Schweitzer Fachinformationen
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"Wohlauf, Kameraden, auf's Pferd, auf's Pferd!", Polizeiobermeister Martin Matthes beendet das Telefongespräch und nimmt seine Dienstmütze vom Haken.
"Och, nö", nölt PMAnw Beeke Dettmer, eigentlich Polizeimeisteranwärter und dann auch noch ein -in. "Meine Schuhe sind noch nicht mal trocken von dem Verkehrsunfall auf der B217."
"Liebe Freunde! Es gab schönere Zeiten als die unsern - das ist nicht zu streiten! Und ein edler Volk hat einst gelebt", zitiert Matthes wieder Friedrich Schiller. Er zitiert bei jeder Gelegenheit Friedrich Schiller.
Davon werden Dettmers Schuhe auch nicht trocken. Sie zieht ihre Lederhalbschuhe an, verkrampft ein wenig, läuft die ersten Schritte sehr, sehr vorsichtig, muss sich beeilen - Matthes ist schon am Dienstwagen.
"Was ist denn überhaupt los?", fragt Dettmer, nachdem sie sich auf den Beifahrersitz gewuchtet hat.
Warum haben die jungen Beamtinnen alle so dicke Hintern?, überlegt Matthes, zu meiner Zeit ... gab es gar keine Frauen im Polizeidienst. Oder nur sehr wenige. Und die waren schlank und ... "In der Nähe vom Annaturm", sagt er.
Der Annaturm ist - ohne Antennen - ein 28 m hoher Aussichts- und Richtfunkturm auf dem etwa 405 m ü. NHN hohen Bröhn, der höchsten Erhebung des Höhenzugs Deister im Calenberger Bergland, südwestlich von Hannover. Matthes könnte einiges über Turm und Gaststätte berichten, doch wer sollte ihm zuhören?
Dettmer nimmt die Mütze vom Kopf, wirft sie auf den Rücksitz.
"Eine nasse Dienstmütze schlägt man nach außen aus", Matthes verdreht die Augen, "was hat man euch nur auf der Polizeischule beigebracht?"
"Wie man griesgrämige Kollegen erträgt", murmelt Dettmer, "wo fahren wir überhaupt hin?"
Pause. Frontscheibenwischer an, aus, an, Heckscheibenwischer an, aus. "Die Jägerallee hoch und dann müssen wir schauen."
"Wonach?"
"Hab ich nicht so genau verstanden, und das Telefongespräch war plötzlich weg."
"Ach nee."
"Wir müssen eben aufpassen, da steht irgendwo ein dunkelgrüner Mazda. Der Anrufer hat Pilze gesammelt."
"Bei dem Wetter?"
"Pilzsammler sind von außen und innen imprägniert, wie sollten sie sonst ihre Sammelleidenschaft überleben?"
"Ich esse nur Mu-Err-Pilze beim Chinesen", sagt Dettmer.
"Gesammelt von kurzsichtigen chinesischen Omas oder rachsüchtigen Jungrevolutionären!"
Der Regen prasselt gegen die Windschutzscheibe.
"Müssen wir da wirklich raus?" Dettmer schaudert es. "Ich glaub nicht an den Toten und wenn, dann hält er sich bei dem Wetter auch noch bis morgen."
"Was ist das nur für eine Dienstauf... - da steht der Mazda."
"Und der Pilzsammler sitzt im Auto, weil's ihm im Wald zu nass ist."
"Keine Ausreden, der Mann muss hinaus ins feindliche Leben, muss wirken und streben und pflanzen und schaffen, erlisten, erraffen ..., Schiller, Die Glocke."
"Dann muss der Mann eben, ich bin eine Frau."
"Kultur kann auch Frauen nicht schaden."
Der Mann im dunkelgrünen Mazda lässt aufs Anklopfen die Seitenscheibe herunter. "Sie haben angerufen?", fragt Matthes. Eine Qualmwolke strömt aus dem Auto, Matthes muss husten, er hat sich bereits vor Jahren das Rauchen abgewöhnt.
"Ja."
"Können Sie uns bitte den Fundort der Leiche zeigen?" Wasser läuft Dettmer in den Jackenkragen.
"Könnte ich, aber nicht bei dem Regen. Immer den Waldweg hinauf, nicht weit und dann auf der rechten Seite."
"Kommen Sie morgen um zehn ins Polizeikommissariat, da müssen wir ein Protokoll aufnehmen."
"Um zehn Uhr?", ereifert sich der Pilzsucher, "Morgens?"
"Da fällt mir ein, der Termin ist belegt, also um acht. Weiterhin Fungi heil!"
"So ist's recht", sagt Dettmer, als sie widerwillig losstapfen, "den Chinesen beleidigen und dem Italiener die Pizza aus dem Ofen reißen."
"Stets ist die Sprache kecker als die Tat."
"Schiller?"
"Die Piccolomini!"
"Kenn ich nicht, Ihre Pizzeria?"
