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Level up
Er - das ist Jonas. Mein Partner, der so ziemlich alle Punkte auf der Checkliste des perfekten Partners erfüllt. Er ergänzt mich da, wo ich meine Schwachstellen sehe, ist jemand, auf den man sich zu 100 % verlassen kann, eine treue Seele, unterstützt mich in allem, was ich tun will und ist jemand, der mich niemals verletzen würde. Jonas ist wohl allgemein gesagt genau das, was die meisten Menschen sich von ihrem Partner wünschen. Er war zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben der Mann, mit dem ich mir mal eine Zukunft vorstellen konnte und mit dem ich auch einen Plan hatte, wie diese aussehen wird. Wirklich hinterfragt habe ich das lange nicht. Warum auch? Normale Menschen mit einem geregelten Leben tun das nun mal so.
Und zu einem geregelten Leben gehört eben auch eine funktionierende Partnerschaft - das weiß doch jeder! Schema F ist immer das Gleiche und vor allem haben wir alle immer dasselbe Ziel: zwei Leben zu einem verschmelzen zu lassen. Okay, nein, das klingt etwas zu dramatisch. Sagen wir es so: Das Ziel einer Beziehung ist, dass man sich eine gemeinsame Zukunft aufbaut. Auf dem Weg dahin gibt es eigentlich nur eine Regel: Immer kommt ein "nächster Schritt", wenn man "bereit" dafür ist. Level up, Baby. Der Weg dahin sieht wahrscheinlich so aus: Es fängt so an, dass man irgendwann mal betrunken auf einer Party knutscht, sich daraufhin etwas später einigt, in einer exklusiven Beziehung zu sein, macht dann den ersten gemeinsamen Urlaub, und wenn man sich dort gut verstanden hat, zieht man einfach in die erste gemeinsame Wohnung. Als Nächstes folgen vielleicht größere gemeinsame Anschaffungen wie ein Auto oder manchmal auch ein Haustier. Man kann üben, wie es ist, gemeinsam Verantwortung für etwas zu übernehmen. Und die Königsdisziplin (oder in meinem Fall der Endgegner) sind dann Klassiker wie Hochzeit, Hausbau und Nachwuchs. Im besten Fall in genau dieser Reihenfolge. Wobei das heutzutage auch nicht mehr so wichtig ist. Hauptsache diese Dinge passieren eben. Wichtig ist auch, dass der nächste Schritt immer in absehbarer Zeit geschieht. Es ist wie in einem Videospiel, in dem man sich gemeinsam den Hürden stellt und sich von Level zu Level kämpft.
Jonas und ich haben unser Videospiel wirklich gerockt in den letzten Jahren. Wie in einem Jump-and-Run-Spiel haben wir uns allen kleinen und großen Gegnern gestellt, sind nach jedem "Kampf" noch mehr zusammengewachsen und als starke Einheit von einem Level aufs nächste gesprungen. Nun stehen wir wohl vor einem dieser nächsten Levels: Nach sieben Jahren Beziehung könnte man ja auch zumindest mal über den nächsten Schritt, also Heirat, nachdenken. Aber irgendwie waren wir geschwächt.
Für viele Menschen in unserem Umfeld sind wir gerade sogar einen Schritt zurückgegangen, da ich vor wenigen Wochen aus unserer gemeinsamen Wohnung in der Kleinstadt ausgezogen bin. An besagtem Dienstagmorgen ist es genau sechs Wochen her, dass ich ausgezogen bin. "Ich muss einfach mal lernen allein klarzukommen, Jonas. Und ich muss auch mal in der Stadt gewohnt haben, damit ich weiß, ob mir das gefällt."
Jonas, die gute Seele, die er nun mal ist, hat mich von der ersten Minute an in diesem Vorhaben unterstützt. Zu diesem Zeitpunkt kriselte es zwar schon zwischen uns, aber auch ihm leuchtete ein, dass wir zumindest alles versuchen müssten, um unsere Beziehung zu retten. Für mich sieht das so aus: Ich ziehe aus, lerne wie es ist, mal alleine zu leben, genieße das Stadtleben und wir lernen uns wieder zu vermissen und genießen die Zeit, die wir dann haben, hoffentlich bewusster.
Für meine Familie sieht das so aus: SCHANDE, SCHANDE, SCHANDE (das muss man jetzt in der Stimme von Onella von Game of Thrones lesen, damit es noch besser wirkt.).
Viele Menschen sind wahnsinnig gut darin, wenn es darum geht, Grenzen zu überschreiten. Vor allem, wenn es um die Beziehungen anderer Menschen geht.
"Wann wollt ihr Kinder kriegen?"
"Plant ihr schon eine Hochzeit?"
"Jetzt wird es aber wirklich Zeit für den nächsten Schritt!"
"Wie jetzt, du ziehst aus der gemeinsamen Wohnung aus? Trennt ihr euch etwa?"
Es ist gesellschaftlich total akzeptiert und sogar normal, dass man jedem diese Fragen stellen darf. Auch im Freundeskreis gibt es das allseits beliebte "Wer ist wohl bei uns die Nächste, die einen Antrag bekommt?"-Spiel. Das sind völlig normale Unterhaltungen in einem Freundeskreis, in dem alle auf die 30 zugehen.
"Auf jeden Fall du und Jonas. Ihr seid doch jetzt schon am längsten zusammen!" Das kam jedes Mal.
Und jedes Mal habe ich abgewunken. "Nein, nein. Noch nicht. Wir lassen uns da Zeit."
"Aber worauf wartet ihr eigentlich noch? Ihr habt doch beide einen Job und seid schon so viele Jahre zusammen ..."
