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Wariinga verläßt aufgrund einer verzweifelten Situation Nairobi und will in ihrem Heimatdorf Ilmorog Zuflucht suchen. Sie fährt mit einem Matatu-Taxi zu einer Einladung - einer Einladung zu einem Fest der Diebe, das vom Teufel organisiert wird. Diese Diebe (lokale und ausländische Geschäftsleute) veranstalten einen Wettkampf in der Prahlerei damit, wie sie reich wurden. Durch dieses Feiern von Korruption in all ihren Formen wird Wariinga zu der Einsicht gebracht, daß ihr Leben nichts anderes war als die Duldung von Korruption.
Ngugi kehrt in Der gekreuzigte Teufel den westlichen Symbolismus um. Er konfrontiert Illusion und Wirklichkeit, Träume und harte Tatsachen. Die Erzählung verwendet die alten Rhythmen des traditionellen Geschichtenerzählens als Gegengewicht zum Schreibstil. Aus dieser Verbindung des Alten mit dem Neuen ergibt sich ein leidenschaftliches Plädoyer für die politische, wirtschaftliche und kulturelle Unabhängigkeit des kenianischen Volkes.
Der gekreuzigte Teufel wurde von Ngugi heimlich im Gefängnis - er wurde wegen eines Theaterstücks in Gikuyu verhaftet, aber nie vor Gericht gestellt - auf Toilettenpapier niedergeschrieben. Erst kurz vor seiner Entlassung wurde das Manuskript entdeckt und beschlagnahmt, ihm jedoch wieder zurückgegeben. Die Publikation dieses Romans auf Gikuyu war ein (nicht nur literarisches) Ereignis.
Wie an so vielen Matatu- und Bushaltestellen in Nairobi herrscht auch in Nyamakima ein ständiges Gedränge und ein unablässiges Kommen und Gehen von Menschen und Fahrzeugen. Das Ziel vieler scheint Grogan Valley zu sein, ein Ort, von dem es heißt, daß man dort auf der Suche nach Ersatzteilen, egal für welches Fahrzeug, immer fündig wird; andere wiederum sind auf dem Weg von und zur River Road, der Straße, von der man sagt, daß dort die Bauern und Arbeiter aus den ländlichen Gegenden an Samstagen und Sonntagen ihre Einkäufe machen. Manche haben nichts anders zu tun, als Kartoffeln, Zwiebeln und Sukuma Wiki Gemüse einzukaufen, und dann gibt es noch jene, die nur in einer Bar oder einem Restaurant ein Bier trinken und ihren leeren Magen füllen wollen, ehe sie in ihre Wohnbezirke zurückkehren — nach Kariokor, Eastleigh, Pumwani, Shauri Moyo, Bahati, Makaandara, Ofafa Jericho, Kariobang'i und Dandora. Aber die meisten sind Reisende, die auf Matatus nach Naivasha, Gilgil, Olkalou, Nyahururu, Nakuru, Ruuwa-ini und Ilmorog warten. Die Menschen und Fahrzeuge erfüllen die Luft in Nyamakima mit dem überschäumenden Lärm von sieben Marktplätzen.
An jenem Samstag schien es nicht viele Wagen zu geben, die nach Ruuwa-ini oder Ilmorog fuhren. Jedesmal, wenn sie das Rattern eines Matatu hörte, schaute Wariinga erwartungsvoll auf. Hörte sie dann, daß nur Reisende nach Nakuru oder Nyahururu aufgerufen wurden, sank ihr der Mut. Als es auf sechs Uhr zuging, begann sie sich zu bemitleiden und betete leise: »Jungfrau Maria, Mutter Gottes, habe Erbarmen mit mir. Ich möchte keine einzige Nacht mehr in Nairobi verbringen. Hilf mir, ein Fahrzeug zu finden, und wenn es ein Eselskarren wäre, irgend etwas, das mich aus Nairobi weg und heim nach Ilmorog bringt. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.«
Kaum hatte sie ihr Gebet beendet, da kam auch schon ein Matatu für Ilmorog angefahren. Als Wariinga jedoch genauer hinschaute, war sie entsetzt. Ob der Fahrer dieses Ding wohl geradewegs von einem Autofriedhof in Grogan Valley geholt hatte? Wahrhaftig, dieser Karren war wirklich alt! Durch zahlreiche Anzeigen und Sprüche, die das Auge und die Aufmerksamkeit der Reisenden anziehen sollten, hatte sich der Besitzer jedoch ungemein bemüht, das Alter des Fahrzeugs zu vertuschen: WÜNSCHEN SIE WAHREN KLATSCH UND WAHRE GERÜCHTE ZU HÖREN, DANN FAHREN SIE MIT MWAURA'S MATATU MATATA MATAMU - IHRE WEGE SIND MEINE WEGE - ZU VIEL EILE BRICHT DIE YAMSWURZEL - WER LANGSAM GEHT, KOMMT AUCH ANS ZIEL - LANGSAM ABER SICHER - HOME SWEET HOME.
