes Wissen vorliegt.
Reihe
Sprache
Verlagsort
ISBN-13
978-3-16-162720-0 (9783161627200)
DOI
10.1628/978-3-16-162720-0
Schweitzer Klassifikation
Autor*in
Geboren 1975; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn; 2002 Promotion; 2009 Habilitation; Professor für Ãffentliches Recht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.
I. Hintergrund
II. Tiermodelle in den Life Sciences
1. Modellorganismen
2. Evolutionäre Entwicklungsbiologie
III. Cephalopoden und tierexperimentelles Interesse
1. Hochkomplexes Nervensystem als Proprium
2. Cephalopoden als Modell in der Wissenschaftsgeschichte
3. Forschungsinteressen
IV. Einbeziehung in das Tierschutzrecht
1. Richtlinienerlass und Motiv der Schutzerweiterung
2. Epistemische Unsicherheit, Nozizeption, Vorsorge und Fiktion
3. Deutsches Recht
V. Epistemische Folgelasten
1. Empfindungsfähigkeit als Definitions- und Erkenntnisproblem
2. Cephalopoden als Grenzfall
3. Die Fallstricke einer Vergeisteswissenschaftlichung
VI. Konfliktverlagerung ins Tierversuchsrecht
1. Genehmigungsrecht
2. Ethische Rechtfertigung
3. Replace, Reduce, Refine
4. Tötung von Tieren
VI. Resümee