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Im Strafgesetzbuch gibt es seit 1960 einen Paragraphen 130, der eine sog. "Volksverhetzung" unter Strafe stellt:
»(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Haß aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.«
Später (1994) kamen weitere Absätze hinzu, so bezieht Absatz 2 auch "Wort, Schrift und Bild" hinzu, Absatz 3 stellt das Verharmlosen von "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und "Völkermord" unter Strafe, und Absatz 4 (von 2005) bezieht sich auf das "Billigen, Rechtfertigen" oder "Verharmlosen" der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft.
Schon der Name dieses Paragraphen ist höchst fraglich und offenbart ein völlig irrsinniges Demokratieverständnis der Politiker, die dieses Gesetz 1969 mit der Überschrift "Volksverhetzung" versahen. Da steckt zum einen der Begriff "Volk" drin, mit dem ich mich noch im nächsten Kapitel befassen werde. Vor allem aber die Vorstellung einer "Verhetzung". Diese Vorstellung geht also doch offenbar von einem "dummen Volk" aus, welches Demagogen usw. leicht "verhetzen", also "aufhetzen" können. Man denkt hier an den "Wilden Westen" der USA zu Ende des 18. Jh., wo aufgebrachte (verhetzte) Menschen einen vermeintlichen Mörder auch ohne Gerichtsverhandlung per Lynchjustiz aufhängen wollten, oder an von der Inquisition aufgehetzte Bürger, die eine als "Hexe" bezeichnete Frau auf den Scheiterhaufen trieben.
Die Politiker, die es für nötig halten, einen Paragraphen mit dem Namen "Volksverhetzung" zu haben, sollten dringend einmal über die Demokratie nachdenken. Die Demokratie ist eine Regierungsform, wo das Volk der Souverän ist, wo das Volk aus seinen Reihen Vertreter in geheimer und freier Wahl bestimmt, die es regieren. Mit einem "dummen Volk", was sich leicht von irgendwem aufhetzen läßt, ist also eine Demokratie gar nicht möglich; die Demokratie setzt ein intelligentes Volk voraus, welches zwischen verschiedenen politischen Vorstellungen unterscheiden kann und sich so gut mit der Politik auskennt, daß es in der Lage ist, sich entspre chende Vertreter zu wählen. So ein Volk ist nicht "verhetzbar" oder "aufhetzbar". Wenn wir also von einem gebildeten, wissenden Volk ausgehen, dann kann es gar keine Verhetzung geben, und so ein Paragraph ist schlichtweg Unsinn. Gehen wir aber von einem "dummen Volk" aus, dem man sagen muß, was richtig und was falsch ist, dann sind wir keine Demokraten. Dann wäre es gleich ehrlicher, die Demokratie ganz abzuschaffen, denn ein "dummes Volk" ist wohl kaum in der Lage, sich selbst zu regieren. Leider gehen noch heutzutage viele Menschen tatsächlich von einem "dummen Volk" aus und zeigen damit unbeabsichtigt, daß sie nicht wirklich Demokraten sind. Das ist sehr bedenklich.
Sicher, in jedem Volk gibt es intelligentere Individuen und weniger intelligente, gibt es also Gebildete und Bildungsferne. Aber die Bildung ist nicht immer entscheidend; auch weniger Gebildete sind durchaus in der Lage, zu erkennen, was in ihren Augen gut ist und was nicht, teils sogar intuitiv. Manchmal hat der einfache Mann auf der Straße viel mehr Durchblick als der hochbezahlte Fachmann. Außerdem ist die Dummheit (wenn man von dem Vorhandensein derselben im Volke unbedingt ausgehen will) gleichmäßig verteilt: Dumme wählen entweder gar nicht, oder links, oder rechts oder die Mitte - eine Wahlverfälschung durch ungebildete Menschen ist also nicht möglich, da sich die Stimmen ja in etwa aufheben. Man kann nicht sagen, daß "Dumme" immer nur eine ganz bestimmte Partei wählen, vielmehr wählen sie alle Parteien gleichmäßig und fallen somit nicht weiter ins Gewicht. Die Dummheit ist also gleichmäßig auf alle politischen Lager und Richtungen verteilt. Nur die Anhänger einer Partei am politischen Rande bezeichnen die Wähler, die eine Partei des jeweiligen anderen Randes gewählt haben, als "dumm". Aber niemand hat die Wahrheit oder die Weisheit gepachtet, und die Wähler einer Partei, die einem selbst nicht in den Kram paßt als "dumm" zu bezeichnen, offenbart ein bedenkliches Demokratieverständnis. Auch Dumme gehören zum Volk und dürfen wählen, was sie wollen. Wenn nur Intelligente wählen dürften, wäre das System keine Demokratie.
