Schweitzer Fachinformationen
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Ein Tabu-Thema endlich auf den Tisch gebracht - in den autobiografischen Episoden von Bestsellerautorin und Medienpersönlichkeit Myriam von M geht es um ihren Kampf mit psychischen Erkrankungen wie Borderline, Depression, Angststörungen und Zwänge.
Myriam von M steigt dafür in die Untiefen ihrer Psyche hinab und öffnet längst verschlossene Schubladen ihrer berührenden Vergangenheit. Sie greift Episoden ihres Lebens auf und schildert mit entwaffnender Offenheit ihren Umgang mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen. Ihre Geschichte räumt mit Vorurteilen auf und bietet nicht nur eine wertvolle Stütze für Betroffene. "Psycho-Queen" eröffnet deren Angehörigen eine faszinierende Perspektive, die nachhaltig für Verständnis wirbt und einfühlsam sensibilisiert.
"Trotz meiner zahlreichen Störungen habe ich Dinge erreicht, von denen ich kaum zu träumen wagte - das kannst DU auch!", gibt sich Myriam von M gewohnt kämpferisch. Als Betroffene mit fundiertem Fachwissen versucht sie ihr eigenes Verhalten auch psychologisch zu erklären und begibt sich auf eine schonungslos ehrliche Reise zu sich selbst.
Myriam von M erkrankte mit 25 Jahren an Vulva- und anschließend Gebärmutterhalskrebs. Inzwischen kämpft die Deutsch-Amerikanerin seit knapp 20 Jahren gegen ihre Krankheiten und betreut im Rahmen ihrer Arbeit mit "Fuck Cancer" Leidensgenoss*innen auf der ganzen Welt vollumfänglich. So begleitete sie seit Beginn ihrer Arbeit mit "Fuck Cancer" über 250 Menschen beim Sterbeprozess und erfüllte Tausende von Herzenswünschen. Für ihr Engagement wurde sie mit dem renommierten myAid Award ausgezeichnet. Außerdem gibt die studierte Heilpädagogin für Psychotherapie in ihrem Podcast "Zwangsgestört" psychisch Erkrankten ein Forum.
2.1 Die Gegenwart
Die Botschaft von Michaels Tod hängt wie eine dunkle Wolke über den letzten Urlaubstagen mit Benny. Auch die Jetlag-belastete Rückkehr nach Deutschland würde direkt im Zeichen unseres großen Umzuges von Flörsheim nach Limburg stehen. Kein Grund zur Vorfreude! Vier Tage vor unserem Rückflugtermin ereilt mich allerdings die nächste Hiobsbotschaft. Mein sechs Jahre älterer Bruder Boris ruft mich völlig aufgelöst an und erzählt mir, dass er nahezu erblindet sei. 2020 ist noch keine zwei Wochen alt und kann von mir aus gerne direkt wieder Leine ziehen! Boris befindet sich aktuell in einem Krankenhaus in der Nähe von Austin, Texas. Eine genaue Diagnose steht noch aus, im Moment kann er aber nur verschwommene Schleier und Lichtpunkte wahrnehmen. Mein Bruder ist ein großer und starker Kerl, am Telefon aber klingt er ziemlich verzweifelt und hilflos und bittet mich, ihm beizustehen. Das würde jedoch bedeuten, dass Benny mit meiner Mutter nach Hause fliegen muss, die zurzeit noch in Vancouver bei meinem anderen Bruder Andy verweilt, bei dem wir auch die Weihnachtsfeiertage verbracht haben. Außerdem müsste Benny den Umzug ohne mich stemmen. Das größte Problem wäre allerdings: Ich kann die Reise von Seattle nach Austin unmöglich alleine schaffen .
Boris und ich sind uns relativ nah, vermutlich so nah, wie man sich sein kann, wenn ein ganzer Ozean zwischen einem liegt. Er ist ein Paradebeispiel für »harte Schale - weicher Kern«. Ein bisschen erinnert er mich an Bradley Cooper im Film »A Star is Born«. Lange Haare, Bart, breite Statur und Biker-Style prägen den ersten optischen Eindruck. Verbringt man etwas mehr Zeit mit Boris, lernt man einen empfindsamen und verletzlichen Menschen kennen, der genau wie ich mit vielen Problemen durchs Leben geht. Erst im Erwachsenenalter haben wir durch die Möglichkeit zu reisen und die modernen Kommunikationsmittel wieder einen engeren Kontakt aufbauen können. Aufgewachsen sind wir getrennt voneinander bei unseren jeweiligen Müttern - Boris in Texas, ich in Kalifornien. Durch den frühen Suizid unseres Vaters gab es kein Bindeglied, das uns schon als Kinder hätte vereinen können. Heute haben wir regelmäßig Kontakt, und ich liebe meinen Bruder sehr.