Sowas kann einen wirklich unter Druck setzen. Solche Fragen, so normal sie auch erscheinen mögen, können Wunden aufreißen. Man kann den Menschen eben nur vor den Kopf schauen. In meinem Fall haben mich solche Fragen jedes Mal stark verunsichert. Sollte ich nicht auch langsam das Bedürfnis haben, eine Familie mit Jonas zu gründen? Ja, stimmt: Worauf warte ich eigentlich?
Bei einem Klassentreffen vor ein paar Monaten werde ich mal wieder genau das gefragt. Schließlich sind wir zu dem Zeitpunkt schon viele Jahre zusammen, haben beide Jobs, bla bla bla ... Meine ehemaligen Klassenkameraden haben inzwischen fast alle geheiratet, die ersten Kinder bekommen oder sind zumindest schwanger. Und wenn all das nichts wurde, dann haben sie zumindest große Karrieren hingelegt. Natürlich ist so ein Klassentreffen auch immer wie eine Art Schwanzvergleich: Wir sind alle mit denselben Voraussetzungen, nämlich demselben Schulabschluss, ins "echte" Leben gestartet. Heute geht es weniger darum, einen schönen Abend zu verbringen, sondern einander zu übertrumpfen. Sich vielleicht sogar hinterher besser zu fühlen, wenn andere in ihren Beziehungen auf demselben Level festhängen, während man selbst das Spiel scheinbar perfekt beherrscht.
"Heiraten ist für uns eigentlich noch kein Thema. Wir verstehen uns gut und haben beide aktuell noch andere Ziele, die wir verfolgen", sage ich, wie immer, und nehme einen Schluck von meiner Weißweinschorle.
Bei den Gesprächen mit meinen Freundinnen bin ich deutlich gefasster, wenn es um dieses Thema geht. Aber außerhalb meiner Bubble gehe ich fast automatisch in eine Art Verteidigungsmodus.
"Die sollen mir bloß nicht erzählen, wie ich mein Leben zu leben habe!", denke ich trotzig. Als ich wieder aufblicke, sehe ich tatsächlich ein paar verwunderte Gesichter. Ich bin verunsichert. Nur Robert, der barfuß zum Klassentreffen erschienen ist und kurz zuvor von seiner Südamerikareise mit dem Rucksack erzählt hat, nickt mir verständnisvoll zu. Ich habe zumindest einen Verbündeten am Tisch, der seinen Beziehungsstatus nicht über alles stellt. Gegenüber sitzt das andere Extrem: Karina. Sie wittert ihre Chance, um ihr Beziehungs-Game "nach oben" zu vergleichen und nutzt die Gelegenheit prompt, um von ihr und Sven zu erzählen. Die beiden sind nun "erst" seit drei Jahren ein Paar und sie WARTET ganz gespannt auf den Antrag. "Es ist einfach der nächste logische Schritt für uns!", sagt sie überzeugt.
Ich stelle mir Karina und Sven vor, wie sie in ihrem Videospiel kleine Gegner, die aus dem Boden sprießen, gemeinsam bekämpfen, um auf das nächste Level namens "Hochzeit" zu gelangen. "Der nächste logische Schritt" klingt so furchtbar trocken. Ganz sicher möchte sie ihn heiraten, weil sie ihn sehr liebt, aber eben auch, weil es das nächste Level für ihre Beziehung zu sein scheint. Karina lässt sich nicht davon beirren, dass ich nicht wirklich auf ihre Aussage reagiere. Sie hat noch ein Ass im Ärmel, um heute nochmal richtig mit ihrem Leben anzugeben. Diese Frau ist vorbereitet und sie ist bereit, alle nötigen Register zu ziehen, damit am Ende des Abends auch wirklich jeder denkt: "Wow, Karina hat es wirklich geschafft!". Oder vielleicht ist sie auch tatsächlich nur daran interessiert, einen Schwank aus ihrem Leben zu erzählen, und mein unzufriedenes Ego packt es nicht, dass andere Menschen scheinbar glücklich damit sind, wo sie gerade in ihrem Leben stehen. - Nein, es wird wohl Ersteres sein. Karina kann so viel über Hochzeiten und logische Konsequenzen reden wie sie will, das prallt alles an mir ab!
Aber mit der nächsten Story kriegt sie mich wirklich. Sie geht nahtlos dazu über, von ihrer letzten Traumreise mit Sven zu erzählen: vier Wochen Wildcamping in Peru. "Es war das Krasseste, was ich je gemacht habe, und dieses Abenteuer hat uns so zusammengeschweißt!".
Meine Magengrube zieht sich zusammen.
"Das klingt toll, Karina", sage ich und setze dabei ein falsches Lächeln auf. Es ist kein ehrliches Interesse an dieser Story. Nicht so wie bei Robert, der Karina direkt alle Details aus der Nase zieht und eine Diskussion darüber anfängt, welches Zelt das Beste für diese Temperaturen ist. Ich nicke hin und wieder, so als würde ich verstehen, worum es geht, und lächle an passender Stelle. Aber eigentlich weiß ich: Das ist es. Genau das ist mein Problem. Ich bin neidisch. ICH. BIN. NEIDISCH. Auf Karinas Beziehung. Nicht darauf, dass die beiden bald heiraten werden. Sollen sie doch. Ich bin neidisch darauf, dass sie solche Abenteuer zusammen erleben, sich gemeinsam auf Reisen begeben. Dass die beiden auf einer Wellenlänge sind, was den Lebenshunger angeht, dass sie sich gegenseitig herausfordern und solche spannenden Dinge zusammen erleben. Ich will das auch.
Aber mein persönlicher Schwanzvergleich fällt deutlich...
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