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Teresas Werk ist das Wasser, das aus dem Fels geschlagen wurde. Die Erfahrung des Unsagbaren ist darin literarische Kunst geworden. Unterm Zwang des Gehorsams beschrieb sie den Weg letzter Freiheit. Die Ruhe, die sie erstrebte, wurde zur Mitte historischer Bewegung. Die Mängel ihrer Person - so glaubte sie - waren ein Hindernis für die Glaubwürdigkeit ihrer Worte. Heute ist es der Ruf ihrer Heiligkeit, der vielen die Bedeutung ihrer Gestalt verdeckt. Doch die Verbannte, die ihr wahres Vaterland auf keiner Erdkarte verzeichnet fand, hat man zur Patronin Spaniens erhoben. Und die Stadt ihrer Geburt erscheint auch dem Fremden als Symbol ihres Wesens.
In Avila wurde sie am 28. März 1515 geboren. In dieser kastilischen Stadt, die mit den Türmen ihrer alten granitenen Mauern sich gegen die stumme Übermacht der sie umdrohenden Öde stemmt, wuchs sie heran, in einer Familie von Hidalgos. Hier erlebte sie die Jahrzehnte, die sie als qualvolle Folge immer neuen Fallens, neuen Aufstehens geschildert hat. Hier härtete sich unter den Schlägen furchtbarer Krankheit, der Enttäuschung, vielfachen Leids ihre Entschlossenheit zum radikalen Verzicht, mit dem sie die Erde, das Leben »unter die Füße« bringen wollte. Aus der schwankenden Nonne wurde hier das »ruhlose, streunende Weib« - wie der päpstliche Nuntius sie nannte -, das im Eselskarren auf staubigen, steinigen Wegen kreuz und quer durch die Halbinsel reiste, um der Askese, zu der sie ihren Orden zurückführen wollte, da und dort ein Obdach zu schaffen. Im Convento de la Encarnacion, draußen vor den Mauern, wo ein sandiger Weg sich in die Steinwüste senkt, hatte sie den Schleier genommen. Dort und in dem dürftigen, von ihr gegründeten Klösterchen San José, das eingekeilt zwischen kargen Adelshäusern steht, widerfuhr ihr, was die Verwandlung bewirkte und sie zur größten Mystikerin des Christentums werden ließ. Wer in den Nächten der Karwoche die Trommeln hört, die das hölzerne Bild des Gekreuzigten durch die steilen, roh gepflasterten Gassen begleiten, zwischen schweigend starrenden Menschen, glaubt einen dumpfen Nachhall ihres Lebens zu vernehmen.
Die Reformatorin des Karmels wäre uns jedoch nur eine ferne historische Gestalt, wenn nicht tausende von Blättern, die sie nachts und in den knappen Pausen eiliger Arbeit beschrieb, erhalten geblieben wären - Seiten, die den Lesenden, noch nach Jahrhunderten, mit der Gewalt unmittelbarer Gegenwart in das innerste Drama eines Lebens ziehen, das durch die Macht seines Wollens wie durch die Wucht des anstürmenden Erlebens die Bezeichnung des Exemplarischen verdient. Die dichtgefügten, von schneller, sicherer Hand gezogenen Schriftzeichen auf dem vergilbten Papier offenbaren mit beispielloser Direktheit, die der Ratio nicht selten peinlich ist, die wechselvolle Erfahrung eines Menschen, der mit bedingungsloser Rigorosität sich alles dessen zu entledigen suchte, was ihn hindern konnte, die Einigung mit der letzten Realität zu erlangen, und dem daher alles Handeln als nichtig galt, das nicht Gebet war.
Fünf ihrer Brüder kämpf?ten auf dem Boden des weithin noch uneroberten Amerika, als Teresa de Ahumada in ihrer Zelle begierig, staunend, scharf beobachtend, schaudernd und mit der Hartnäckigkeit einer Verzweif?lung, die kein Zurück erlaubte, in die unbekannte Welt ihres eigenen Inneren einzudringen begann. Widerstrebend aus Scham und dem Gefühl ihres Unvermögens, schrieb sie, auf Befehl ihrer Beichtväter, endlich die Geschichte dieses Irrens und Findens, der Verlorenheit und des Überwältigtseins, des Schreckens und der Beseligung nieder - nicht in literarischer Absicht, sondern zur Selbstkontrolle, zur Prüfung durch Gelehrte und als schlichte, um Klarheit besorgte Mitteilung an die Klosterschwestern. Mehrere Bände kamen so im Lauf der Jahre zustande: neben kleineren Schriften das Buch meines Lebens, Der Weg zur Vollkommenheit, die Chronik ihrer Klostergründungen und schließlich - als Summe ihres mystischen Erlebens - die Innere Burg.
Drei Jahre bevor der französische Edelmann Michel de Montaigne seine Essais zum ersten Mal veröffentlichte, verfasste Teresa - gleichsam als Ersatz für ihre Lebensbeschreibung, deren Handschrift seit Langem von der Inquisition beschlagnahmt war und als verloren galt - dieses Kompendium ihrer seelischen Erfahrung, wiederum dem Drängen eines Beichtvaters gehorchend. In Toledo, wo El Greco ein Jahr zuvor sich niedergelassen hatte, begann sie am 2. Juni 1577 mit der Niederschrift. Am 5. November desselben Jahres schrieb sie in Avila das Schlusswort, knapp einen Monat bevor Juan de la Cruz, der den Geist ihrer Reform in die Männerklöster des Karmeliterordens getragen hatte, von Anhängern der »milden Observanz« gewaltsam nach Toledo entführt und in den Kerker geworfen wurde, wo die Ersten Verse dieses einzigartigen »poeta a lo divino« entstanden.