"Die Piccolomini - von Friedrich Schiller."
"Lass die Leute reden und hör ihnen nicht zu, die meisten Leute haben ja nichts Besseres zu tun."
"Goethe?"
"Nee, Die Ärzte!"
"Wehe, du lässt dich krankschreiben!"
Es ist keine kurze, es ist eine bis auf die Haut klatschnassmachende Strecke. Dettmer niest bereits, Matthes lutscht irgendwelche pflanzlichen Pillen gegen Bakterien und Viren.
Sie hätten den Hochstand bestimmt nicht gefunden, wären nicht plötzlich drei oder vier Rabenkrähen streitend aufgeflogen.
Sie müssen über den Graben neben dem Schotterweg springen. Sicher, Matthes könnte Dettmer seine Hand reichen, aber einer Polizeimeisteranwärter-in? Ihr rechter Fuß schafft die Böschung, ihr linker nicht. Den Flüchen nach zu urteilen ist Dettmer bereits Polizeimeister mit Amtszulage.
Sie stapfen über einen schmalen Pfad zu dem windschiefen Hochstand hinüber. Ganz oben auf der Leiter sind zwei Beine in jägergrüner Hose zu sehen.
Matthes wackelt an einzelnen Leitersprossen. "Ich steig schon hinauf", sagt Dettmer, "sonst stehen wir heute Abend noch hier und spielen Xylophon."
Sie kommt bis zu den Beinen, Matthes ruft: "Nichts berühren", und Dettmer will sich in den Innendienst versetzen lassen.
"Was kannst du sehen?"
"Er riecht streng."
"Nach Pisse und ... Exkrementen."
"Hast ja doch was gelernt auf der Polizeischule."
"Ich muss gleich kotzen."
"Untersteh dich!"
"Sein Hintern hängt mir genau im Gesicht und der Rest liegt auf dem Hochstand, der linke Arm unter dem Körper, der rechte über dem Kopf, er hat ein Gewehr in der Hand, in seiner Gesäßtasche steckt ein Portemonnaie."
"Mitbringen!"
"Gewehr oder Portemonnaie?"
"Beides!"
"Geht nicht, das Gewehr ist verklemmt!"
"Portemonnaie reicht."
"Wie ekelig."
"Versuch mal, ihn am Hosenbund zurückzuziehen."
Dettmer fasst den Kerl nicht an, stöhnt aber unter vorgespielten Anstrengungen. "Er bewegt sich keinen Zentimeter. Mindestens zwei Zentner schwer."
"Dann komm runter."
"Ja, Chef, natürlich, Chef, sofort, Chef!"
Als Dettmer wieder auf dem Waldboden steht, schiebt Matthes sie zur Seite. Einsatzfreudig betritt er die erste Sprosse, die zweite, die dritte - er reckt sich nach den Füßen des Toten. "Das ist wirklich etwas viel verlangt ..." Er bricht seine Bemühungen ab und kehrt zurück zum festen Boden. "Den kriegen wir da nicht runter, ohne alle Spuren zu verwischen."
"Es könnte ein Herzinfarkt gewesen sein."
"Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen."
"Wer sonst?"
"Ernst Messerschmid."
"Kenn ich nicht."
"Raumfahrer!"
Matthes überlegt, schaut zum Toten hinauf, wischt sich die Regentropfen aus dem Gesicht. "Wir müssen uns nach Spuren umsehen." Er sucht den Trampelpfad und das angrenzende Unterholz ab. Dettmer konzentriert sich auf den Hochstand. Keine Fußabdrücke auf dem Grasboden, Blut wäre längst abgewaschen, abgerissene grüne Knöpfe lassen sich im Grün des Waldes kaum finden. Dafür die halbe Schale eines Vogeleis, ein vollgesogener Tampon, bestimmt nicht von dem Kerl da oben, und ein Einwegfeuerzeug. Gelb.
Dettmer würde lieber morgen weiter Spuren sichern, kann aber nicht einfach so tatenlos herumstehen. Sie bückt sich nach einem Stöckchen und kratzt dann unbeteiligt an der Leiter des Hochstands herum. Plötzlich stutzt sie, schaut sich den rechten Holm genauer an. "Chef."
Matthes wird aufmerksam. "Was gibt's?"
"Ich weiß nicht."
"Dann such weiter."
Augenblicke später: "Cheeef! Hier sind Spuren! Echte Spuren!"
Mit ausholenden Schritten übersteigt Matthes das Unterholz. Schon beugt er sich über Dettmer, sie tritt irritiert zur Seite.
"Das könnten Biss- und Kratzspuren von einem größeren Tier sein. Oder?"
Matthes schaut, denkt nach, kratzt sich hinter dem linken Ohr, schaut genauer und dreht sich zu Dettmer. "Hatte er einen Ausweis im Portemonnaie?"
"Woher soll ich das wissen?"
"Schau nach!"
"Ich? - Ach so." Dettmer zieht das feuchte...
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