Noch ehe sie alle Anzeigen gelesen hatte, sah Wariinga den Fahrer aussteigen, und um den Blick der Reisenden von dem altersschwachen Zustand seines Matatu abzulenken, begann er, mit beredten Worten und Liedern sein Fahrzeug anzupreisen und die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen.
»Steigen Sie ein, steigen Sie ein in das Matatu Matata Matamu Ford T — ehe Sie sich's versehen, werden Sie in Limuru, Satellite, Naivasha, Ruuwa-ini und Ilmorog sein. Ich habe einmal gehört, wie junge Männer sangen:
Wohnte Gott in unserer Nähe
Würde ich euch Dirnen vor seinen Richtstuhl führen —
Was euch der Herr umsonst gegeben hat
Verkauft ihr nun für zwanzig Shilling.
Junge Männer, ich will euch ein Geheimnis verraten: Mwauras Matatu Matata Matamu Ford T hat uns dem Wohnort Gottes näher gebracht. Selbst der weite Weg zum Reich des Teufels ist eine Kleinigkeit für Mwauras Matatu Matata Matamu Ford T. Steigt ein, steigt ein, Ilmorog liegt direkt vor eurer Nase!«
Wieder befiel Wariinga ein unheimliches Gefühl, als sie das Wort Teufel hörte. Sie dachte an die Einladung zu einem Fest des Teufels und zu dem Wettbewerb der Diebe und Räuber, und abermals fragte sie sich: Was ist das für ein Fest, was soll dieser Wettbewerb? Kann es denn überhaupt sein, daß jemand, der so gut zu mir war, einer Diebesbande angehört? Warum hat er dann meine Handtasche nicht gestohlen? Aber als sie sich wieder dem Gerede zuwandte, das Mwaura hervorsprudelte, vergaß sie für eine Weile die Last, die sie mit sich herumschleppte.
Währenddessen waren viele Leute aus den Bars und den umliegenden Geschäften auf die Straße herausgetreten, um sich den Besitzer des Matatu mit eigenen Augen anzusehen. »Mach nur so weiter, ja, erzähl uns alles!« riefen sie ihm aufmunternd zu.
Man hätte meinen können, Mwauras Matatu Matata Matamu mit dem amtlichen Kennzeichen MMM 333 Ford T sei das allererste Fahrzeug, das jemals auf dieser Erde hergestellt worden war. Der Motor ächzte und kreischte, als würden Hunderte von schartigen Äxten gleichzeitig geschliffen. Die Karosserie schwankte wie Schilfrohr im Wind. Beim Fahren glich das Fahrzeug einer bergauf watschelnden Ente.
Ehe das Matatu morgens losfuhr, kamen Zuschauer in den Genuß eines einzigartigen Schauspiels. Es begann damit, daß der Motor ein Knurren von sich gab, danach hustete er, als sei ihm ein Stück Metall in der Kehle steckengeblieben; ein asthmatisches Keuchen und Pfeifen beschloß diesen ersten Teil des Schauspiels. Nun kam der Augenblick, wo Mwaura mit dramatischer Geste die Haube öffnete, im Inneren herumstocherte, diesen und jenen Draht befühlte, um dann die Haube ebenso dramatisch wieder zu schließen, ehe er ans Steuer zurückkehrte. Dann trat er sanft mit dem rechten Fuß auf den Gashebel, und der Motor begann zu stöhnen, als ob man ihm den Bauch massierte.
Aber in Mwaura besaß das Matatu eine echten Spezialisten für Öffentlichkeitsarbeit. Wenn die Leute ihn fragten — und das geschah oft — »Mwaura, stammt dieses Fahrzeug aus Noahs Zeiten?« dann lachte er, schüttelte den Kopf, lehnte sich an den Wagen und versuchte, seinen Zuhörern mit den hervorragenden Eigenschaften des Wagens den Kopf zu verdrehen.