Was Teresa mit dem ihr unbekannten epikureischen Einsiedler Montaigne verbindet, der im Turm seines abgelegenen Schlosses sich selber zum Stoff eines Buches zwangloser Meditation machte, ist der forschende Blick ins eigene Innere, die entsagende und zugleich entdeckungsfreudige Einkehr in die eigene Brust. Der stoische Franzose erklärte: »Ich studiere mich mehr als irgendeinen Gegenstand. Das ist meine Metaphysik, das ist meine Physik . Lasst uns nur hinhören, wir sagen uns alles, wessen wir bedürfen.« Die antigotische, entschlossene Genügsamkeit, die in diesen Sätzen zu spüren ist, wird offenkundig, wenn er anderswo sagt: »Nicht bergauf und voran zu streben ist die Größe der Seele, sondern sich fügen und bescheiden zu können.« Der Genuss der eigenen Vergänglichkeit in weltkluger Selbstbescheidung, der als Ziel solchen Philosophierens sichtbar wird, ist jedoch unvereinbar mit dem stärksten Impuls, der das Leben der Nonne von Avila bestimmt. Der Blick, den sie auf sich selber richtet, durchdringt das eigene Wesen, nicht um sich an der Kontur der Person zu genügen, sondern um auf dem Grund ihrer Seele jenes Bild zu entdecken, als dessen trübe Spiegelung sie sich fühlt; um durchzustoßen vom Schein zur Essenz, vom Wahn zur Wahrheit; um im Blitz tiefsten Erkennens eins zu werden mit dem Unermesslichen; um Augenblick und Ewigkeit zu verschmelzen zum Nunc aeternum.
Dass dies nicht Verlangen blieb, sondern Erfahrung wurde, ließ sie zur Autorin werden - wider ihren Willen, da sie sich stumm fühlte vor dem von ihr Erlebten, das aber zugleich für sie das Gebot der Mitteilung bedeutete. Es ist interessant zu vergleichen, wie die mystische Erfahrung, die ja kein Privileg des Christentums ist, zu allen Zeiten, da und dort, der Unzulänglichkeit aller Worte zum Trotz, sich Ausdruck zu verschaffen wusste. Aus der Lücke des Ungesagten, dem aufklaffenden Sprung des Paradoxons, das zwei Sätze zerreißt, steigt in der Wechselrede des »Kôan«, wie sie im Zen-Buddhismus zwischen Meister und Schüler geübt wird, jählings das gemeinte Geheimnis auf. Der Chassidismus bedient sich der legendarischen Anekdote, ebenso die islamischen Suf?is. Durch gewaltsame Verrenkung, Umstülpung des konventionellen Vokabulars und mit genialen Neubildungen formte die Mystik des deutschen Mittelalters sich ein sprachliches Organ. Als Lyrik, die bedenkenlos die Elemente überkommener Liebesdichtung verzehrt, lodert das innerste Erleben bei Juan de la Cruz in Versen auf, in Strophen von unvergleichlicher Helligkeit, Reinheit und geistiger Glut. Der Dichter selber hat als gelehrter, philosophisch geschulter Theologe die Substanz seiner poetischen Melodik Zeile für Zeile genauestens kommentiert. Die theoretische Erklärung ist kein Ersatz für das im Vers Geborgene. Im Niemandsland zwischen beiden Arten des Sprechens, in der Blendung durch das zwiefache Licht ist das Gemeinte ahnend zu erfassen.
»Ich muss mich hier eines Gleichnisses bedienen« - schreibt Teresa in ihrer Vida -, »was ich freilich gern unterlassen würde, da ich ein Weib bin und einfach nur das zu schreiben habe, was man mir aufgetragen hat; aber für Leute, die wie ich keine Wissenschaft besitzen, ist es so schwer, diese Sprache des Geistes zu erklären, dass ich einen Ausweg suchen muss, der mir dies erleichtert.« Wie nahe ihr das Hilfsmittel lag, für das sie sich entschuldigt, und wie wenig Willkür bei seinem Erfassen beteiligt war, scheinen einige Sätze zu beweisen, die auf einer der letzten Seiten desselben Buches von einer Offenbarung berichten, deren Vorgang ihr selber zweifelhaft blieb: »Es schien mir zwar, als hätte ich nichts gesehen; ob dies aber auch wirklich so gewesen, kann ich nicht geradezu behaupten. Denn etwas muss ich doch wohl gesehen haben, weil ich sonst das, was mir gezeigt wurde, nicht mit einem Gleichnis, das ich gebrauchen will, erklären könnte; nur wird dieses Sehen auf eine so feine und zarte Weise geschehen sein, dass der Verstand es nicht erfasste.«
Nicht irgendeine Vision war der Anlass dieser Überlegung, sondern eine Einsicht von fundamentaler Bedeutung, die vielleicht zur wichtigsten Wegweisung ihres Lebens wurde. »Einmal, als ich mit den andern Schwestern die Horen betete, geschah es, dass meine Seele plötzlich in eine Sammlung versetzt wurde, in der sie mir wie ein klarer Spiegel erschien. An ihm war weder hinten noch an den Seiten, weder oben noch unten etwas, das nicht ganz klar gewesen wäre; in der Mitte aber zeigte sich mir Christus, unser Herr . Es wurde mir auch zu verstehen gegeben, dass dieser Spiegel, wenn die Seele sich in einer Todsünde befindet,...
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