Natürlich darf nicht gegen Angehörige von bestimmten Gruppen, wie sie im Volksverhetzungs-Paragraphen definiert sind, gehetzt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie aufgerufen werden. Aber hier reichen die vorhandenen Gesetze völlig aus: Wer zu einer Straftat aufruft, der wäre auch ohne den § 130 straffällig, nämlich nach § 111, wer beleidigt, der macht sich nach § 185 strafbar. Deswegen sollte der demokratiefeindliche und überflüssige Volksverhetzungs-Paragraph schleunigst abgeschafft werden, zumal er heute immer häufiger genutzt wird, um den politischen Gegner zu diskreditieren oder um Menschen daran zu hindern, ihre Meinung offen zu äußern. So liest man inzwischen häufiger groß in den Medien, daß irgendeine Partei oder ein Politiker dieser Partei Anzeige gegen einen Politiker einer anderen Partei stellte, wegen "Volksverhetzung". Das klingt erst einmal schlimm, und viele Menschen wähnen, der Politiker oder die Partei, gegen die Anzeige erstattet wurde, seien schlimme Demagogen. Wenn dann Wochen später das Verfahren eingestellt wurde, findet man die Meldung darüber sehr klein irgendwo in der Text-Bleiwüste der Zeitung. Der Paragraph wird also in der politischen Auseinandersetzung tatsächlich mißbraucht, und auch das ist nicht demokratisch. Eine Anzeige gegen eine unliebsame Meinung ersetzt nicht ein einziges Argument.
Dazu kommt, daß sich dieser Paragraph derzeit hauptsächlich gegen Politiker oder Bürger richtet, die sich z. B. gegen weitere Migration aussprechen. Aber wie sollen Bürger ihre Ängste und Befürchtungen äußern, wenn sie damit Gefahr laufen, sich strafbar zu machen? So ein Paragraph trägt also dazu bei, daß Menschen sich nicht mehr trauen, ihre Meinung frei zu äußern, was tödlich für eine Demokratie ist und was wir bereits aus dem 3. Reich und der Zeit der "DDR" kennen.
Genaugenommen verbietet dieser Paragraph sogar die bekannten "Blondinen-" oder "Ostfriesenwitze". Auch diese fallen unter den Absatz 2 des Paragraphen:
»Wer . die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet ...«
Blondinen oder Ostfriesen sind Teile der Bevölkerung, und sie in Witzen als "dumm" darzustellen macht sie sicher verächtlich. Aber haben Sie, lieber Leser, je gehört, daß jemand wegen des Erzählens von Blondinenwitzen oder Ostfriesenwitzen usw. wegen Volksverhetzung angezeigt oder gar verurteilt wurde? Blondinen sind ja (so sie naturblond sind) wie Ostfriesen eher im Norden zu finden und eher Germanen. Man stelle sich vor, es gäbe entsprechende Witze über Neger (ich benutze dieses Wort wertneutral aus Tradition und verbinde damit keinerlei Diskriminierung oder Beleidigung) aus Afrika, dann wäre längst ein Exempel statuiert. Übrigens schützt der Paragraph unser eigenes Volk nicht, denn als ein Vorstandsmitglied des "Türkischen Elternbundes Hamburg" die Deutschen pauschal als "Köterrasse" beleidigte, stellte die Hamburger Staatsanwaltschaft 2017 das Verfahren ein mit der Begründung,
»Beim Straftatbestand der Volksverhetzung müsse es sich "um eine Gruppe handeln, die als äußerlich erkennbare Einheit sich aus der Masse der inländischen Bevölkerung abhebt", und das sei bei "allen Deutschen" nicht der Fall.«
Als wenn die "Deutschen" nicht eine klar definierte Gruppe innerhalb der Bevölkerung der Bundesrepublik bilden würden. Was ist das für ein Gesetz, welches Beleidigungen von Deutschen erlaubt? Und wie kommt so eine willkürliche Behandlung beim Bürger an? Gesetze müssen klar sein, was hier nicht der Fall ist: Wie maximal groß...
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