Nun schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits möchte ich Benny mit dem Umzug nicht alleine lassen und mit ihm zurück nach Deutschland fliegen. Andererseits möchte ich für meinen Bruder da sein, auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie ich das anstellen soll. Durch Michaels Tod hat sich in den letzten Tagen zudem das Gefühl, versagt zu haben, manifestiert. Das soll mir nicht noch einmal passieren. Ich will meinem Bruder beistehen. Da Benny neben dem Umzug auch noch berufliche Verpflichtungen in Deutschland hat, ist es für ihn unmöglich, länger in Amerika zu bleiben und mit mir nach Texas zu reisen. Ich versuche trotzdem, ihn irgendwie für meine Sache zu gewinnen, muss aber leider aufgeben.
Fast mein ganzes Leben lang leide ich unter Panikattacken, weshalb ich nicht lange alleine sein kann, schon gar nicht in solch einer Situation. Idealerweise habe ich eine Person in meiner Nähe, der ich vertraue und die es versteht, mir zu helfen, meine Panik einzudämmen. Zudem sind Panikattacken deutlich unwahrscheinlicher, wenn ich jemanden bei mir habe. Ein Telefonat später habe ich glücklicherweise die Lösung für mein Problem: meine neue Assistentin Franzi. Wobei »neue Assistentin« nicht ganz akkurat ist, ihre Anstellung sollte nämlich erst nach meiner Rückkehr nach Deutschland erfolgen und mich anschließend bei meiner Arbeit für FUCK CANCER entlasten. Persönlich getroffen haben wir uns erst zweimal, aber immerhin stellt diese Situation die perfekte Bewährungsprobe für sie dar. Es ist sicher nicht leicht, meine Assistentin zu sein!
Am Tag von Bennys Abreise ist mein Herz schwer wie immer, wenn wir uns länger nicht sehen werden. Gerade jetzt bräuchte ich ihn an meiner Seite, aber jemand muss schließlich zu Hause die Stellung halten. Franzi würde erst einen Tag später anreisen, und ja, selbst für diese kurze Zeit brauche ich in dieser Situation Beistand. Es ist nicht schön, so abhängig von anderen Menschen zu sein, und ich komme mir vor wie eine Bürde. Aber selbst für diesen Übergang kann mein darauf konditionierter Verstand eine Lösung bereitstellen, und eine überaus angenehme noch dazu. Mein Patenkind Jasmine steigt in den nächsten Flieger und besucht mich für zwei Tage. Jasmine ist 17, lebt in meiner alten Heimat Kalifornien bei ihrer Oma und ist die Tochter meiner verstorbenen besten Freundin Ramona. Ich genieße ihre Gegenwart, insbesondere, weil sie mich so sehr an Ramona erinnert. Um unser Wiedersehen zu feiern, essen wir in Ramonas Lieblingsrestaurantkette »Olive Garden« zu Abend, schauen anschließend einen Horrorfilm und quatschen die halbe Nacht.
Am nächsten Tag hole ich Franzi vom Flughafen in Seattle ab. Sie ist eine zierliche Person von 36 Jahren mit alternativem Stil. Ihre ruhige und organisierte Art soll das dringend benötigte Yin zu meinem chaotischen Yang darstellen. Für Franzi bedeutet die Situation direkt nach ihrer Ankunft trotzdem eine echte Feuertaufe. Ich bin emotional total überfordert und weine viel. Michaels Tod hängt mir nach, ich vermisse Benny und mache mir große Sorgen um Boris, dessen Zustand sich nicht bessert. Da ich an starker Flugangst leide und ein Flugzeug nur besteige, wenn es erstens keine andere Möglichkeit gibt und ich zweitens jemanden an meiner Seite habe, dem ich vertraue, bleibt Franzi und mir nur die Möglichkeit eines Roadtrips. Da ich außerdem nicht durch die mir gänzlich unbekannten Fly-over-Staaten Idaho, Utah und Colorado fahren möchte, führt uns unsere Reise stattdessen über Oregon, Kalifornien, Arizona und New Mexiko. Das bedeutet eine Nettofahrzeit von 37 Stunden bei einer Distanz von etwa 2500 Meilen, was über 4000 Kilometern entspricht. Oje, worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Aktuell bin ich nah am Wasser gebaut und muss häufig weinen. Meistens bemerke ich dabei, dass Franzi ratlos oder gar verzweifelt wirkt. Sie möchte mich sicher gerne trösten, weiß aber, dass sie mich aufgrund meiner Zwänge nicht anfassen darf. Na prima, was bin ich für eine tolle Chefin. In so einem Zustand ist auch die erste Panikattacke nicht weit.