»Ich sage euch ganz ehrlich, daß es keinen modernen Wagen gibt, der es von der Konstruktion her mit dem Ford T aufnehmen könnte. Man darf nicht einfach nach dem Äußeren gehen. Echte Schönheit vergeht nie. Das Blech, aus dem die modernen Wagen gemacht sind — Modelle wie Peugeots, Toyotas, Canters, selbst Wagen wie ein Volvo oder ein Mercedes —, fällt auseinander wie Papier, das im Regen lag. Aber Ford T, oh nein! Von seinem Blech heißt es, es bohre Löcher in andere. Deshalb bleibe ich bei diesem alten Modell. Einen vom Alter gehärteten Stein spült der Regen nicht weg. Ein geliehenes Halsband mag den Verlust des eigenen bedeuten. Die neuen Modelle aus Japan, Deutschland, Frankreich und Amerika kommen hier an, sie fahren zwei Monate, und dann fallen sie auseinander; aber der Ford T behauptet sich auf der Straße.«
Dennoch war es Mwauras Ziel, so schnell wie möglich an mehr Geld zu kommen, um sich ein größeres Fahrzeug mit mehr Sitzplätzen für mehr Fahrgäste kaufen zu können, damit das Geld noch schneller in seine Taschen fließen würde.
Mwaura gehörte zu jenen, die in der dem Gott des Mammon geweihten Kirche beteten. Eine seiner ständigen Reden war, daß es kein Weltall gäbe, das er nicht betreten, keinen Fluß, den er nicht überqueren, keinen Berg, den er nicht erklimmen, und kein Verbrechen, das er nicht in treuem Gehorsam gegenüber dem aus Gold gegossenen Gott des Mammon begehen würde.
Aber scheinbar wurden seine Gebete niemals erhört oder freundlich aufgenommen, denn in all den Jahren hatte Mwaura immer nur dies eine Matatu besessen, das ihm ein Europäer, den sie Nyaangwicu genannt hatten, einst hinterließ. Von Zeit zu Zeit vergrub sich Mwaura in seinem Kummer und sagte sich: Nun bin ich unablässig unterwegs und sehe die Früchte über meinem Kopf hängen; strecke ich jedoch den Arm aus und will sie pflücken, dann weichen sie zurück, so daß ich sie nicht mehr erreichen kann, selbst wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle!
Zu den Leuten pflegte Mwaura zu sagen: »Das Geld, das die Europäer hierher gebracht haben, übt einen ungeheuer schlechten Einfluß aus; ihr wißt ja, daß der Sohn Marias des Geldes wegen ans Kreuz geschlagen wurde, obwohl er der Erstgeborene des Gottes der Juden war — da gibt es nichts weiteres dazu zu sagen. Ich selbst würde sogar meine eigene Mutter verkaufen, wenn ich einen guten Preis für sie erzielen könnte!« Viele meinten, dies sei eitle Angeberei eines leichtherzigen Geschäftsmannes. Nur ein Mann wußte, daß Mwaura niemals scherzte, wenn es um Geld ging, aber der war nie mehr zurückgekehrt, um es den anderen zu erzählen. Er und Mwaura hatten sich um fünf Shilling gestritten. Der Mann hatte sich geweigert zu bezahlen und Mwaura sogar verhöhnt. »Du wirst immer wie ein Mistkäfer im regennassen Mist krabbeln, und du wirst niemals reich werden!« Mwaura erwiderte: »Du hast dich geweigert, die fünf Shilling zu bezahlen, obwohl du ganz genau weißt, daß wir uns auf einen Fahrpreis von 75 Shilling geeinigt hatten. Und das nur, weil ich noch zwei weitere Passagiere mitgenommen habe? Hast du für einen Sitzplatz bezahlt, oder für den ganzen Wagen? Ich warne dich davor, dich mit meinem Geld davonzumachen. Der Mwaura, den du vor dir siehst, ist nicht wie ein Buschmesser, das nur eine scharfe Schneide hat!«
Eines Morgens wurde der Mann in seinem Haus erhängt aufgefunden. Neben ihm lag ein Stück Papier mit den flüchtig geschriebenen Worten: SPIELE NIEMALS MIT DEM EIGENTUM ANDERER - DEVIL'S ANGELS, PRIVATUNTERNEHMEN.
Aber am bekanntesten war Mwaura als Fahrer des Matatu Matata Matamu Ford T Nr. 333.
Jeder Baum ist einem müden Vogel recht, heißt es in einem Sprichwort. Als Wariinga sah, daß es keine andere Fahrgelegenheit nach Ilmorog gab, stieg sie ein. Und als Mwaura sah, daß Wariinga einstieg, schmückte...
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