Unseren ersten Zwischenstopp inklusive Übernachtung legen wir in Grants Pass, Oregon, kurz vor der kalifornischen Grenze ein. Mitten in der Nacht wache ich schweißgebadet auf, mein Herz schlägt mir bis zum Hals, und mir ist schwindelig - für mich inzwischen business as usual. Ich weiß intuitiv, dass es sich um eine Panikattacke mittlerer Schwere handelt. Unterschätzen sollte ich sie also zumindest nicht. Wir befinden uns in einer Airbnb-Wohnung. Franzi schläft im Zimmer nebenan, aber ich zögere, bei ihr zu klopfen. Ich will sie nicht direkt mit der vollen Breitseite meiner Psychoattacken konfrontieren. Dafür habe ich sie zwar eingeflogen, aber für den Moment reicht es mir zu wissen, dass jemand in der Nähe ist. Noch will ich mir diese Blöße nicht geben. Ich nehme ein Plättchen meiner Bedarfsmedizin Tavor zu mir und anschließend einen Schluck eiskalte Cola, um einen anderen Reiz zu setzen, wie ich es viele Male zuvor getan habe. Ich öffne das Fenster, wandere unruhig im Zimmer auf und ab und versuche an die beruhigende Stimme meines Mannes zu denken, mit der er mich schon so häufig abgelenkt hat. Nach etwa 20 Minuten ist der Spuk vorbei. An Schlaf ist erst einmal nicht zu denken, also schalte ich den Fernseher ein und schaue noch weiter eine meiner Netflixserien, bis ich wieder einschlafen kann. Erst am nächsten Morgen erzähle ich Franzi bei einer ersten Tasse Kaffee von meiner Panikattacke. Ihre Reaktion ist besonnen. Ohne Vorwürfe weist sie mich darauf hin, sie das nächste Mal wecken zu dürfen, falls mir danach sei. Ich glaube, mit ihr habe ich einen guten Fang gemacht. Nach dem Frühstück geht die Reise weiter.
Eine zweite Pause legen wir in Los Angeles ein. Wie ich schon bei meinem letzten Besuch mit meinem Mann feststellen musste, hat die etwas schmuddelige Stadt sicher etwas vom Glanz vergangener Tage eingebüßt. Dennoch: Los Angeles wird nicht umsonst die Stadt der Engel genannt. Ich muss an den gleichnamigen Film mit Nicolas Cage denken, insbesondere an die Szene, in der sich die Engel bei Sonnenauf- und -untergang am Strand einfinden, um der Musik zu lauschen, die Gott nur für sie spielt. Da im fernen Deutschland zwischenzeitlich Michaels Beisetzung stattfindet, an der ich nicht teilnehmen kann, beschließe ich, an diesem symbolträchtigen Ort nun selbst Abschied zu nehmen. Ich suche mir eine einsame Stelle am Strand von Malibu bei Sonnenuntergang. Das Zwielicht taucht die Szenerie in ein unwirkliches Ambiente und scheint die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits einen Spalt breit und einen Wimpernschlag lang zu öffnen. Der Strauß weißer Rosen in meiner Hand wiegt schwer, und ich beiße mir auf die Unterlippe. Tränen stehen mir in den Augen, und ein letztes Mal spreche ich Michael direkt an. Ich sage ihm, wie leid es mir tut, dass ich ihm nicht helfen konnte, und danke ihm, dass er mir damals vor rund 25 Jahren das erste Mal gezeigt hat, was echte Liebe ist. Ich bete dafür, dass er nun an einem Ort ist, an dem die Aussichtslosigkeit und Schwere wieder der Leichtigkeit weichen kann, die ihn einst umgab und ausmachte. Mit diesen Worten und Gedanken übergebe ich die Rosen dem Pazifik, der sie sanft davonträgt. Noch eine ganze Weile schaue ich ihnen hinterher, während ich still Abschied nehme. Durch...
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